Marc Bielefeld – Noch einmal Paradies (Buch)

Marc Bielefeld unternahm mit seiner Lebensgefährtin das, wovon viele träumen: Ein Jahr mit einer Jacht im Mittelmeer. Ein Jahr lang segeln, ankern, sich treiben lassen, genießen. Einmal Paradies. Seine Arbeit als freier Journalist erleichterte ihm die Umsetzung dieses Traums, die Arbeit nahm er einfach mit an Bord.

Genussvoll langsam stattet der passionierte Segler Bielefeld seinen Reisebericht aus. Segeln heißt langsam reisen. Wer segelt hat Zeit mit dem Ankommen. Beim Segeln ist die Reise ist das Ziel. Ohne Hast fasst er die Wochen vor Reiseantritt zusammen, schildert den Ablauf von der Anfangssehnsucht bis zum Bootskauf. Auch über seine Beweggründe sinniert er ausführlich.

„Ich fragte mich, was dahintersteckte. Eine Wirklichkeitsflucht? Ging es hier um das Verlangen nach einem elementaren Erlebnis, die Lust auf einen Rest archaischen Menschseins abseits der zivilisatorischen Highways? Oder bereits um einen Eskapismus, der nicht mehr allein durch Abenteuerlust und Reisefieber getrieben, sondern tatsächlich schon von jenem Gedanken befeuert war, der krisenhaften Gegenwart entkommen zu können und sich notfalls in Sicherheit zu bringen?“
(Seite 35)

Die gut einjährige Reise startet in Barcelona, führt weiter zu den Balearen, mit einer langen Verweildauer an den Küsten Mallorcas, dann weiter nach Sardinien und schließlich auch an die Afrikanische Küste Tunesiens.

Der Autor spart nicht mit ausufernden Lobeshymnen auf die Schönheit der Natur, auf die paradiesische Einfachheit des Lebens an Bord. Seinem literarischen Vorbild Melville folgend beschreibt er in unzähligen Nuancen die unterschiedlichen Farbtöne des Meeres, die angenehmen Temperaturen, die Textur des Windes und macht seiner Leserschaft so das sinnliche Erleben greifbar. Ohne Frage erzeugen seine malerischen Ausführungen großes Fern- und Meerweh.

„Die Inselchen lagen wie Gärten vor dem Bug, wie Atolle. Sie glitzerten wie Vitrinen voller kostenlosem Gold. Auf der Zunge ließ ich mir diesen Anblick zergehen, verkostete ihn wie raren Wein, denn er schmeckte wie ein maritimes Antidepressivum in Zeiten grassierenden Wahnsinns.“
(Seite 221)

Doch Bielefeld verliert sich nicht in seinen Schwärmereien. Ruhig lässt er seine sehr persönlichen Gedanken und Einsichten einfließen. Die Naturkulisse wird zum Resonanzraum grundlegender Gedanken und Fragen. Die räumliche Distanz schafft einen Ausgangspunkt zum kritischen Betrachten und Hinterfragen des aktuellen Zeitgeschehens.

Immer häufiger im Laufe der Reise mischen sich Bilder akuter und aktueller Bedrohungen in seine idyllischen Beschreibungen. Bielefeld zählt konkrete Beispiele auf, die das fragile Ökosystem Mittelmeer gefährden. Er nennt Ursachen wie z.B. die Überfischung, den Tourismus, das überzogene Konsumverhalten, die Verschmutzung, den Temperaturanstieg durch den Klimawandel, und zeigt die tödlichen Auswirkungen auf die Lebensformen im Meer, von denen auch die Menschen nicht unberührt bleiben.

Auf seinen Landgängen trifft er sich mit Expertinnen und Aktivisten, lässt sich Zusammenhänge erklären und von Lösungsansätzen berichten. So entsteht eine umfassende Dokumentation der Lage. Das Paradies Mittelmeer ist längst ein stark bedrohter Lebensraum. Bielefelds Bericht wird zum dringenden Appell, das Ruder herumzureißen.

Der PIPER Verlag hat den Band im Mittelteil mit 37 Farbfotos ausgestattet, die dem Bericht Bielefelds eine sehr persönliche Note verleihen. Im Umschlag ist eine Karte des Mittelmeers abgebildet, auf der die Segelroute nachvollzogen werden kann.

Fazit: Ein moderner Abenteuerbericht, der den großen Umweltfragen nachspürt.

  • Autor: Marc Bielefeld
  • Titel: Noch einmal Paradies
  • Verlag: PIPER Verlag
  • Erschienen:  April 2023
  • Einband:  Gebundene Ausgabe
  • Seiten: 304 Seiten
  • ISBN:  978-3890295756


Wertung: 12/15 dpt

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