Arno Dahmer – Ein Mythos von mir (Buch)


Der Held der Geschichte trägt den etwas hölzernen Namen Markward Hain. Allein die Benennung lässt darauf schließen, dass sich Autor zwischen Empathie und ironischer Distanz zu seiner Figur bewegt. Der Titel des Romans lässt darauf schließen, dass Arno Dahmer genau reflektiert, wann sein Protagonist authentisch ist und wann er seinem Mythos von sich selbst nachhängt. Markwards Wesen und sein Verhalten scheint teils nachvollziehbar zu sein, teils wirkt es absurd.

Der zu Beginn der Handlung 45-Jährige arbeitet als Deutschlehrer in einer Sprachschule für Migrantinnen und Migranten und gibt sich ganz als eigenbrötlerischer Akademiker, der seinen Unterricht und die Eigenarten der deutschen Sprache sehr ernst nimmt, jedoch hinter dieser Schicht aus Gelehrtheit kein weiteres Leben kennt. Doch da ist etwas: Markward ist promovierter Philosoph und befasst sich in seiner Freizeit mit den Schriften von Kierkegaard und Wittgenstein. Seine Tätigkeit als Hochschullehrer hat er aufgegeben, seine philosophischen Studien aber nicht. Er arbeitet an seiner Habilitationsschrift, ohne die Absicht, diese noch beruflich einzusetzen. Markward pflegt nur wenige oberflächliche Bekanntschaften, seine geistigen Genossen aus dem Reich der Philosophie sind ihm lieber als jede menschliche Gesellschaft.

Dabei drängt sich die Frage, ob er ein Einsiedler ist, ob er zölibatär lebt oder ob er nur einen verdrängten Kummer in sich trägt, nicht nur dem Leser auf, sondern beschäftigt auch den Erzähler des Romans, der für Markward ein früheres, aber auch ein gegenwärtiges Schicksal bereithält. Die Erinnerungen an eine Jugendliebe kommen ans Licht, die damals eine unglückliche Erfahrung für ihn war. Heute aber steht der Protagonist zwischen zwei Frauen. Da gibt es seine Kollegin Seraphina, der er aber nur freundschaftliches Interesse entgegenbringt, und dann ist da Isabel, die in der Waldgaststätte Forsthaus bedient, eine Frau, die Markward sofort in intellektuelle Gespräche verwickelt, kurz nachdem sie sich dort kennengelernt haben. Also genau die Richtige für ihn, die ihn aus seiner Einsamkeit zu erlösen in der Lage ist? Mit dieser Frage spielt der Erzähler und zieht alle Register rund um das Thema Einsiedlertum und Isolation.

Marquards verdrängte Sexualität meldet sich immer wieder zu Wort, ob er nun das Sexualleben anderer kommentiert oder ob er sein eigenes Verhältnis zu Liebe und Erotik reflektiert. Die große Frage, ob reine Vergeistigung und das Sich Aufschwingen in intellektuelle Höhenflüge für ein erfülltes Leben ausreichend sind, kommt immer wieder auf. Am Ende schwankt Markward in seinem Handeln hin und her und beginnt als Persönlichkeit zu erodieren, weil sein Selbstbild als Asket angesichts seiner Gefühle zu Isabel ins Wanken geraten ist. Mir scheint, der Erzähler schwankt selbst in seinem Entscheidungskampf, ob diese Liebe am Ende Erfüllung finden oder ob Markward an deren Nicht-Erfüllung schließlich zu Grunde gehen soll. Wie es ausgeht, sei nicht verraten.

Leserinnen und Leser können mitfiebern, was aus dem einsamen Philosophen wird und welche Schlüsse sie daraus ziehen sollen.


Wertung: 15/15 dpt


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