Ein Fantasy-Noir über Träume, Blut und News
Als Reporterin der „Paranormal Gazette“ und Hexe ist die New Yorkerin Moira Bran eine Grenzgängerin zwischen der Welt der Menschen und der Sub Side, der Welt der Hexen und Vampire. Sie überschreitet gern jegliche Grenzen und bringt einen Politiker zu Fall. Nachdem sie von der Zeitung gefeuert wurde, landet sie im Bluthaus als Lebendfutter für Vampire. Kurz bevor sie stirbt, erfährt sie unerwartete Hilfe, ausgerechnet von der Dämonin Sova Skorpin. Dämonen leben im Verborgenen. Deshalb braucht ihre Gemeinschaft in Fort Nook eine Grenzgängerin, um vermisste Traumfangende aufzuspüren. Diese Dämon:innen nennen sich Averna und extrahieren die Träume aus den Köpfen von Schlafenden. Sie sind selbst süchtig nach diesen Träumen und verkaufen sie als Droge auf dem Traummarkt in Fort Nook.
Moira bleibt nichts anderes übrig, als einen Pakt mit den Averna einzugehen. Sie traut ihnen nicht und auch ihr schlägt Feindseligkeit entgegen. Sie muss Ergebnisse liefern, sonst landet sie wieder im Bluthaus. Immer tiefer dringt sie ein in einen Sumpf aus Drogenschwarzmarkt, Manipulation und politischen Intrigen. Und gewinnt dabei überraschende Erkenntnisse über die Moral der magischen Parallelwelt. Und ihrer eigenen.
Hexen, Dämonen und – Algernon!
Moira Bran und Sova Skorpin sind zwar die wichtigsten Figuren in „Die Alchemie des Träumens“, die Autorin Iva Moor führte jedoch zahlreiche weitere in die Handlung ein. Einer meiner wenigen Kritikpunkte am Buch ist, dass ihm eine Aufzählung der Dramatis Personae wirklich gutgetan hätte. Bisweilen verlieren Lesende unter der Vielzahl an Mitstreitenden und Antagonisten doch den Überblick. Einer der wichtigsten Begleiter der beiden Frauen ist ein Emon namens Algernon, ein Wesen, das Gefühle trinkt. Und nicht auf den Mund gefallen ist.
Die schlagfertigen Dialoge der Drei gehören zu den schönsten Szenen des Romans, sie machen einfach Spaß. Einzigartig ist die Konsequenz, mit der jegliche Fantasy-typischen Klischees gebrochen werden. Als roter Faden zieht sich ein Spiel mit dem Gut-Böse Schema um Hexen und Dämonen durch die Geschichte. Iva Moor nutzt es nicht nur für eine bedeutsame Charakterisierung und Entwicklung ihrer Protagonistinnen, sondern auch sehr geschickt für den Aufbau des Spannungsbogens. Algernon, übrigens eine wundervolle Reminiszenz an den Roman „Blumen für Algernon“ von Daniel Keyes, kommt zunächst als verabscheuungswürdiger Parasit herüber. Erweist sich aber schließlich als ein echter Freund.
Was für eine schillernd düstere Welt
Die Autorin Iva Moor lebt in „Die Alchemie des Träumens“ eine außerordentliche Vorliebe für den Weltenbau aus. Zwar kommt der historische Hintergrund der Handlungsepoche um 1948 kaum zum Vorschein, dafür aber umso mehr eine detailreich beschriebene, schillernde und düstere Fantasy-Welt. Gestaltet mit einer Fülle von faszinierenden Details, die die Autorin zuweilen verstörend bildhaft beschreibt, verströmen die Schauplätze in der Sub Side und Fort Nook eine verzaubernde und zugleich gruselige Atmosphäre.
Die Geschichten in der Geschichte
Überwiegend Moira und gelegentlich Sova erzählen die Geschichte auf 634 Seiten. Die Kernhandlung ist nicht so vielschichtig und umfassend, dass sie diesen Romanumfang gebraucht hätte. Vielmehr dreht die Suche nach vermissten Traumfangenden und die Aufdeckung der politischen Hintergründe so einige Schleifen und steckt in zahlreichen Sackgassen fest. Iva Moor konstruierte ihren Plot nicht gerade stringent, was jedoch das Lesevergnügen nicht wirklich trübt. Ähnlich wie in Becky Chambers „Wayfarer“-Finale „Die Galaxie und das Licht darin“ bereichern Geschichten in der Geschichte den Roman. Moira erfährt in Fort Nook beängstigende Veränderungen an sich und taucht immer wieder in ihre Vergangenheit ein, um diese einzuordnen. Auch Sova durchlebte extrem schwierige Lebensphasen, unter denen sie immer noch leidet. Zudem ist die Historie der Averner und anderer Dämonen originell und einzigartig beschrieben und wirklich spannend. Nicht jede dieser Geschichten bringt die Kernhandlung voran, manche Szene wirkt wie ein kurzer Ausflug in eine andere Story. Trotzdem gehören sie zum Kosmos dieser einzigartigen Welt und lesen sich interessant.
Fazit
„Die Alchemie des Träumens“ von Iva Moor ist ein außergewöhnlicher Urban-Fantasy Roman basierend auf der Frage, wohin Träume verschwinden, an die man sich nicht erinnert. So zumindest stellte die Autorin die Geburt dieser Romanidee auf dem Kölner Fantasy Lese-Festival vor. Sie hat sie gemeinsam mit ihrer Frau entwickelt. Der Ideenreichtum, der in der magischen Parallelwelt steckt, lässt Lesende fast vergessen, dass es sich um eine Urban-Fantasy Welt handelt. Man fühlt sich an üppige High-Fantasy Welten erinnert, nur das die New Yorker Sub Side erheblich dunkler daherkommt als Mittelerde.
Wer eine aufregende Mischung aus Crime Noir und Dark-Fantasy liebt, kommt in „Die Alchemie des Träumens“ voll auf seine Kosten. Wer knisternde Romantik erwartet, weniger. Allerdings ist die Beziehung zwischen Moira, Sova und Algernon lebendiger und dynamischer als manche Dark-Romance. Wer glaubt, jeder Idee aus der Urban Fantasy schon einmal irgendwo begegnet zu sein, erlebt in „Die Alchemie des Träumens“ vielleicht manche Überraschung. Die von der schaurigen Sorte, die einen bis in den Schlaf verfolgt.
Cover © Grit Richter / Art Skript Phantastik
- Autor: Iva Moor
- Titel: Die Alchemie des Träumens
- Verlag: Art Skript Phantastik
- Erschienen: 10/2022
- Einband: Broschierte Ausgabe
- Seiten: 637
- ISBN: 978-3-949880-00-1
- Sonstige Informationen:
- Produktseite bei Art Skript Phantastik
- Erwerbsmöglichkeiten
- Autorenblog von Iva Moor
Wertung: 12/15 dpt