Gesucht von den Guten und den Bösen
Die Stadt Baxter ist ziemlich runtergekommen, nicht wenige der rund hunderttausend Einwohner interessieren sich hauptsächlich für Drogen. Die einzige nennenswerte Firma droht zu schließen, die Perspektivlosigkeit könnte kaum größer sein. Besonders übel ist das Leben in den Yards, einer Ansammlung von Trailern und Teerpappenschuppen. Doch nicht alle die hier wohnen haben keine Lust auf gar nichts, es gibt auch Ausnahmen wie Git O’Rourke, die ihrer achtjährigen Tochter gern ein besseres Leben bieten würde. Über siebzig Stunden arbeitet Git als Krankenschwester und Privatpflegerin, allein es reicht so eben, um ihre Rechnungen zahlen zu können. Spaß hat sie wenig, aber alle zwei, drei Monate muss sie dann schon mal raus, sich aufdonnern und von den Männern bewundern lassen. Ein bisschen Sex muss für die Alleinerziehende sein, aber bitte ohne Verpflichtung. Als Git mal wieder in einer Bar auf der Suche nach dem kurzen Vergnügen ist, begegnet sie Bradley Grieg, der zwar gut aussieht, gleichwohl aber nur ein kleiner Dealer ist. Sei’s drum, es geht in ein Motel und wenig später ist der Spaß schon wieder vorbei.
Am nächsten Morgen herrscht große Aufregung in Baxter, denn es gab den zweiten Mord in diesem Jahr. Grieg wurde in dem Motelzimmer durch einen Kopfschuss getötet und nicht nur das, es fehlen zudem 18.000 Dollar Drogengeld, die dem Unterweltboss Carl Schmidt gehören. Dessen Sohn Connor, der mit Grieg befreundet war, soll das Geld zurückholen, man habe nicht zuletzt einen Ruf zu verteidigen. Die Überwachungskamera in dem Motel gibt nichts her und eine Aufnahme aus der Bar zeigt nur von oben eine Frau mit breitem Hut. Connor macht sich mit seinem nicht zimperlichen Schuldeneintreiber Augie Barboza auf die Suche nach der ominösen Frau. Doch auch die Cops sind im Spiel. Lieutenant Delia Mariola, Leiterin der Detective Division von Baxter und ihr Partner Vern Taney, scheinen dabei Connor immer einen Schritt zuvorzukommen. Aber das Spiel hat ja gerade erst begonnen und so wird Git gleich von zwei Seiten gesucht. Wenig später gibt es die nächsten Toten.
Gelungenes Setting dank gleich drei Ich-Erzählern
A. F. Carter ist ein Pseudonymund alles, was man laut Nachwort von Marcus Müntefering, Krimiexperte des „Spiegel“, über „A. F. Carter“ weiß, ist, dass es sich um einen männlichen Krimiautor aus New York handelt. Wäre das schon mal geklärt. Vielleicht erfahren wir ja mehr, wenn „The Hostage“ auf Deutsch erscheint, dem zweiten Fall für die „Kampflesbe“ Mariola. Wie angedeutet, spielt „Die Höfe“ (Original „The Yards“) im Unterschichtmilieu, was erklärt, warum die Sprache oftmals rau und obszön ist. Das „F….“ steht hier nicht für Frau und Gits Mutter ist „die Krone des Weißen Abschaums“, so die Einschätzung ihrer Tochter.
Was „Die Höfe“ auszeichnet respektive interessant macht, ist der Umstand, dass gleich drei Ich-Erzähler am Werk sind. Git, die versucht, sich der Rache der Schmidts zu entziehen; Connor, der auf eben jene Rache und das verlorene Geld aus ist und Mariola, die zu gerne Vater und Sohn Schmidt einbuchten würde. Egal wie. Nach und nach entdecken Mariola und Connor immer mehr die Identität der mysteriösen „Frau mit Hut“ und begeben sich auf die Suche, wobei Connor zugleich darauf achten muss, dass er Mariola nicht über den Weg läuft und das seinem eher hirnlosen, dafür aber gewaltbereitem Partner Augie nicht die Sicherungen durchbrennen. Wie sich die Kreise der drei Protagonisten aufeinander zubewegen ist kurzweilig zu verfolgen, wobei lange Zeit die beiden zentralen Fragen im Raum stehen, wer hat Grieg erschossen und was wurde aus dem Drogengeld? Und, wie erwähnt, es bleibt ja nicht bei einem Mord.
Jenseits des Krimiplots ist zudem die implizierte Kritik am American Way of Live interessant, denn das Git trotz ihrer siebzig Wochenstunden kein Bein auf die Erde bekommt, ist natürlich bitter. Sie kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Tochter und die meist grantelnde Mutter. Mariola ist ebenfalls eine sympathische Figur, hält mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg oder wie Connor sagen würde: „Die F…. hat dicke Eier.“ Und überraschenderweise einen Sohn, das zunächst ungewollte Ergebnis einer Vergewaltigung. Wer auf ungewöhnliche Plots beziehungsweise Erzählweisen steht und dabei vor einem robusten Vokabular nicht zurückschreckt, findet hier gute, dreckige Krimikost.
- Autor: A. F. Carter
- Titel: Die Höfe
- Originaltitel: The Yards. Aus dem Amerikanischen von Karen Witthuhn. Mit einem Nachwort von Markus Müntefering
- Umfang: 280 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: September 2023
- ISBN: 978-3-948392-81-9
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Wertung: 12/15 dpt