Robert Brack – Schwarzer Oktober (Buch)


Rund um den Barmbeker Aufstand

Schwarzer Oktober
© Edition Nautilus

Hamburg. 1923. In einem Kellerloch haust die neunzehnjährige Klara Schindler und weiß sich kaum über die Runden zu helfen. Die Hungersnot ist allgegenwärtig, die Inflation treibt die Preise und gut bezahlte Arbeit ist nicht zu finden. Klara ist festentschlossen gegen die Zustände anzukämpfen und schließt sich der Kommunistischen Partei an. Als Tagelöhnerin verdient sie gelegentlich ein kleines Geld, in einer Gummiwarenfabrik wird es später wenig besser. Derweil soll sie sich um die Kommunistische Jugend kümmern, denn die jungen Menschen hören ihr meistens zu.

Ich bin kein Kontrollmädchen!“
„So? Und wo kommst du her?“
„Aus dem Proletariat!“
„Und wo willst du hin?“
„In den Kommunismus!

Klara lernt Ketty kennen, die für die Zeitung „Pranger“ arbeitet, dem Organ der Hamburger Kontrollmädchen, daher auch Hurenzeitung genannt. Aber passen Prostitution und Kommunismus zusammen? Für Ketty auf jeden Fall, für Parteifunktionär Ernst keineswegs. Im September betritt Nosch die Szene, die, von der Moskauer Zentrale gesteuert, eine Revolution nach russischem Vorbild vorantreiben soll. Die Kapitalisten müssen entmachtet werden, die Arbeiter müssen übernehmen, der Traum von Sowjetdeutschland lebt.

„Wir organisieren uns für Tag X.“ Hoffentlich ist das Proletariat bis dahin nicht verhungert. Die Leute müssen das Geld jetzt schon in Säcken zum Höker tragen. Bald wiegt es mehr als Kartoffeln.

Die prekäre Lage der Arbeiter verschlechtert sich weiter, die Kampfbereitschaft steigt und so kommt es am 23./24. Oktober zum Barmbeker Aufstand, der allerdings in einem Fiasko endet. Am nächsten Morgen wird zudem die Leiche von Jakob entdeckt, ein Bekannter von Klara. Sollte Jakob ein Opfer des seit einigen Monaten umtriebigen Schnitters sein? Doch dieser stach bislang ausschließlich auf Frauen ein?

Ein Jahr später. Die gescheiterte Revolution ist Geschichte, Klaras große Liebe zu Selma, einer Schein-Prostituierten oder auch „Schlangenbeschwörerin“, entwickelt sich mitunter zu einer Hassliebe und Ketty wird bei den Kommunisten zur Persona non grata, da sie die Menschen auffordert, sich vom Kommunismus zu lösen. Es brauche Arbeiter und Räte, keine Parteien. Es ist irgendwie alles verstörend für die junge Klara, während der Schnitter weiter sein Unwesen treibt.

Prequel der Klara-Schindler-Reihe

Robert Brack, der eigentlich Ronald Gutberlet heißt, hat mit seiner Klara-Schindler-Reihe bereits etliche Krimifreunde und an Geschichte interessierte Leser überzeugen können. Die bisherigen drei Romane spielen allerdings in den Jahren 1931-1933 („Und das Meer gab seine Toten wieder“, „Blutsonntag“ und „Unter dem Schatten des Todes“), in denen die Protagonistin als Journalistin tätig ist. Der nun bei Edition Nautilus erschiene Roman „Schwarzer Oktober“ ist ein Prequel zur Serie und führt direkt mitten hinein in eine turbulente Zeit, in der Kommunisten und Sozialdemokraten um die linke Deutungshoheit konkurrieren. Nicht immer mit sauberen Mitteln, was sich unübersehbar bei den Kommunisten zeigt, denn Ernst und Nosch entpuppen sich als hundertprozentige Parteikader, die keinerlei Abweichung von der offiziellen Linie akzeptieren, diese im Gegenteil notfalls mit Gewalt gegen die eigenen Leute durchsetzen.

Die kommunistische Idee ist doch mehr als die Partei, sie ist größer als die Partei.“
„Es ehrt dich, dass du dir solche Fragen stellst. Aber hier gehst du den Weg zurück von der Wissenschaft zur Utopie.

Brack zeigt die innere Zerrissenheit seiner Hauptfigur, die Selma begehrt, was ihr den Zorn ihrer Partei einbringt. Als Arbeiterin träumt sie von der Herrschaft der Arbeiter und wittert daher Verrat als ihr Ketty (fiktiv eingeführt wird hier die reale Feministin und Kommunistin Ketty Guttmann; 1883-1967) eröffnet, dass die Fabriken in Russland nach der dortigen Oktoberrevolution keineswegs den Arbeitern gehören, sondern der Partei und damit den Parteibonzen. Kann das wirklich sein? Dann war der Kampf 1923 ja womöglich umsonst? Und überhaupt, wo ist denn ein Jahr nach dem Barmbeker Aufstand der Kampf um eine neue Gesellschaft geblieben? Der Kampf für die Macht der Arbeiter und Freiheit für alle? Die Sozialdemokraten mahnen zur Ruhe, die Kommunisten stellen radikale Forderungen. Und Ketty? Sie gerät zwischen die Fronten, da sie von Parteien nichts mehr wissen will. Räte müssen reichen.

Die Lage ist so verwirrend wie die Liebe zwischen Klara und Ketty und zu allem Überfluss droht im Hintergrund der ominöse Schnitter, dem sein Messer allzu locker sitzt. Wer sich für die jüngere deutsche Geschichte interessiert, findet in der Klara-Schindler-Reihe von Robert Brack informative und spannende Unterhaltung.

  • Autor: Robert Brack
  • Titel: Schwarzer Oktober
  • Verlag: Edition Nautilus
  • Umfang: 160 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: September 2023
  • ISBN: 978-3-96054-326-8
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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