Jane Harper – Die Suche (Buch)

Vermisstensuche und ein Unfall mit Fahrerflucht

Die Suche
© Rütten & Loening

Aaron Falk ist Polizist, allerdings bei der AFP, der Finanzabteilung der Bundespolizei in Melbourne. Vor einem Jahr lud ihn sein befreundeter Kollege Greg Raco, der als Sergeant in Kiewarra arbeitet, jener Kleinstadt, in der Falk aufwuchs, zu der Taufe seines Sohnes ein, bei der Falk die Rolle des Patenonkels übernehmen sollte. Allein es kam anders. Beim alljährlichen Marralee Valley Food and Wine Festival, dass am Tag zuvor eröffnete, verschwand die 39-jährige Kim Gillespie spurlos. Neben dem Riesenrad fand man lediglich den Kinderwagen, in dem ihr Säugling lag. Die sofort eingeleitete Suche blieb erfolglos, Greg sagte die Taufe daher ab, denn Kim gehört zur Familie.

Ein Jahr später. Die Taufe soll endlich stattfinden, wenngleich der Jahrestag die Ereignisse überschattet. Kim ist noch immer verschwunden, das Festival beginnt von Neuem und Zara, die 17-jährige Tochter von Kim und Gregs Bruder Charlie, startet einen neuen Suchaufruf. Es gilt Zeitabläufe sowie An- und Abwesenheiten von vermeintlich Beteiligten zu verfeinern. Alle Familienangehörigen der Racos sowie Kims Ehemann Rohan können nachweisen, wo sie sich zum Zeitpunkt des Verschwindens aufgehalten haben. Gleichwohl stellen sich nach wie vor viele Fragen.

Ihr werdet also wahrscheinlich gehört haben, dass meine Mutter an einer postnatalen Depression litt. Und das stimmt. Vermutlich habt ihr auch gehört, dass sie meine Schwester in ihrem Kinderwagen alleinließ und zum Stausee ging, um … Das stimmt nicht.

Wieso ließ Kim ihren Säugling allein zurück und wie konnte sie überhaupt das Festivalgelände verlassen? Der Hauptausgang war streng bewacht, dort hätte man sie sehen müssen. Bleibt einzig der Ostausgang, welcher zum nahegelegenen Stausee führt. Hier verrichtete zum fraglichen Zeitraum der damals 17-jährige Joel Tozer, ein Freund von Zara, seinen Ordnungsdienst und ist sicher, dass ihm Kim nicht begegnete. Es bleibt ein Rätsel, zumal später im Stausee ein Schuh von Kim gefunden wurde. Für Joel eine schlimme Zeit, denn exakt an der Stelle, wo Kim hätte in den Stausee hinunterstürzen können, wurde sechs Jahre zuvor Joels Vater Dean von einem Auto angefahren und fiel in die Tiefe. Erst Wochen später wurde seine Leiche gefunden, das Unfallfahrzeug nebst Fahrer hingegen nicht. Falk, der den Ermittler in ihm nicht abschütteln kann, nutzt seinen Urlaub, um Nachforschungen anzustellen.

Fortsetzung der Aaron-Falk-Reihe

Nach „Hitze“ und „Ins Dunkel“ ist „Die Suche“ bereits der dritte Fall für den sympathischen und empathischen Ermittler aus Melbourne, der immer wieder in Kapitalverbrechen hineingezogen wird. Wer die Romane der preisgekrönten australischen Autorin Jane Harper (zuletzt “Der Sturm“) kennt, weiß, dass mit überbordender Action eher nicht zu rechnen ist. Ganz im Gegenteil. Zunächst lernt Falk die Großfamilie der Racos kennen, was für den Leser bedeutet, die zahlreichen Namen und deren familiäre Verbindungen auseinanderzuhalten. Danach begibt sich Falk mit Greg auf Spurensuche, wobei man sich beharrlich im Kreis dreht. Alle haben damals ausgesagt, Kims Verschwinden bleibt ein Mysterium, ebenso wie der Unfalltod von Dean Tozer.

Rate mal, wie viele Leute in den letzten fünfzig Jahren in diesem Stausee ertrunken sind und nicht gefunden wurden.“
„Ich höre?“
„Kim wäre die erste.

Zeitabläufe und Zeugenaussagen werden immer und immer wieder durchgegangen, allein es führt zunächst nicht weiter. Damit der Roman nicht allzu kurz ausfällt, gibt es selbst für Jane Harpers Verhältnisse sehr ausführliche private Begebenheiten, nicht zuletzt, da Falk vor einem Jahr Joels Mutter Gemma in Melbourne kennengelernt hat. Harper schreibt selbstredend bedeutend anspruchsvoller als Rosamunde Pilcher, gar keine Frage, aber es pilchert doch ganz ordentlich zwischen den Zeilen. Wer gerne am Privatleben der Protagonisten teilnimmt, der darf hier ungesehen zugreifen. Wer hingegen einen stringenten Thriller erwartet, muss etliche Längen in Kauf nehmen. Aber, es sei nochmals erwähnt, Harper ist eine große Erzählerin, verfällt nie ins Kitschige und vermag selbst in jenen – für einen Thriller nebensächlichen – Passagen die Leser bei Laune zu halten.

Ich habe das Gefühl, du grübelst über irgendetwas nach.“
„Nicht wirklich, nur das Übliche wegen Kim. Ich komme immer wieder auf dies und jenes zurück, aber nichts wirklich Neues.

Kriminell gesehen passiert, wie angedeutet, recht wenig. Dafür freunden sich nicht nur Falk und Gemma an, sondern auch Joel, der am väterlichen Verlust noch immer leidet, findet in Falk so etwas wie einen Freund und da sich Joel intensiv mit dem Unfall des Vaters beschäftigt, überrascht es wenig, dass er letztlich den entscheidenden Hinweis geben kann, ohne dies freilich zu erahnen. Ja, großer Spoiler, es wird aufgeklärt wer den Unfalltod von Dean verschuldet hat und was mit Kim geschah. Beides allerdings, nun ja, recht plötzlich. Bis es soweit ist beherrschen die großen Themen wie Liebe, Missgunst und Vertrauen die Handlung. Einige Geheimnisse werden aufgedeckt und wer dabei gern die leisen Töne bevorzugt, wird einmal mehr von Jane Harper gut unterhalten; nicht zuletzt dank der bildgewaltigen Landschaft des (fiktiven) Marralee Valley.

Autorin: Jane Harper

Titel: Die Suche

Originaltitel: Exiles. Aus dem Englischen von Matthias Frings

Verlag: Rütten & Loening

Umfang: 382 Seiten

Einband: Hardcover

Erschienen: September 2023

ISBN: 978-3-352-00978-5

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Wertung: 11/15 dpt

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