Sameena Jehanzeb – Frozen, Ghosted, Dead (Buch)

Ein cooler Mix aus Postapokalypse, SF-Crime und Romance

© Sameena Jehanzeb

Mit „Was Preema nicht weiß“ gewann Sameena Jehanzeb 2020 nicht nur den Selfpublisher-Preis, sondern eroberte einen weiten Kreis an Lesenden. Die Autorin und Illustratorin veröffentlichte zunächst bei Kleinverlagen und entschied sich schließlich, ihre Bücher selbst herauszubringen. Ihren aktuellen Roman „Frozen, Ghosted, Dead” stellte sie beim Kölner Fantasy Lesefestival vor und dort lernte ich das Buch kennen. Die Geschichte spielt im Jahr 2204 nach der Klima-Apokalypse. Die Erde wurde von Aliens, den Telarin, übernommen. Obwohl der Planet gerettet wurde, ist nicht alles gut. Schon gar nicht im Leben der 28-jährigen Niobe.

Was Niobe nicht weiß

Das Schicksal hatte Geist alles Gute entrissen und nur das Schlechte zurückgelassen. Der einzige Reiz, den das Leben noch bot, war das Verschwinden in der Bedeutungslosigkeit.Seite 9

Niobe genießt als Tochter einer Politikerin wirtschaftlich gesicherte Verhältnisse, bis Mona Anvar ermordet wird. Sie wurde nach und nach mithilfe ihres persönlichen Neurolinks vergiftet, was eigentlich nur eine ihr nahestehende Person durchgeführt haben kann. Aus diesem Grund gerät Niobe selbst unter Mordverdacht und verliert ihre finanzielle Grundlage. Sie lebt nun in der Randstadt, wo arme Menschen kostenlos in einfachen, heruntergekommenen Apartments wohnen.

Mit dem Job in einer Service-Werkstatt für Roboter hält sie sich über Wasser. Ihren geplanten Exodus nach Gaia finanziert sie mit Social Media Auftritten für die Asteria-Cooperation. Ein Kolonie-Raumschiff soll sie in einem fast einhundert Jahre dauernden Kälteschlaf ins Paradies bringen. Doch anscheinend hat sich das Schicksal gegen Niobe verschworen. Denn für den Transfer muss sie diesen Mordverdacht widerlegen und einen Stalker namens „Geist“ überführen, der ihr grausame Morddrohungen schickt.

Niobe wendet sich an Kommissar Markus Brill, der den Mord an Mona Anvar untersucht. Er muss in alle Richtungen ermitteln, glaubt jedoch nicht wirklich an Niobes Schuld. Geists gruselige Nachrichten und die Tatsache, dass der Stalker die junge Frau anscheinend auf Schritt und Tritt verfolgt, beunruhigen auch den Polizisten. Deshalb engagiert er die Personenschützerin L., die gerade von ihrer Agentur beurlaubt wurde und Ablenkung gebrauchen kann. Die Art Ablenkung, die Niobe allerdings bietet, ist für die coole L. ein Schock. Niobe ist Eboni, ein Profil auf der Asteria-App, in das sich L. verliebt hat. Davon darf Niobe nichts erfahren, professionelle Distanz ist geboten. Obwohl die gruseligen und gefährlichen Angriffe, vor der L. ihre Klientin beschützen muss, die beiden Frauen immer mehr zusammenschweißen. Und schließlich ein verborgenes Geheimnis aus der Vergangenheit Niobes Leben bedroht, das diese nicht einmal in ihren düstersten Albträumen erahnt.

Was alles darin steckt

Sie musste einen Gefallen vom Teufel einfordernSeite 272

Aus der Überschrift „Mix aus Postapokalypse, SF-Crime und Romance“ geht schon hervor, dass Sameena Jehanzeb viele Ideen und Themen in ihr Buch „Frozen, Ghosted, Dead“ eingebracht hat: einen Krimi-Plot, der es in sich hat, ein Near-Future World Building, das erschreckend durchdacht anmutet, und eine Romanze zwischen Frauen, die unter die Haut geht.

Der Krimi-Plot startet zunächst mit leidlich bekannten Motiven. Eine junge Frau wird gestalkt und mit Morddrohungen gequält, kurz nachdem ihre Mutter ermordet wurde und kurz bevor sie den Absprung in ein neues Leben schaffen möchte. Diese Ausgangssituation klingt zunächst wenig futuristisch. Doch die Geschichte enthüllt nach und nach einen Tathintergrund, der glaubwürdig aus Jehanzebs utopisch/dystopischer Welt hervorgeht.

Der Schauplatz der Handlung ist die Erde nach der Klimaapokalypse. Die verbrauchten Ressourcen führten zu Ressourcenkriegen, die das Ende der Menschheit besiegelt hätten, wären nicht Außerirdische gekommen, um die Erde zu retten. Die Telarin geben der Menschheit strikte Regeln vor, die eine erneute Zerstörung der regenerierten Umwelt verhindern, überlassen die Politik jedoch den Menschen. Diese nutzen den fortgeschrittenen Stand der Kybernetik und Gentechnik dafür, gehandicapte Menschen zu heilen und lebende Organspendeklone zu erschaffen. Sie sprechen jenen „Cybes“ (mit Kybernetik ausgestattete Menschen) und „Tweaks“ (zu Organspende erschaffene menschliche Klone) jedoch nur äußerst eingeschränkte Bürgerrechte zu. Die Autorin kreierte mit ihrer Geschichte und dem Weltenbau bemerkenswerte Bezüge zu gegenwärtigen Fragen. Was muss passieren, damit wir die Zerstörung unserer Lebensgrundlage stoppen? Was macht den Menschen und seine Rechte aus? Und welche Mittel heiligen welchen Zweck?

Zwei starke Frauen mit interessanten Hintergründen

Erst ihr Herz, dann ihre Smartbrille und nun ihr verdammter Wagen.Seite 312

Die Geschichte in „Frozen, Ghosted, Dead“ wird abwechselnd aus personaler Sicht der Protagonistinnen Niobe und L. erzählt. Ein pikanter Begleitumstand der Beziehung zwischen Klientin und Personenschützerin ist, dass L. sich vor ihrer Begegnung in Niobes Social Media Präsenz Eboni verliebte. Zunächst bestimmt eine von L. auf Distanz gehaltene Beziehung diesen Teil der Handlung. Etwas zu ausufernd sind diese Szenen geraten, zumal von vorneherein klar ist, wie es enden wird. Hier bietet die Story zwar fetzige Dialoge, jedoch wenige Überraschungen an. Spannende Geheimnisse finden sich allerdings in L. und Niobes Hintergründen, die die historische Entwicklung der Menschheit und den innovativen SF-Weltenbau gegenüberstellen. Dazu sind beide Frauen sehr unterschiedlich und jede auf ihre Art sympathisch. Es macht Spaß zu lesen, wie die sozial engagierte und temperamentvolle Niobe die unterkühlt wirkende L. herausfordert. Und L. schließlich ihre Geheimnisse teilt und sich beide emotional und erotisch aufeinander einlassen.

Warum weniger Romance und mehr Crime die Geschichte noch besser gemacht hätten

Obschon sich der Romance-Anteil in „Frozen, Ghosted, Dead“ kurzweilig und anregend liest, wäre weniger davon vielleicht mehr gewesen. Denn der Krimi-Plot, vielschichtig und komplex angelegt, lässt leider einige Chancen ungenutzt liegen. Denn dessen außergewöhnliche und spannende Entwicklung wurde auf zu wenige Kapitel reduziert. Erst in der zweiten Hälfte des Romans kommt endlich Bewegung in den Kriminalfall. Krasse und nicht vorhersehbare Enthüllungen folgen Schlag auf Schlag, und tauchen die Ereignisse um das Stalking und die Ermordung von Niobes Mutter in ein ganz neues Licht. Anfängliche und zwischendurch beiläufig eingestreute Szenen ergeben einen verstörenden Sinn. Trotzdem hätte ich über einige Details aus der Vergangenheit gern mehr erfahren. Die Motivation zu Verfolgung und Mord wird plausibel erläutert, der faszinierende Ansatz einer Geschichte dahinter verbleibt jedoch blass.

Fazit

Sameena Jehanzeb hat mit „Frozen, Ghosted, Dead“ einen ungewöhnlichen Roman geschrieben und in hoher Qualität selbst verlegt, der in keine der gängigen Genre-Schubladen passt. Und der gerade deshalb Lesende fasziniert, spannend unterhält und emotional berührt. Die dynamische und fantasievolle Schreibe der Autorin mit ausdrucksstarken und passenden Bildern runden das anregende Leseerlebnis ab. Allein der zu umfangreiche Romance-Anteil auf Kosten des Krimi-Plots hinterlässt ein Gefühl, dass das Potenzial dieser Geschichte nicht voll genutzt wurde und noch mehr Tiefe möglich gewesen wäre.

  • Autorin: Sameena Jehanzeb
  • Titel: Frozen, Ghosted, Dead
  • Verlag: Selbstverlag/ Nova MD
  • Erschienen: 04/2022
  • Einband: E-Book, auch als Taschenbuch erhältlich
  • Seiten: 388 Seiten auf Tolino
  • EAN: 9783754647646 ISBN: 978-3-9859532-6-4
  • Produktseite des Buchs in Sameena Jehanzebs Shop

Wertung: 11/15 dpt

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