Hannover im Corona-Sommer 2020. Ein Pärchen beschließt, in die Bundeshauptstadt zu ziehen und davor soll ein letzter, gemeinsamer Abend mit Freunden stattfinden. Klingt eigentlich sehr nett, wenn es denn nicht etwas eskalieren würde.
Clemens (Sebastian Jakob Doppelbauer) ist ein Singer-Songwriter, der unter Depressionen leidet und seine Freundin Lisa (Pauline Werner) ist angehende Assistenzärztin an der Berliner Charité. Die Beziehung der End-Zwanziger steht etwas auf der Kippe, das wird bei vielen kleinen Momenten deutlich. Da wird das Einräumen von Büchern oder das Besorgen der Zutaten für das Abendessen zu Streitpunkten.
Da lernt Clemens die Backpackerin Valerie kennen, die versetzt wurde und augenscheinlich auch gleich ein bisschen ein Auge auf den Musiker geworfen hat. Die etwas alternative und neugierige Nachbarin Katharina hilft mit Mehl aus, was schlussendlich egal ist, weil doch ein Botendienst das letzte Abendmahl bringt.
Nach und nach werden die eigentlich eingeladenen Freunde immer weniger und Clemens ist sich zusehends unsicher, ob er das komponierte Lied für seine Freundin vortragen soll.
Sobald das Abendessen beginnt und der Alkoholgehalt steigt, kochen die Emotionen hoch, unausgesprochene Sehnsüchte werden offenbart und Vorurteile in alle Richtungen kommen ans Tageslicht.
Die Kamera ist immer nah am Geschehen, nah an den Menschen. Dementsprechend war es die Aufgabe des Ensembles, ihre Emotionen so glaubwürdig wie möglich zu spielen. Dies gelang auch im Großen und Ganzen. Die unterschiedlichen Charaktere, allesamt um die Ende 20 (bis auf Nachbarin Katharina), sind den Zuseher*innen vielleicht schon mal über den Weg gelaufen. Vielleicht fühlt man sich dadurch in manchen Szenen oder Dialogen sogar etwas peinlich berührt. Trotz der Dialoglastigkeit des Films bleibt Platz für Situationskomik, auch wenn es mitunter tragisch wird.
Durch den Kammerspiel-Charakter des Schauplatzes (die Wohnung plus wenige Momente im Außenbereich) erzeugt Regisseur Lukas Nathrath in seinem Langfilm-Debüt eine beklemmende Grundstimmung, die vom Ensemble nur verstärkt wird. Hauptdarsteller Sebastian Jakob Doppelbauer sticht hier am meisten hervor, nicht nur wegen seiner zwei geschriebenen Songs. Bei der Tonmischung wäre noch etwas Luft nach oben gewesen. Manche Dialoge waren akustisch nur schwer verständlich.
Auszeichnungen:
LETZTER ABEND, für den Regisseur Lukas Nathrath den First Look Award beim Locarno Film Festival 2022 erhielt, ist sein erster Langfilm. Dieser feierte 2023 als einziger deutscher Beitrag im Hauptwettbewerb des Internationalen Film Festivals Rotterdam Premiere. Beim diesjährigen Max Ophüls Preis Filmfestival wurde er mit dem Preis für die Beste Regie ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Filmfest in Emden den Jurypreis und gewann dort zusätzlich den Drehbuchpreis “Ein Schreibtisch am Meer”. Auf dem International Shanghai Film Festival 2023 war LETZTER ABEND der Eröffnungsfilm der Sektion International Panorama.
Fazit: “Letzter Abend” hält Millennials den Spiegel vor Augen, ist nahe am Geschehen und offenbart mehr als eine unglückliche Beziehung in Zeiten der Pandemie.
- Titel: Letzter Abend
- Internationaler Titel: One Last Evening
- Produktionsland und -jahr: Deutschland, 2022
- Genre: Drama
- Erschienen: 24.08.2023
- Label: FilmWelt
- Spielzeit: 93 Minuten
- Schauspieler: Sebastian Jakob Doppelbauer
- Pauline Werner
- Susanne Dorothea Schneider
- Nikolai Gemel
- Regie: Lukas Nathrath
- Drehbuch: Lukas Nathrath
- Sebastian Jakob Doppelbauer
- Schnitt: Silke Olthoff
- Kamera: Philip Jestädt
- Musik: Sebastian Jakob Doppelbauer
- Slade Templeton
- Constantin Wittgenstein
- Chris Köbke
- FSK: 12
- Sonstige Informationen:
- Filmseite
Wertung: 10/15 dpt