Unter den Creature Feature-Horrorflics sind Haifilme eine eigene Gattung. Schon früh entstanden Werke wie “Haie greifen an” (The Sharkfighters”, 1956) von Jerry Hopper, Samuel Fullers “Hai” (“Shark”, 1969) oder Harald Reinls “Ein toter Taucher nimmt kein Gold” (1974). Doch die Initialzündung – für einen allerdings erst Jahre später einsetzenden Boom – war 1975 Steven Spielbergs Glanzstück “Der weiße Hai” (“Jaws”). “Jaws” zeigte wie man mit einer illustren Besetzung, herausragender Schnitttechnik, einem perfekt passenden Soundtrack und dem dramaturgisch geschickt aufgebauten Drehbuch einen Spannungsklassiker realisieren kann, selbst wenn die Auftritte der Titelfigur produktionsbedingt recht sparsam waren.
Der Erfolg bescherte “Jaws” drei Folgeprodukte, deren Qualität sprunghaft mit der Zahl hinterm Titel sank. Jeannot Szwarcs Zweitaufguss von 1978, der mehr einem Remix glich, war noch ein solides Werk, der langatmige dritte Teil hatte außer frühem 3D und Dennis Quaid wenig Erhebendes zu bieten, der vierte und abschließende Part “Die Abrechnung” war trotz der (Fehl)besetzung Michael Caines (der britische Charakterdarsteller wollte anscheinend einen Karibikurlaub finanziert bekommen) eine veritable Gurke. Ein weißer Hai als Charles Bronson-Ableger auf Suche nach Rache erwies sich nicht als verkaufsträchtige Idee und spaßig bestenfalls für eingefleischte Trashliebhaber.
In Italien widmete sich der verdienstvolle Enzo G. Castellari den Top-Prädatoren der Meere, doch sein “The Last Jaws – Der weiße Killer (“L’Ultimo squalo”, 1981) war nur ein lauer Aufguss des Spielbergschen Originals und kein Höhepunkt in Castellaris reichhaltigem Schaffen.
1999 schuf Renny Harlin mit “Deep Blue Sea” einen spannenden, actionreichen Krawallfilm mit sehenswerter Besetzung, der trotz Drehbuchschwächen und einiger Albernheiten (die genetisch manipulierten Mako-Haie können ihre Körpergröße der Raumumgebung anpassen) für gut aufgelegte blutige Unterhaltung sorgte. Jahre später fand auch das Dunkelblau seine Ableger. Der zweite Teil war ein öder Langweiler, Teil drei immerhin ansehbare TV-Ware.
Dazwischen und danach gab es ein paar positive Beiträge wie “Open Water”, “The Reef”, “Bait 3D – Haie im Supermarkt” (ein erstaunlich erfreulicher Film) und jüngst “Shark Bait”. Am positivsten bleibt “The Shallows – Gefahr aus der Tiefe” (“The Shallows”, 2016) in Erinnerung, der als dramatisches Kammerspiel auf offenem Meer (allerdings in Küstennähe) hervorragend funktionierte. Trotz Logiklöchern groß wie Scheunentore. Aus Sicht des Hais: Mein Dinner mit Blake Liveley.
Und dann kamen der Fernsehsender Syfy samt Roger Corman sowie Produktionsfirmen wie Asylum mit einer wilden Mixtur aus ranzigem Horrorabfall, Selbst-(Parodie) und purem Blödsinn. Haie wurden in Flüsse umgesiedelt, wobei es so etwas tatsächlich gibt. Bullenhaie können auch in Süßwasser existieren. Die Mitglieder des Golf Clubs Carbrook in Australien wissen das. Die Knorpelfische agierten an Land, in Sand und Sumpf, im Schnee, in Venedig, als Geister und Zombies.
Die armen Tiere bekamen zwei bis sechs Köpfe (“2-Headed Shark Attack” und die mutierten Folgen), wurden mit Oktopoden gekreuzt (“Sharktopus”, “Sharktopus vs. Pteracuda”, “Sharktopus vs. Whalewolf” – Roger und Julie Corman graut’s vor gar nichts), retteten sich aus der Prähistorie in die Gegenwart (“Jurassic Shark”, “Supershark”) oder hagelten im Sturm bissig auf bedauernswerte Opfer nieder. Höchst erfolgreich im gewollten Trashformat (zumindest ab Teil zwei) “Sharknado”. Dass es zwischen 2013 und 2018 auf sechs Ausgaben brachte. Einen Sonderpreis für den besten Filmtitel gibt es für die außeririschen Hammerhaie von der “Shark Side Of The Moon”.
Irgendwann reichte der Große Weiße Hai nicht mehr, ein “Mega Shark” musste her, gerne in der urzeitlichen Variante als Megalodon. 2003 gab es schon einen “Hai Alarm auf Mallorca”, in dem ein Megalodon der Deutschen liebste Partyinsel um Bevölkerungsteile dezimierte. Mehr an Info über die Qualität des TV-Filmchens braucht es nicht.
Meist wurde der gefräßige Megalodon im C bis Z-Movie-Segment eingesetzt, doch 2018 entschloss man sich – mit Hilfe chinesischer Geldgeber – den wasseraffinen Ex-Turmspringer Jason Statham gegen den “Meg” antreten zu lassen. Dass Ruby Rose im Cast auftaucht, sollte bereits stutzig werden lassen. Es wird zwar nicht höllisch schlimm, aber mehr als ein leidlich unterhaltsames Kinderfilmchen ist “Meg” nicht geworden. Immerhin so erfolgreich, dass mittlerweile ein zweiter Teil entstanden ist. Den nicht einmal Ben Wheatly, eigentlich einer der interessantesten Regisseure der Gegenwart (“Sightseers”, Kill List”, “Free Fire”, “A Field in England”, “in The Earth”), retten konnte.
Da schien der Trailer zu “The Black Demon” schon vielversprechender. Wäre es nur bei dem kurzen Teaser geblieben.
Paul Sturges, Vizepräsident und Inspizient der Ölfirma Nixon Oil (Der Name ist Programm), fährt mit seiner Familie in ein mexikanisches Küstenstädtchen, um von dort aus die Abwicklung der nahe gelegenen Ölplattform voranzutreiben. Das ehedem blühende Dorf ist nahezu ausgestorben, die wenigen verbliebenen Bewohner sind ungastlich, maulfaul und im schlimmsten Fall gemein und übergriffig. Bedingt durch feindselige Bekundungen kommt es, dass Familie Sturges komplett auf der morschen Bohrinsel landet und sich bitteren Erkenntnissen und einem gefräßigen schwarzen Riesenhai, dem titelgebenden “Black Demon”, stellen muss.
Auf der Plattform sind gerade noch zwei Arbeiter übrig, der Rest hat das Weite gesucht oder ist dem Meer und dem Riesenhai zum Opfer gefallen. Eine Funkverbindung existiert nicht mehr, das Boot, das Mrs. Sturges und ihre beiden Kinder zum Stallgeflecht transportiert hat, wird samt Kapitän vom Megalodon verspeist. Der kein gewöhnlicher Hai ist, sondern der schwarze Racheengel eines erzürnten Gottes. Der ausgesandt wurde, die Erde (respektive das Wasser) von Umweltsündern zu befreien.
“The Black Demon” hat ein Anliegen, das er holzhammermäßig ins gemarterte Hirn seines Publikums einprügelt. Die Menschen betreiben systematischen Raubbau, kümmern sich nicht um Tod und Zerstörung. Deshalb wird die Folkhorror-Legende vom übellaunigen Regengott Tlaloc und seinen Sendboten “El Demonio Negro” mehrfach bemüht, um auch der Schlafmütze in der letzten Reihe klarzumachen, was des Bösen Sache ist. Zu allem Überfluss tickt eine Bombe unter Wasser, was aber die Beteiligten nur leidlich irritiert und beschäftigt. Stattdessen führt man lieber moralethische Grundsatzdiskussionen auf Unterstufenniveau.
Wie man unschwer erkennen kann, ist “The Black Demon” von parodistischen Anwandlungen weit entfernt. Die Lage ist ernst, so verdammt ernst. Und wird gerade dadurch zum traurigen Witz. Zwar ist das Anliegen ehrenhaft, doch die Umsetzung scheitert in nahezu allen Belangen. Das Personal ist unsympathisch und wenig glaubwürdig. Familie Sturges besteht aus dem moralisch indifferenten Familienvater Paul, der besorgten Mutter Ines, einer nervigen Teenietochter (normalerweise gern genommenes Opfer in Slasher-Filmen) und dem arglosen jüngeren Spross Tommy. Dessen Überlebensinstinkte zu wünschen übrig lassen, spielt er doch gerne auf einem kleinen Ponton am Fuß der Plattform mit seinem Holzboot, während im Wasser eine riesige Fressmaschine patrouilliert. Ob er wohl ins kühle Nass fällt? Das ist eigentlich keine Frage.
Am besten kommt noch der nachdenkliche Arbeiter Chato weg, angemessen von Julio Cesar Cedillo (“Sicario”) dargestellt. Fernanda Urrejola als Ines Sturges zieht sich halbwegs angemessen aus der Affäre, über die beiden juvenilen Darsteller lassen wir den Mantel gnädigen Schweigens fallen. Josh Lucas, der einst schauspielerisch verlässliche Ehemann von Laura Diamond, rettet sich angesichts des ermüdenden Desasters ins fracksausende Overacting. Idee für einen Songtitel: “Standing in Nicolas Cage‘s Shadow”.
“The Black Demon” ist eigentlich Etikettenschwindel. Die Auftritte des Hais dauern insgesamt nur wenige Minuten und sind unspektakulär in Szene gesetzt. Kein Blood & Guts, nur ein kurzes Auftauchen im Halbdunkel, ab und an das Zeigen eine vernarbten Flosse und schiefer Zähne, das war’s. Die CGI-Effekte changieren zwischen mäßig und übel, die Unterwasserwelt mit ihren Wrack- und Leichenteilen könnte realistischer mit Legosteinen gebaut werden. Die Attacken geben visuell kaum etwas her, dramaturgisch ist einem das Personal, ob als Haifutter oder Überlebende, eh völlig egal. Bereits die obligatorische, hier platt in Szene gesetzte, Eingangs-Tauchsequenz geht in undefinierbarem Geblubber baden.
Über weite Teile ist “The Black Demon” ein schales Psycho-Familiendrama, mit Konflikten, die sich zwischen bemüht und egal entlang hangeln. Zwar gelingen Regisseur Adrian Grünberg mit dem Eintreffen der amerikanischen Sippe an ihrem maroden, mexikanischen Zielort ein paar atmosphärische, unbehagliche Szenen, doch das endet mit der Überfahrt zur Plattform. Dort regiert trostloses Einerlei, unterbrochen von viel zu seltenen und höhepunktlosen Hai-Attacken. Wach gehalten wird man allerdings vom bombastischen Soundtrack, der stets mehr verspricht als der Film halten kann.
Die mythischen Aspekte, die dem Regengott und seinem Abgesandten geistesbeeinflussende Fähigkeiten nachsagen, bleiben bloße Behauptung. Die Verwirrung, die die Protagonisten gelegentlich überkommt, kann auch der verkorksten Gesamtsituation oder dem allgemein herrschenden Tohuwabohu zugeschrieben werden. Eine großartige Rolle spielt der Hokuspokus sowieso nicht.
Regisseur Adrian Grünberg war zweiter Regieassistent bei Mel Gibsons “Apocalypto” und durfte später seinen ehemaligen Chef im B-Movie “Get The Gringo” akzeptabel in Szene setzen, bevor er den altersmüden Rambo in “Rambo:- Last Blood” langatmig, aber ultrabrutal in den (vorläufigen) Ruhestand schickte. Lediglich Ersteres trifft auch auf “The Black Demon” zu.
Summa Summarum kann man sich “The Black Demon” als mystifizierte “John Wick”-Abwandlung vorstellen, in der Keanu Reeves durch einen Megalodon ersetzt wurde, nur gut fünf Minuten auftaucht und alle Kills im Off passieren, während CGI skurrile Blüten treibt. Ob man das sehen möchte? Die Entscheidung fällt leicht.
Ist schon erstaunlich, dass Spielbergs “Jaws” nach rund 50 Jahren immer noch der unangefochtene Klassenprimus ist. Es gab Filme, die das Klassenziel erfolgreich erreichten, aber “The Black Demon” bleibt sitzen. Mangelhaft, nicht nur in den Hauptfächern.
Cover, Fotos © Squareone Entertainment/Leonine Distribution
- Titel: The Black Demon
- Originaltitel: The Black Demon
- Produktionsland und -jahr: Dominikanische Republik, Mexiko, USA 2023
- Genre: Horror, Öko-Thriller, Familiendrama
- Erschienen: 20.10.23
- Label: Squareone Entertainmemnt
- Spielzeit:
97 Minuten auf 1 DVD
101 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller: Josh Lucas
Fernanda Urrejola
Venus Ariel
Carlos Solórzano
Julio Cesar Cedillo
Jorge A. Jimenez - Regie: Adrian Grünberg
- Drehbuch: Carlos Cisco (Story)
Boise Esquerra - Kamera: Antonio Riestra
- Schnitt: Sam Baixauli
V. Manu Medina - Musik: Leonardo Heiblum
Jacobo Lieberman - Extras: Trailer
- Technische Details (DVD)
Video: 2,00:1 (16:9 anamorph)
Sprachen/Ton: Englisch, Dolby Digital 5.1 AC-3;Deutsch, Dolby Digital 5.1 AC-3
Untertitel: Deutsch - Technische Details (Blu-Ray)
Video: 1920x1080p (2.00:1) @24 Hz
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS-HD Master Audio 5.1
Untertitel: Deutsch - FSK: 16
- Sonstige Informationen:
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Erwerbsmöglichkeit
Wertung: 4/15 dpt