Malin Lindroth – Ungebunden. Mein Leben als alte Jungfer (Buch)


Über das Alleinsein in einer Gesellschaft der Zweisamkeit

© Piper Verlag GmbH
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Malin Lindroth ist über fünfzig und lebt alleine, ohne Mann. Als Zwanzigjährige lebte sie mit ihrem damaligen Freund zusammen, war sogar verlobt und dachte nach der Trennung, dass sie bald wieder jemanden finden würde. Irgendwann heiraten, vielleicht Kinder bekommen, zusammen alt werden. Ein „normales“ Leben führen. Doch die Männer weisen sie zurück und ehe sie sich versieht, ist sie eine alte Jungfer. Unfreiwillig alleine, in einer Gesellschaft, in der die romantische Liebe als das höchstes Gut zählt.
In ihrem Buch stellt sie sich der Frage, was eigentlich schiefgelaufen ist und erzählt von ihrem heimlichen Leben, wie sie sich verstellte, um in der Gesellschaft zu überleben, in der das Ideal von Zweisamkeit herrscht.
Die Autorin lädt die Leser*innen ein, verschiedene Erfahrungen und Gefühlswelten kennenzulernen und beginnt mit der ihren.

Ich bin eine allein lebende, kinderlose Frau mittleren Alters. Meine Erfahrungen im Zusammenleben liegen so lange zurück, dass sie eigentlich nicht mehr zählen. Und dennoch. Irgendwie habe ich gelernt, mich so zu benehmen, als würden Mann und Kinder immer in der Kulisse warten.

In unserer Gesellschaft scheint es eine Selbstverständlichkeit, ab einem gewissen Alter vergeben zu sein. Das Leben in liebevoller Zweisamkeit genießen, zu zweit (oder mit Kindern) in Urlaub zu fahren, gemeinsam kochen, ins Theater oder Kino gehen – völlig egal was, aber man hat eine*n Partner*in an der Seite.
Besonders für Frauen wird dieses Ideal hochgehalten – die Hochzeit wird als der schönste und wichtigste Tag im Leben einer Frau bezeichnet, toppen kann das eigentlich nur noch das Muttersein.
Frauen((Lindroth geht kurz der Frage nach, ob auch Männer alte Jungfern sein können. Denn traditionellerweise ist dieser Begriff als Beleidigung für Frauen reserviert.)), die diesem Ideal der Gesellschaft nicht entsprechen und ab einem gewissen Alter noch keinen Mann haben, werden dann recht schnell als alte Jungfer, verrückte Katzen-Lady, als sexuell verklemmt oder das Gegenteil, als Nymphomanin dargestellt. Alles negativ aufgeladene Begriffe, als Warnung an jüngere Frauen: „Achtung, werdet nicht wie diese widerwärtige alte Hexe und heiratet einen Mann!“
Dabei kommt mittlerweile Bewegung in dieses Weltbild und auch der Feminismus versucht, das Single-Dasein als empowernd und emanzipiert zu bewerben, übergeht dabei aber völlig die Menschen, die unfreiwillig alleine leben.
Den Vorurteilen und Stereotypen möchte sich die Autorin nicht beugen. Sie bezeichnet sich selbst als alte Jungfer und möchte mit diesem Begriff ihre Lebensrealität ausdrücken, die sie nicht mehr verstecken oder rechtfertigen will.

In dieser Situation kam die alte Jungfer als geniale Chance zu mir. Sie war niemandes Ein und Alles, niemandes Mutter, Geliebte und schon gar nicht Ehefrau. Sie war lange Zeit als Schatten einer Frau umhergewandert, in einem Patriachat, das enormen Nutzen aus ihrem Schweigen zog. Jetzt ist sie meine Freundin, eine Position, ein Alter Ego.

Ungebunden ist persönlich und gnadenlos ehrlich. Lindroth packt ihre Geschichte, die Einsamkeit und Scham, die Frage nach dem eigenen Versagen, die Erniedrigung und das Gefühl des Ausgestoßensein auf nur wenige Seiten. Das kleine Büchlein ist vollgepackt mit Inhalt und großen Gefühle, ohne dabei jedoch rührselig oder wehleidig zu sein. Im Gegenteil, fast schon distanziert und hart verfasst Lindroth ihre Realität und die Gesellschaftskritik, mit dem Versuch, den Begriff der alten Jungfer zurückzuerobern.
Das Werk ist ein Befreiungsschlag, nicht nur für sie, sondern für alle alten Jungfern da draußen.


Wertung: 12/15 dpt

  • Autorin: Malin Lindroth
  • Titel: Ungebunden. Mein Leben als alte Jungfer
  • Originaltitel: Nuckan
  • Übersetzerin: Regine Elsässer
  • Verlag: Piper Taschenbuch
  • Erschienen: 2020
  • Einband: Taschenbuch
  • Seiten: 108
  • ISBN: 9783492317016
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten


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