Robert Reuland – Brooklyn Supreme (Buch)


Brooklyn Supreme
© Polar

Nach einem Überfall auf ein Lebensmittelgeschäft stellen die Police Officer Georgina Reed und Gordon Holtz die beiden jugendlichen Täter Raquan Dewberry und Marlon Odom. Da sich Dewberry weigert, seine Waffe fallen zu lassen, wird er von Reed erschossen. Ein Fall für Will Way von der Polizeigewerkschaft, denn nach der 48-Stunden-Regel darf nach einer solchen Tat zunächst nur der Vertreter der Gewerkschaft mit dem betroffenen Polizisten reden. Erst danach muss die Person aussagen, anders als normale Verdächtige haben Polizeibeamte kein Aussageverweigerungsrecht.

Ways Job besteht darin, die Polizisten zu schützen, doch an Reeds Aussage scheint etwas nicht zu stimmen. Wenig später scheint das Durcheinander perfekt, denn Dewberry soll keine Waffe, sondern einen Blumenstrauß in der Hand gehalten haben. Für den schwarzen Erzbischof Basil Bumpurs ist der Fall eindeutig, schnell wird zu einer ersten Demonstration aufgerufen, die Lage droht zu eskalieren.

Für Basil ist es wahr, dass Officer Reed Mr. Dewberry ohne jeden Grund erschossen hat.“
„Warum?“
„Weil es seiner Meinung entspricht.“
„Und die wäre?“
„Das Polizisten schwarze Jungen ohne Grund erschießen.

Derweil wird eine Bestrafung des zweiten Täters beim Ladendiebstahl für sechs Monate ausgesetzt. Dafür soll Odom für Oberstaatsanwalt Weldon Fister vor der Grand Jury in einem Mordprozess gegen Reed aussagen. Ein dicker Fall für Fister, der in wenigen Monaten für seine Wiederwahl kandidiert. Richter Pomeroy, der gegen Fister bei der Wahl antreten will, weist die Anklage prompt wegen einem Verfahrensfehler zurück. Die Schlammschlacht kann beginnen und Will Way gerät zwischen alle Fronten, nicht zuletzt, weil er mit Pomeroy enger vertraut ist als allgemein bekannt. Ein gefundenes Fressen, nicht zuletzt für die Medien.

Vor Gericht geht es um Wahrheit und Gerechtigkeit. Ansichtssache.

In Robert Reulands Roman „Brooklyn Supreme“ lernen wir als geheimen Star der Handlung jenen Stadtbezirk von New York City eindringlich kennen, in dem der Autor seit vielen Jahren lebt und arbeitet und in dem auch seine Romane “Hollowpoint“ und „Semiautomatic“ spielen. Ein Großstadtkrimi, in dem die für Amerika gängigen Probleme wie Polizeigewalt und Korpsgeist sowie Rassismus im Vordergrund stehen. Erzählt werden die Geschehnisse aus der Sicht des eher unsympathischen Will Way, für den Georgina Reed keine Mörderin ist. Gut, die Pistole wurde dem Opfer von der Polizei untergeschoben und dessen vermeintliche Waffe war ein trivialer Strauß rosafarbener Azaleen, aber woher sollte die junge, schmächtige Georgina dies wissen? Sie hatte Angst vor Dewberry, der nicht zum ersten Mal ins Visier der Polizei geriet und kaum Zeit nachzudenken.

Way, Sie unfassbarer Trottel, haben Sie Dewberry wirklich Scheißkerl genannt? Himmel, Sie sind doch ein höflicher, kluger Mann, Way. Nicht mal ich würde das über einen toten Kriminellen sagen – besonders nicht über einen toten schwarzen Kriminellen, und am allerwenigsten, wenn es mitgeschnitten wird.

Polizisten sind diejenigen, die für Ordnung sorgen, somit die Guten. So jedenfalls die Meinung der Polizisten und vermutlich jener, die zur sogenannten besseren Gesellschaft zählen, überwiegend reich und weiß sind. Polizisten sind durchweg Rassisten und Faschisten, denen die Waffe zu locker sitzt. Idioten sowieso, denken überwiegend jene Menschen mit dunkler Hautfarbe aus einfachen Verhältnissen. So beginnt ein trübes Klischee-Denken, welches alle gängigen Vorurteile auf beiden Seiten bedient und zur weiteren Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Zu erwähnen wäre noch, dass Reed selber Afroamerikanerin ist. So aufgeladen die Stimmung auf der Straße ist, größere Unruhen werden folgen, so verwirrend ist die Lage auch im Brooklyn Supreme, dem Gerichtsgebäude, wo Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidiger jeweils ihre eigenen, durchtriebenen Süppchen kochen.

In einem Strafprozess geht es um das, was der Staatsanwalt beweisen kann. Und wenn der Staatsanwalt beweisen kann, dass Sie es getan haben, haben Sie es getan. Selbst wenn Sie’s nicht getan haben.“
„Und wenn ich es getan habe?“
„Wenn der Staatsanwalt es nicht beweisen kann, dürfen Sie wieder heim.

Zunächst scheint „Brooklyn Supreme“ ein Justizthriller zu werden, zeigt dann jedoch die gesellschaftlichen Anspannungen und die Schieflagen des mit Gewalttaten befassten Systems auf, bevor es im Schlussdrittel fast zu einer Art Familienroman ausufert. Der Plot ist nicht immer einfach zu greifen, der Erzählstil durch einige Zeitsprünge etwas sperrig – oder anspruchsvoll, je nach Sichtweise. Man lernt viel über Brooklyn, das amerikanische Rechtssystem und das Leben der zum Fatalismus neigenden, von Vorurteilen behafteten und nicht immer durchblickenden Hauptfigur. Eine düstere Grundstimmung prägt diesen interessanten Plot von Beginn an, bei dem sich einige Fragen stellen: Wie wird es für Georgina Reed, vor allem aber für Will Way ausgehen, der zwar die vermeintliche Wahrheit kennt, sich aber weigert, hierzu auszusagen, um Reed nicht zu belasten? Und – ganz am Rande – wann spielt die Geschichte überhaupt? Spätestens im Nachwort von William Boyle, dessen Romane ebenfalls in Brooklyn spielen (sein neuester „Shoot The Moonlight Out“ erscheint im Juli 2023 ebenfalls bei Polar), erfährt man es. 

  • Autor: Robert Reuland
  • Titel: Brooklyn Supreme
  • Originaltitel: Brooklyn Supreme
  • Übersetzer: Andrea Stumpf, mit einem Nachwort von William Boyle
  • Verlag: Polar Verlag
  • Erschienen: 15.05.2023
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 504
  • ISBN: 978-3-948392-73-4
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite 
  • Erwerbsmöglichkeiten


Wertung: 11/15 dpt


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