Irgendwo da draußen liegt es, weiter östlich, da, wo die Marcos „Moorgou“ heißen und die Prostituierten noch mit Namen bekannt sind – das Kaff der Guten Hoffnung.
Da gibt’s den Kiosk, wo das Feierabendbier zu einer stinkenden Pisspfütze wird, die die Luft verpestet. Da gibt´s die olle Renate, die erst Kommunistin und dann Regimegegnerin war, um als trauriger alkoholversetzter Klumpen auf der Straße zu verenden.
Parks, die kaum mehr als eine Verkehrsinsel sind. Und Bier, dass es kein Wunder ist, wie trostlos diese Mumien enden und dabei glauben, ein Leben zu führen, das den Namen Leben verdient hätte.
„Die Geschichten vom Kaff der Guten Hoffnung“ sind düster. Und zwar nicht auf diese romantisch-verklärte Art, wie Schauergeschichten düster sind. Sondern düster. Grau in grau in grau wie dreckiger Asphalt, dessen einzige Lichtpunkte plattgetretene Kaugummis sind. Zuverlässig da, aber sollte auch schon mindestens seit den Achtzigern mal neu gemacht werden. So wie die Figuren aus M. Kruppes Storys.
Wer sind diese traurigen Gestalten aus seinem Buch? Es sind Randerscheinungen, die aus dem Blickwinkel wahrgenommen, aber besser keines Blickes gewürdigt werden, um nicht deren Aufmerksamkeit zu erregen. Es könnte peinlich werden.
Jede*r kennt diese Erscheinungen. Geistern gleich stehen sie zuverlässig an der immer gleichen Ecke und labern Passanten voll, nur weil sie meinen, darin ein bekanntes Gesicht ausgemacht zu haben. Sie erzählen Legenden von Ehefrauen und davon, dass das Schicksal einfach besonders hart bei ihnen zugeschlagen hat, um so jede Verantwortung für die eigene Existenz abzulehnen. Sie sind bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Leute, wegen denen man die Straßenseite wechselt.
Kruppe hat diese Leute scheinbar beobachtet und sein eigenes kleines Kaff erschaffen. Er zeigt ein Dasein auf, wo andere lieber wegsehen. Er geht in die Tiefe bei denen, wo oftmals keine Tiefe drinsteckt, weil sie einfach einmal zu oft zu tief ins Glas geschaut haben.
Es gibt keine Hoffnung, was diese Geschichten so authentisch macht. Welche Hoffnung bleibt denen, für die alles verloren ist? Jedes Happy End hätte einen Fantasyroman erzeugt.
Während der Lektüre drängt sich besonders eine Frage auf: Ist der Erzähler M. Kruppe? An welchen Stellen vermischen sich Autor und das lyrische Ich? Denn dass es einige Schnittpunkte gibt, beweist bereits das kryptische M.
Das kryptische M verfasst einige Szenen gerne in Form von Gedichten, was dem Buch einen Hauch Poesie verleiht. Manche Sätze klingen nachdenklich. Mindestens verfügt er über eine besondere Beobachtungsgabe.
Was dem Ganzen einen ranzigen Anschein verleiht, ist schlichtweg der Alkohol. Vielleicht ließe sich hier sogar eine Metapher zur Realität ziehen, denn: Wo ständen diese Menschen, deren hoffentlich fiktiven, aber doch auch realen Geschichten der Autor hier erzählt, wenn es keinen Alkohol gäbe? Sähe ihr Leben nicht anders aus? Geordneter und weniger erbärmlich? Nahezu jede Geschichte thematisiert Alkohol und zwar so nebensächlich, als wäre der Konsum so selbstverständlich wie der Kaffee am Morgen, um wach zu werden. Als Leser*in möchte man sich kopfschüttelnd abwenden, wenn wieder mal ein Sixpack gekauft oder ein „Bierchen“ hinterhergeschüttet wird.
Fazit
Die „Geschichten vom Kaff der Guten Hoffnung“ sind nichts für Zartbesaitete. Sie eignen sich weder für Optimisten noch für Träumer, es sei denn, sie hätten die Aufgabe, Träume zu zerstören. Und zwar im Keim. Manchmal wird den Lesenden zu viel Negativität zugemutet. Manchmal zu wenig Zusammenhang hergestellt.
Aber es liegt ihnen etwas inne, das Poesie genannt werden kann. Und M. Kruppe hat es geschafft, in der kargen Landschaft der Trostlosigkeit diese Poesie aufzuspüren.
Was ich dem Autor wünsche: Dass sich hinter dem kryptischen M kein „Moorgou“ versteckt!
Autor: M. Kruppe
Titel: Geschichten vom Kaff der Guten Hoffnung
Verlag: Edition Outbird
Umfang: 120 Seiten
Einband: Taschenbuch
Erschienen: 15.08.2020
ISBN: 978-3-948887-04-9
Wertung: 11/15 dpt