Beerdigung der Linken, Demos der Armen und tote Investoren
Lambros Sissis hat es nicht leicht. Zeit seines Lebens hat sich der Alt-Kommunist für die Linke und die Rechte der Armen eingesetzt, um jetzt desillusioniert festzustellen, dass sich die Linke im System wohlig eingerichtet hat. Gemeinsam mit Bewohnern des von ihm unterstützten Obdachlosenheims organisiert Sissis eine Demonstration, bei der die Linke feierlich beerdigt wird. Die Armen müssen halt selber aufstehen und für ihre Rechte kämpfen. Zunächst ist die Gruppe der Demonstranten mehr als überschaubar, doch dann kommen weitere Menschen hinzu. Das Thema Armut betrifft eben nicht nur gebürtige Griechen, sondern auch Flüchtlinge aus Osteuropa, für die Armut mit dem Begriff Sozialismus identisch ist. Migranten aus dem Maghreb sowie afrikanischen Ländern sind ebenfalls zur Teilnahme an der nächsten Demonstration aufgerufen, allerdings haben diese noch ein anderes Problem, denn nicht wenige der armen Griechen fürchten, dass eben jene Migranten ihnen das wenige, dass zu verteilen ist, wegnehmen. Eine neue Gemengelage, mit der der altgediente Sissis zunächst seine (Verständnis-)Schwierigkeiten hat.
Hauptkommissar Kostas Charitos hat derweil andere Probleme, denn offenbar treibt ein Serienmörder sein Unwesen, der es auf potentielle Investoren abgesehen hat. Zunächst trifft es den saudischen Geschäftsmann Mohammad al Fallah, der in Skaramangas einen Freizeitkomplex inklusive Hotelanlage und Yachthafen plant. Das dortige Flüchtlingsheim müsste für sein Projekt allerdings weichen. Die Ermittlungen treten mangels Zeugen auf der Stelle, da geschieht ein weiterer Mord. Der Chinese Tsang, der im Exarchia-Viertel Wohnungen aufkaufte und diese in Airbnb umwandelte, wird wie al Fallah mit drei Messerstichen getötet. Die Zeit drängt, denn sowohl Presse wie Politik wollen Ergebnisse sehen.
13. Fall für Kostas Charitos
In seinem bereits dreizehnten Fall für Kostas Charitos bleibt sich Petros Markaris treu und wendet sich einmal mehr verstärkt der Lage seines Landes zu (wenngleich der Autor in Istanbul zur Welt kam). Wen der Schwerpunkt auf einem politischen Themenkomplex, hier Armut und Migration, stört, zumal in den Medien seit Jahren allgegenwärtig, wird womöglich besser zu einem anderen Werk greifen. Erzählt wird „Das Lied des Geldes“ von gleich zwei Ich-Erzählern: Lambros Sissis, der versucht seine Demos zu organisieren und zu verstehen, was Armut heutzutage bedeuten kann und Kostas Charitos, der die Morde aufzuklären versucht.
Die Themen Armut, Flüchtlinge und Migration sind ebenso hochaktuell wie vielschichtig, was durch die verschiedenen Gruppen aufgezeigt wird. Dabei bietet Markaris jedoch nur einen Blickwinkel auf die Problematik, nämlich aus der politisch linken Sicht, in dem seine Romane grundsätzlich verortet sind. Damit wird er zwar der Thematik nicht gerecht, denn die Belastung der Sozialsysteme durch Zuwanderung verdiente zumindest mal eine Erwähnung ebenso wie die Bedenken nicht weniger Einheimischer, die keineswegs alle rechtsextrem sind; allerdings ist es konsequent, denn der Autor schreibt ja quasi inkognito als Lambros Sissi, der – wie erwähnt – ein Altkommunist ist. Leider bleibt es meist bei oberflächlichen Betrachtungen, dazu gesellen sich klischeehafte Figuren und Einstellungen, was den Lesespaß deutlich beeinträchtigt. Ein bisschen Tiefgang wäre durchaus angemessen gewesen und eine griffige Figurenzeichnung ist auch immer schön. So bleibt vieles im Schwarz-Weiß-Filter hängen. Vor allem die Morde an den dringend benötigten Investoren wirken aufgesetzt, denn die dadurch möglicherweise entstehenden internationalen Verwicklungen, sei es mit den betroffenen Botschaften aus Saudi-Arabien und China (jeweils kurze Randnotizen) oder gar der EU (kommt überhaupt nicht vor), bleiben unberührt. Ebenso aufgesetzt wirken die von Sissis initiierten Demos, deren Sinn sich nicht gänzlich erschließt. Man könnte ja zumindest mal eine oder mehrere Forderungen, beispielsweise an die Regierung, stellen.
Der rund dreihundert Seiten schlanke Roman gibt dem Familienleben der Charitos nicht unwesentlich Raum, so dass Enkel Lambros, benannt nach Sissis mit dem Charitos befreundet ist, wiederholt in den Mittelpunkt rückt. Mit sieben Monaten eine für die Familie durchaus spannende Zeit, zumal Lambros gerade anfängt zu krabbeln. Die griechische Küche darf natürlich ebenfalls nicht zu kurz kommen, wobei Charitos Frau mit Argusaugen darüber wacht, dass ihr Mann nicht zu viele der leckeren, aber womöglich doch eher ungesunden Souflaki isst. Derweil tritt der Krimiplot auf der Stelle, es gibt kaum Ermittlungsansätze und so hilft im weiteren Verlauf schließlich „Kommissar Zufall“. Da nicht all zu viele Personen als Mörder in Frage kommen, wird man diesen vermutlich vorzeitig im Bauchgefühl haben.
Kurzum: Nicht der stärkste Fall für Kostas Charitos, für Fans der Serie aber dennoch Pflicht.
- Autor: Petros Markaris
- Titel: Das Lied des Geldes
- Originaltitel: O fonos einai chrima. Aus dem Neugriechischen von Michaela Prinzinger
- Verlag: Diogenes
- Umfang: 311 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: April 2023
- ISBN: 978-3-257-24685-8
- Produktseite
Wertung: 9/15 dpt