Start der Hildur-Trilogie
Es ist fast fünfundzwanzig Jahre her. 1994. Die achtjährige Rósa und ihre sechsjährige Schwester Björk kommen von der Schule nicht zurück. Ihre Spur verliert sich in einem Tunnel, dessen Eröffnung für den Verkehr kurz bevorstand. Bis heute ist unklar, was mit ihnen geschehen ist.
2019. Hildur, die ältere Schwester der vermissten Mädchen, arbeitet in der Abteilung für vermisste Kinder und ist die einzige Kriminalbeamtin im Polizeibezirk Isafjördur in den Westfjorden. In der Kleinstadt passiert wenig und die Handvoll Polizisten sind für alles zuständig. So muss Hildur mit ihrer Chefin Beta mal wieder den landesweit bekannten Pädophilen Jón aufsuchen, da ein aus einer Entzugsklinik entflohener Jugendlicher vermisst wird. Jón nimmt zu Jugendlichen öfters Kontakt auf und verspricht ihnen Drogen.
Es ist November, der Winter steht vor der Tür und Hildur bekommt einen neuen Kollegen. Jakob aus Finnland war einst Biologielehrer bevor er aus privaten Gründen zur Polizei wechselte. Dort steht seine Ausbildung vor dem Abschluss, ein Praktikum im Rahmen eines Austauschprogramms führt ihn nach Island, wo er sich nicht nur einen Tapetenwechsel erhofft, sondern auch einen Ort der Ruhe. Kurz nach seiner Ankunft ist es mit der Ruhe allerdings vorbei, denn eine Lawine begräbt am Stadtrand einige Sommerhäuser, die aus eben diesem Grund im Winter nicht bewohnt werden dürfen. Dennoch gibt es eine Leiche: Jón. Allerdings tötete ihn nicht die Lawine, ihm wurde zuvor die Kehle durchschnitten. In seinem Mund finden die Ermittler zudem ein kleines Büschel blonder Haare. Weitere Spuren gibt es nicht, die Lawine leistete ganze Arbeit.
„Ich bin Polizist. Ich habe in Finnland die Ausbildung gemacht und komme jetzt im Austausch hierher.“
„Nach Isafjördur? Nicht einmal alle Isländer würden das Dorf auf der Landkarte finden.
Unmittelbar nach dem Leichenfund erfährt Hildur, dass in der Landeshauptstadt Reykjavik ein ebenso bekannter wie verhasster Rechtsanwalt zu Tode überfahren wurde. Überraschend ist jedoch, dass auch in seinem Mund ein kleines Büschel blonder Haare entdeckt wird. Offensichtlich handelt es sich um denselben Mörder, aber was sollte die höchst unterschiedlichen Männer miteinander verbinden?
Der erste Kriminalroman mit eigenem Strickbuch
„Die Spur im Fjord“ der finnischen Autorin Satu Rämö ist der gelungene Auftakt einer Trilogie, deren Fortsetzungen „Das Grab im Eis“ und „Der Schatten des Nordlichts“ für April und Oktober 2024 angekündigt sind. Der Roman glänzt durch drei Komponenten: Den Krimiplot, um den es ja bei einem Kriminalroman vornehmlich gehen sollte, seine beiden Protagonisten und nicht zuletzt die Landschaft Islands.
Hildurs Großmutter war zu Lebzeiten die bekannteste Weissagerin des Landes, eine Eigenschaft die vererbbar scheint, denn Hildur nimmt bevorstehende Gefahren körperlich wahr, ohne allerdings zu erkennen, wann und wo welches Unheil geschieht. Zudem belastet sie weiterhin das Schicksal ihrer Schwestern, für das sie sich selbst mitverantwortlich macht, denn an besagtem Tag hatte sie die Schule geschwänzt. Jakob ist eine besondere Erscheinung, denn sein großes Hobby ist stricken. Genauer, das Stricken von Isländerpullovern, so dass es fast schon kaum verwundert, dass es zu diesem Roman eine Art „Begleitbuch“ gibt, nämlich das Strickbuch „Outdoor Islandpullover – Nordisches Strickdesign für sie und ihn“. Co-Autorin – man ahnt es – ist Satu Rämö, die aus Finnland stammt, der Liebe wegen aber nach Island zog und somit einige Ähnlichkeiten mit Jakob aufweist, nur, dass dieser von seiner in Norwegen lebenden Frau geschieden ist und kaum noch Gelegenheit hat, sein Sohn Mathis zu sehen.
Neben dem Krimiplot nimmt das Privatleben von Hildur und Jakob reichlich Platz ein und trägt somit nicht unwesentlich zum Buchumfang bei. Freunde skandinavischer Krimis dürften sich somit besonders angesprochen fühlen, wer gerne in Island seinen Urlaub verbringt aber ebenfalls, denn die wilde Landschaft bildet einen ausführlich beschriebenen, bildgewaltigen Hintergrund. Nicht zuletzt bietet der Roman eine „überraschende“ Auflösung und generiert Vorfreude auf die Folgebände.
Für Islandkrimi-Freunde sei abschließend der Hinweis erlaubt, dass soeben der zweite Teil der „Elma“-Trilogie („Verlogen“) von Ava Björg Ægisdóttir erschienen ist. Hier finden Sie die Rezension zum ersten Band „Verschwiegen“.
- Autorin: Satu Rämö
- Titel: Hildur – Die Spur im Fjord
- Originaltitel: Hildur. Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
- Verlag: Heyne
- Umfang: 368 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Oktober 2023
- ISBN: 978-3-453-42817-1
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Wertung: 12/15 dpt