Seishi Yokomizo – Mord auf der Insel Gokumon (Buch)


Haiku mit tödlichen Folgen

Mord auf der Insel Gokumon
© Blumenbar

1946. Auf einem Truppentransporter stirbt der Erbe der reichen Familie Kito. Mit letzter Kraft bittet Chimata seinen Kriegskameraden Kosuke Kindaichi für ihn auf seine Heimatinsel Gokumon zu reisen, um dort seine drei Halbschwestern Tsukiyo, Yukie und Hanako zu retten, deren Leben in großer Gefahr ist. Im September erreicht Kindaichi das Eiland und überbringt die traurige Nachricht. Nachdem die offizielle Todesnachricht eingetroffen ist, soll die Totenwache für Chimata stattfinden, doch diese Nacht wird von einem grauenhaften Vorfall überschattet. Hanako, die jüngste Halbschwester, wird kopfüber erhängt an einem Pflaumenbaum vor der Tempelanlage gefunden. Sind nun auch ihre beiden Schwestern in Gefahr?

Eine Nachtigall
Kopfüber am Baum hängend
Singt ihr Neujahrslied

Das Oberhaupt der reichen Fischereifamilie Kito, Chimatas Großvater Kaemon, verstarb vor rund einem Jahr. Sein Sohn Yosamatsu gilt als wahnsinnig und wird in einem Raum gefangen gehalten. Nach Chimatas Tod wäre sein Cousin Hitoshi nun der Erbe, doch dieser ist noch nicht aus dem Krieg zurückgekehrt. Derweil nutzt eine Seitenfamilie der Kitos ihren Einfluss geltend zu machen. Es entsteht ein undurchschaubares Knäuel an familiären Verstrickungen und der nächste Todesfall lässt nicht lange auf sich warten, während Kindaichi mit zunehmender Verzweiflung versucht, die Inhalte von drei Haikus zu verstehen.

Zweiter Fall für Meisterdetektiv Kosuke Kindaichi

Haikus, die berühmten japanischen Kurzgedichte, sind ein wichtiger Bestandteil des zweiten Falles für Privatdetektiv Kosuke Kindaichi aus der Feder des bekannten japanischen Krimiautors Seishi Yokomizo (1902-1981), dessen Serie mit dem stotternden und oft derangiert aussehenden Kindaichi stolze 77 Bände umfasst. Nach „Die rätselhaften Honjin-Morde“, die sich im Jahr 1937 ereigneten, sind über acht Jahre vergangen, in denen sich unter anderem ein Weltkrieg ereignete. Da rund um Gokumon und seinen Nachbarinseln neuerdings Piraten ihr Unwesen treiben, führt dies Kommissar Isokawa in die Gegend, wodurch es ein herzliches Wiedersehen gibt. Kindaichi und Isokawa lösten gemeinsam die Honjin-Morde.

Auf die Nacht des Grauens folgte ein nebliger Morgen.

Yokomizo wird gern als japanische Antwort auf Agatha Christie beworben. Es geschehen Morde, die eigentlich nicht möglich erscheinen und bei denen zudem kein Mordverdächtiger in Sicht ist. Natürlich drängen sich die verfeindeten Familienmitglieder auf, dazu wirken noch einige Honoratioren der Insel mit, doch ergeben die von Kindaichi ermittelten Zeitfenster für die Morde wenig Sinn. Verwirrend sind zunächst auch die ungewohnten Namen der Nebenfiguren und deren Verhältnisse untereinander, ein Personenregister vor Beginn der Handlung ist jedoch hilfreich. Zahlreiche japanische Besonderheiten wie wichtige historische Ereignisse, bekannte Autoren und ähnliches fordern die Aufmerksamkeit des Lesers zusätzlich heraus, werden in einem lesenswerten Glossar am Ende des Buches vertiefend erklärt.

Wie schon angedeutet, spielen die Haiku genannten Kurzgedichte eine wesentliche Rolle, so dass über die für westliche Leser gewöhnungsbedürftigen Texte und deren Verfasser einiges zu erfahren ist, zum Beispiel über Matsuo Basho (1644-1694), den bedeutendsten japanischen Haiku-Dichter. Zum großen Finale zeigt, wie sollte es anders sein, Kindaichi sein ganzes Können und verblüfft Isokawa und die Leser mit einer wahrlich atemberaubenden Auflösung. Wie bei den großen Vorbildern à la Sherlock Holmes hat man keine Chance, die Lösung auch nur ansatzweise zu erahnen. Böswillig könnte man sagen, diese sei an den Haaren herbeigezogen. Sei’s drum, die ebenso ruhig wie (nicht negativ gemeint) altmodisch erzählten Kindaichi-Romane machen Spaß und sind für Fans von Agatha Christie mindestens einen Versuch wert, für Japan-Fans sowieso. Die ersten beiden Bände sind im Verlag Blumenbar erschienen. Man darf gespannt sein, wie viele der weiteren Werke noch zu entdecken sein werden.

  • Autor: Seishi Yokomizo
  • Titel: Mord auf der Insel Gokumon
  • Originaltitel: Gokumontô. Aus dem Japanischen von Ursula Gräfe
  • Verlag: Blumenbar
  • Umfang: 336 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: August 2023
  • ISBN: 978-3-351-05119-8
  • Produktseite  


Wertung: 12/15 dpt


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