Kim Koplin – Die Guten und die Toten (Buch)

Packender Pageturner mit irrem Tempo

Die Guten und die Toten
© Suhrkamp

Nihal stammt aus Aserbaidschan und will sich als Anwärterin in der Berliner Mordkommission durchsetzen. Allein, sie hat sich und ihre Reflexe nicht immer unter Kontrolle, will heißen, sie schlägt schnell zu. Als Boxerin träumt sie von der Olympiade, während sie in ihrer Miniwohnung unter ihrem Bruder leidet. Nicht nur, dass dieser bei ihr wohnt und mit der Miete im Rückstand ist, auch eine ständig wechselnde Partybitch nebst nächtlichen Begleitgeräuschen sowie Drogenexzesse nerven ungemein. Da könnte der neue Fall die perfekte Ablenkung bringen. Ein hochrangiger Beamter aus dem Wirtschaftsministerium hat dank ordentlichem Alkohol- und Drogenkonsum mit seinem Fahrzeug einen Streifenwagen zerlegt. Die Immunität könnte das Bundestagsmitglied retten, läge da nicht im Kofferraum seines Wagens eine Leiche.

Das Ding ist: In Deutschland sind die Fingerabdrücke des Toten zwar nirgends registriert, in Belgien aber schon. Dort wurden sie vor gut einem Jahr in Verbindung mit einem Anschlag auf einen Staatsanwalt sichergestellt. Identität unbekannt. Der Staatsanwalt ermittelte zu diesem Zeitpunkt in einem Korruptionsfall, die Spuren führten nach Saudi-Arabien. Und da verließen sie ihn. Und jetzt taucht der Mann, dessen Fingerabdrücke in Verbindung mit einem Mordanschlag in Brüssel sichergestellt wurden, im Kofferraum eines Staatssekretärs des Wirtschaftsministeriums wieder auf. Und der Herr Staatssekretär ist so ahnungslos, wie nur Politiker das hinkriegen.

Der Wagen stand zuvor in einem Parkhaus, in dem Saad die Nachtschicht hat. Wenige Tage zuvor ist ihm Nihal schon einmal begegnet. In dem Parkhaus finden die Ermittler später zwei Pistolenkugeln in der Wand, doch Saad will nichts mitbekommen haben. Dessen vierjährige Tochter Leila fühlt sich sofort zu Nihal hingezogen, doch Saad hat allen Grund kein Aufsehen zu erregen, zumal sich auf dem Dach des Parkhauses eine zweite Männerleiche befindet. 

Platz Eins der KrimiBestenliste im Juni 2023

„Die Guten und die Toten“ ist ein außergewöhnlicher Roman, was nicht nur an seinem hohen Erzähltempo liegt, sondern vor allem an der Sprache. Wie die Berliner sagen würden, frei nach Schnauze. Es geht um einen Staatssekretär, der durch illegale Waffengeschäfte mit den Saudis das große Geld machen will, nur hängt die aktuelle Lieferung im Rotterdamer Hafen fest, nachdem eine Menschenrechtsaktivistin in einer saudischen Botschaft spurlos verschwand. Dies führt zu Verstimmungen zwischen Staatssekretär, Waffenhändler und saudischem Auftraggeber, der sich nicht mit westlichen Lösungsansätzen aufhalten will.

Such dir was aus, Alter. Aber erzähl mir langsam mal, was hier für eine Scheiße läuft. Erste dieser Budala aus dem Ministerium, dann schlägt die Kriminaltussi hier auf, dann einer, der Feuerlöscher kontrollieren will – am Arsch, Alter –, und dann noch einer, der ein Foto von dir und Leila auf seinem Handy hat. Ich hab erst gedacht, die haben es auf meine Blumen abgesehen, aber irgendwie wollen die alle zu dir, kann’s sein?

Zentraler Handlungsort ist besagtes Parkhaus, wo eine Cannabis-Plantage ebenso zuhause ist wie zahlreiche Nobelkarossen, die schon länger nicht mehr bewegt wurden. Saad hat eine dunkle Vergangenheit, die erst nach und nach deutlich wird. Von dieser ahnt Nihal freilich nichts und da sie selbst Schwierigkeiten im Umgang mit ihren eigenen Gefühlen hat, kommen sich beide nur zögerlich näher. Da ist die kleine Leila gedanklich schon weiter.

Killer suchen das Parkhaus auf und man fragt sich, ob sie hinter dem korrupten Politiker her sind oder dunkle Schatten aus Saads Vergangenheit? Und obwohl der Leser einen ordentlichen Wissensvorsprung vor Nihal hat, gibt es so manche Überraschung. Weitere Leichen werden folgen und deren Entsorgung ist nicht einfach. Wallah. Atemberaubend wie es Kim Koplin (ein Pseudonym, auf dessen Auflösung man gespannt sein darf) schafft, durch die Handlung zu fliegen. Knackige Dialoge, schwarzer Humor, Berlin und Action mit eingeschaltetem Turbo, da gibt es nichts zu meckern und wer auf ungewöhnliche, aber nicht völlig durchgeknallte Plots steht, der ist hier richtig. Die drei Protagonisten, wenn man Leila mitzählen mag, sind durchweg sympathisch, ein weiterer Band wäre großartig. Dagegen fällt die Zeichnung der Nebenfiguren, insbesondere jener ohne Migrationshintergrund, leider sehr simpel aus – wie so oft. Dennoch: Platz Eins auf der KrimiBestenliste ist kein Zufall und lohnt eine Entdeckung.

  • Autor: Kim Koplin
  • Titel: Die Guten und die Toten
  • Verlag: Suhrkamp
  • Umfang: 254 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: April 2023
  • ISBN: 978-3-518-47312-2
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt

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