Florian Knöppler – Südfall (Buch)


Dave Milton ist ein britischer Soldat, der als einziger den Abschuss seiner Maschine über dem nordfriesischen Wattenmeer überlebt hat. Nachdem er sich zunächst bei einer alten Frau hat verstecken können, macht er sich auf den gefahrvollen Weg nach Hause.

Knöppler nimmt die Flucht seiner Hauptfigur zum Ausgangspunkt, um kapitelweise die Menschen zu porträtieren, denen Dave begegnet. So wird der Roman zu einer Aneinanderreihung von Geschichten, die eher lose miteinander verbunden sind. Die Personen sind insgesamt völlig unterschiedlich. Es sind Männer und Frauen, junge und ältere Personen, von denen jeder eine eigene Biografie mitbringt, auf die der Autor ausführlich eingeht.

Da ist zum Beispiel der heranwachsende Paul, der nach dem mutmaßchen Freitod der Mutter bei seiner Tante Anna lebt. Diese versucht den Neffen vor den Einflüssen des Dritten Reiches zu beschützen. Der Jugendliche ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch so zu sein wie die anderen Jungen in seinem Alter, die sich bei der HJ engagieren oder sogar freiwillig für die Front melden, und der Entdeckung seiner eigenen Individualität. Er ist sensibel und die Brutalität der Kriegsparolen stößt ihn ab. In der gleichaltrigen Lena findet er eine Seelenverwandte.

Auch Anna widmet Knöppler ein eigenes Kapitel. Sie leidet unter der Abwesenheit ihres Mannes, ihrer großen Liebe, der an der Front ist. Innerlich bereitet sie sich darauf vor, ihn niemals wiederzusehen. Knöpper zeichnet ihren Schmerz und ihre Sehnsucht mit berührenden Worten nach, wobei er die enorme innere Stärke der jungen Frau betont, die allen Verlusten zum Trotz ihren Neffen zu schützen versucht und als Fluchthelferin für Dave sogar die eigene Sicherheit riskiert.

Weitere Figuren betreten die Szene und verlassen sie wieder sobald sie Dave begegnet und ein Teil seiner Reise geworden sind: Cecilie, dessen größter Wunsch es ist, studieren zu können, obwohl sie ein Mädchen ist, der einsame Landwirt Simon, der glaubt an einer tödlichen Krankheit zu leiden.

Ähnlich wie bereits in seinen vorherigen Romanen „Kronsnest“ und „Habichtland“ lenkt Knöppler den Focus auf die Geschehnisse hinter der großen Geschichtsschreibung. Krieg und Drittes Reich sind omnipräsent und zwingen die Menschen in eine innere Emigration.

Knöpplers Erzählweise ist ruhig, frei von jedem Pathos. Er verzichtet auf große Effekte. Mit seinem Schauplatz an der Nordseeküste hat der Autor erneut einen Ort gewählt, an dem es scheinbar gelingt, sich wegzuducken, während an anderen Orten längst die Hölle losgebrochen ist. Seine Figuren sind Menschen mit Schwächen und Fehlern, mit Zweifeln und Ängsten, die einzig darum ringen, sich selbst treu zu bleiben. Knöpper präsentiert uns weder kämpferische Helden noch laute Heldentaten. Es geht um das Menschliche, welches sich auch im Verborgenen durchsetzt.

Vielleicht ist Knöpplers Darstellung insgesamt zu optimistisch. Vielleicht ist sein Wunsch, das Gute im Menschen zu sehen, einen Tick zu naiv. Aber vielleicht geht seine Geschichte gerade darum so gut auf. Denn vor allem stiftet sein Roman Hoffnung und davon kann es in keinem Fall jemals genug geben.

  • Autor: Florian Knöppler
  • Titel: Südfall
  • Verlag: Pendragon Verlag
  • Erschienen: August 2023
  • Einband: Gebundene Ausgabe
  • Seiten: 248 Seiten
  • ISBN: 978-3865328519

Wertung: 11/15 dpt


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