Christina Henry – Der Knochenwald (Buch)


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Mattie lebt mit ihrem Ehemann William weitab von anderen Menschen in einer Berghütte. Doch von Ruhe und Frieden ist nur wenig zu spüren: William ist gewalttätig, schlägt seine junge Frau und erlaubt ihr kaum Freiheiten. Doch als eines Tages mysteriöse Tierkadaver im Wald auftauchen, nachts schaurige Schreie von den Bergen hallen und plötzlich drei Fremde um die Hütte herum auftauchen, ändert sich schlagartig alles. Mattie weiß: Sie muss handeln, bevor es zu einer Katastrophe kommt.

Christina Henry, bekannt geworden durch ihre schaurigen Märchen- und Sagenadaptionen, präsentierte dieses Jahr ihrer Leserschaft bereits mit „Der Geisterbaum“ eine eigene Horrorgeschichte. „Der Knochenwald“ ist nun ihr zweites Werk, das sich an keine Vorlage anlehnt.

Dass das Genre Horror genau das ihrige ist, beweist Christina Henry auch mit diesem Roman. Gleich die ersten Sätze erwecken ein Gefühl der Beklemmung und eine dumpfe Vorstellung davon, wie es sich anfühlen könnte, in schneeweißer Kälte auf einem einsamen Berg einen ausgeweideten Fuchs zu finden.

Die Autorin versteht es, ihre Leser zu fesseln, zu fordern und gelegentlich auf falsche Fährten zu locken. So ist beispielsweise, anders als bei „Der Geisterbaum“, längere Zeit gar nicht klar, zu welcher Zeit die Geschichte eigentlich spielt. Die Schilderung von Matties Leben und Williams Ansichten lassen vermuten, die Handlung läge mehrere Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte, in der Vergangenheit. Mattie bereitet Essen über der Feuerstelle vor und wäscht sich mit eiskaltem Wasser aus einer Waschschüssel. William prügelt seine Frau nach Belieben bis zur Besinnungslosigkeit, verlangt, dass sie ihm „Söhne schenkt“ und bezichtigt sie nach einer Fehlgeburt der Hexerei.
Der Gedanke, dass hier etwas gewaltig nicht stimmt, drängt sich jedoch bald durch Matties Erinnerungen an ein früheres Leben auf und Williams skurrile Ansichten bestätigen dies.

»Ich habe dich aus allen Mädchen der Welt als meine Braut auserwählt. Du bist mein besonderes, mein ganz besonderes Mädchen.«

Als dann das seltsame Paar im Wald auf einen der Fremden trifft, wird deutlich: Die Geschichte spielt in der heutigen Zeit und die Ehe von Mattie und William wirkt nicht nur verstörend, sie ist es auch. Eine ganz besondere Form des Horrors entsteht und lassen einen beim Lesen erschaudern.
Die Kulisse der einsamen Hütte auf dem Berg hat nichts mehr von Freiheit und Wanderlust, sondern von einem undurchlässigen Gefängnis; Matties Leben gleicht einer Tortur.

Auf diese Weise erschafft die Autorin eine ganz besondere Form des Horrors, den Alltagshorror, den jeder auf irgendeine Art kennt, die einen mehr, die anderen weniger.

Allein das ist schon beängstigend. Doch Christina Henry wäre nicht sie selbst, wenn nicht auch noch ein nicht menschlicher Schrecken sein Unwesen treiben würde.

Das namenlose, teilweise unsichtbare Monster, das auf dem Berg sein Jagdrevier ansiedelt, stellt eine zusätzliche Bedrohung dar, die die Geschichte von einem Alltagshorrorszenario in einen wahren Horrorfilm verwandelt.
Ein Monster, Schnee, Eiseskälte, Isolation, finsterste Nacht und eine panische Flucht durch einen einsamen Wald, damit erfindet Christina Henry das Rad zwar nicht neu, dennoch sind es aber genau die Zutaten, die eine gute Gruselgeschichte ausmachen. Und Christina Henry versteht es wieder einmal, diese geschickt zu vermischen.

Wie auch ihre vorherige Bücher zeichnet sich „Der Knochenwald“ durch gut dosierte Spannung, klare Sprache und packende Wendungen aus. Das Buch aus der Hand zu legen, erweist sich besonders im letzten Drittel als schier unmöglich.

Ein wenig Hintergründe bezüglich des Monsters wären durchaus wünschenswert gewesen, zum Beispiel eine Erklärung, wieso es so plötzlich auftaucht und warum. Jedoch ist der Schluss so geheimnisvoll-überraschend und lässt so viel Raum zur Interpretation, dass über diese fehlenden Informationen sehr gerne hinweggesehen werden kann.

„Der Knochenwald“ ist eine würdige Fortsetzung in Christinas Henry-Horroruniversum, die mit ihren Vorgängern durchaus mithalten kann. Sie ist spannend, in vielerlei Hinsicht unheimlich und hinterlässt die Leser mit einer essenziellen und höchstinteressanten Frage: Wer ist hier das wahre Monster?


Wertung: 13/15 dpt

  • Autor: Christina Henry
  • Titel: Der Knochenwald
  • Originaltitel: Near the Bone
  • Übersetzer: Sigrun Zühlke
  • Verlag: Penhaligon in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
  • Erschienen: 09/2023
  • Einband: Gebundenes Buch, Pappband
  • Seiten: 368
  • ISBN: 978-3-7645-3277-2
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten

Cover © Cover by Penhaligon in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH


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