Timon Krause, seines Zeichens Mentalist, Sachbuchautor, Teilnehmer bei “Let’s Dance” und bald wohl auch bei “Joko & Klaas” zu sehen, hat einen experimentellen Roman im Selfpublishing herausgebracht – und damit alle Theaterliebhaber und -kenner, Fans von Poesie und poetischen Neologismen und rührend verrückten Charakteren verzaubert. Gleichzeitig nimmt er die verschiedenen Eigenarten von “Theatermenschen” liebevoll ironisch auf’s Korn.
Der Protagonist Edgar Fett ist Schriftsteller und Buchbinder von Beruf. In den letzten drei Jahren hat er aber kein Buch mehr angefasst, verlässt seine Wohnung kaum noch und vebringt seinen Alltag hauptsächlich in Gesellschaft seiner Katze Pamela. Als diese ihm eines Tages entwischt, folgt er ihr und landet, nur mit einem Bademantel bekleidet, im größten Abenteuer seines Lebens – im Theaterhafen. Aber das Theater scheint aus dem Lot geraten zu sein und Vorstellung, inklusive den Darsteller*innen und dem Publikum stecken fest …
“Der Theaterhafen: Zufluchtsort vom Lebensgrau; ein Ort, an dem Künstler und Publikum ihre Anker auswerfen, um auf den sanften Wogen der Verzauberung zu ruhen, um die Gischt des Fantastischen auf ihrem Herzen zu spüren, um anzukommen, bevor sie erneut die Segel hissen.”
In diesem Buch steckt Theater – vom Schreibstil, über die Charaktere, die Gestaltung, bis hin zum Plot. Akive und ehemalige Theatrekids kommen hier voll auf ihre Kosten und können nochmal einen Blick hinter die Kulissen werfen. Manchmal konnte ich Timon Krauses Beschreibungen sogar riechen! Das Popcorn und der staubige, dicke Teppich im Foyer. Der Zigarettenrauch backstage und der Geruch nach Schminke in den Umkleiden. Und auch die verschiedenen Theateraberglauben hatte ich wieder im Ohr …
Besonders der Schreibstil ist aber einer, auf den man sich einlassen muss. Die Kapitel erinnern an Regieanweisungen, inklusive der Angabe des Ortes und welche Personen anwesend sind. Ansonsten gibt es eher kurze und prägnante Sätze, viele Aufzählungen und wenig show, dafür viel tell – was in diesem Kontext für mich hervorragend passt. Aufgelockert wird das Ganze dann durch fantastischen Wortneuschöpfungen und peotische Einflüsse:
“Ihre Finger sind tintengeküsst, ihre dunklen Haare denkzerzaust.”
Einen winzigen Abzug gibt es von mir nur dafür, dass teilweise die Perspektiven etwas durcheinander geraten. Andererseits erhalten wir als Leser*innen durch die wechselnden Perspektiven einige Informationen, die unsere Held*innen noch nicht haben, was wiederum für eine Menge Spannung sorgt. Auch wird man in einer Perspektive als Leser*in direkt angesprochen und darf sich dem Publikum anschließen, das die Vorstellung verfolgt.
Allgemein dauert es etwas länger, bis klar ist wer in der Geschichte Held und wer Antagonist sein soll. “Gut und Böse” ist im Theaterhafen nicht immer so leicht voneinander zu trennen, Timo Krause schafft es aber, eine Geschichte mit vielen Irrungen und Wirrungen zu erzählen, die spannend bleibt, nicht vorhersehbar ist, einen aber trotzdem miträtseln lässt und sich logisch auflöst. Hin und wieder fühlen sich sowohl Edgar wie auch die Leser*innen wie in einem Fiebertraum.
Verbildlicht wird dieser “irre Ihrgarten” unter anderem durch den außergewöhnlichen Buchsatz! Mal kringeln sich die Sätze in Spiralen, so dass einem ganz schwindelig wird. Mal ist die Schrift größer, mal kleiner. Mal muss man hin- und herblättern, weil das Erleben aller Charaktere in Spalten abgedruckt ist und man so wunderbar die Gleichzeitigkeit des Erlebens abbilden kann. Leider tummelten sich in diesen Spalten dann aber auch ein paar Rechtschreibfehler.
Mit “Das versunkene Theater” hat Timon Krause in jedem Fall ein Gesamtkunstwerk erschaffen. Vom Einband, der wunderschönen Innenklappengestaltung, den Illustrationen im Buch, dem Buchsatz, der Geschichte an sich bis hin zur Quintessenz, wie dieses verrückte Abenteuer dem grummeligen Edgar sein Leben zurückgibt.
Der Autor selbst bescheibt sein Buch als “magical realism”. Für mich hatte es hin und wieder ach etwas Märchenhaftes.
- Autor: Timon Krause
- Titel: Das versunkene Theater
- Verlag: KMAV
- Erschienen: 10/2023
- Einband: Hardcover
- Seiten: 360
- ISBN: 978-3-947239-92-4
- Sonstige Informationen:
- Erwerbsmöglichkeiten
Wertung: 13/15 dpt
