Es ist Donnerstag, um genau zu sein ist es der 27.04.2023. An diesem Tag öffnet die Leipziger Buchmesse nach drei Jahren wieder ihre Pforten. Die Hallen der Messe Leipzig haben sich nicht nur mit den Ständen der über 2.000 Ausstellenden aus über 40 Ländern gefüllt, sondern auch mit einer ausgelassenen, optimistischen und geradezu aufgeregten Stimmung, die sich sofort beim Betreten bemerkbar macht. Das Wetter spielt ebenso mit und so ist die Glashalle, in der Dinçer Güçyeter an diesem Tag den Preis der Leipziger Buchmesse, in der Rubrik Belletristik, entgegennehmen wird, vom einfallenden Sonnenlicht natürlich hell erleuchtet und man kann von einem wahren Bücherfrühling sprechen.
Die Euphorie wird auch im Gespräch mit den Verlagen deutlich. So berichtet Christoph Hoffmann, Geschäftsführer vom Verlag Grünes Herz, der unter anderem auch die Imprints Buchverlag für die Frau und den Rhino Verlag unter sich versammelt, von einem gelungenen Messeauftakt. Auch Andrea Richter vom Verlag edition faust, der in Frankfurt am Main ansässig ist, schätzt die aufgeschlossene und positive Atmosphäre der Messe, die sie seit ihrer Ankunft verspürt. Zahlreiche Veranstaltungen und vor allem die Besucherzahlen unterstreichen das freudige Comeback der Buchmesse. Mit 274.000 Gästen, die die Messe besuchen, sind die Zahlen fast genauso hoch wie vor Pandemiezeiten.
Der Preis der Leipziger Buchmesse
Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse eröffnet die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse euphorisch und beschreibt es als großartiges Gefühl alle Teilnehmenden nach drei Jahren wieder begrüßen zu können. Auch in diesem Jahr wurde der mit insgesamt 60.000 € dotierte Preis, für den 465 Werke eingereicht wurden, in den Bereichen Übersetzung, Sachbuch/Essayistik und Belletristik vergeben.
In der Kategorie Sachbuch/Essayistik konnte sich die Autorin Regina Scheer gegen ihre Mitbewerber durchsetzen. In Ihrem Werk blickt Scheer auf das Werk der Jüdin Hertha Gordon-Walcher, die in den 1920er-Jahren unter anderem als Sekretärin von Clara Zetkin tätig war und sich den Sozialisten anschloss, um für eine gerechtere Welt zu kämpfen.
Das Buch „Die Cousinen“ der Autorin Aurora Venturini stellte sich für die Jury als beste Übersetzung heraus. Mit dem dazugehörigen Preis wurde die in Hamburg ansässige Lektorin und Übersetzerin Johanna Schwering geehrt. Für die Jury stach besonders Schwerings Stil der argentinisch spanischen Übersetzung hervor, der die sprachliche Entwicklung der Erzählerin bis in die Syntax und Kommasetzung konkret vorführt.
Nachdem 2022 Tomer Gardi mit seinem Roman „Eine runde Sache“ den Preis im Bereich Belletristik entgegennahm, ist es im Jahr 2023 Dinçer Güçyeter, dessen Roman „Unser Deutschland Märchen“ die bedeutende Auszeichnung, welche seit 2005 verliehen wird, für sich behaupten kann. In dem beim Independent Verlag mikrotext erschienenen Roman zeichnet Güçyeter auf einzigartige Weise ein Familienporträt, welches das Schicksal der Frauen in den Mittelpunkt stellt, die die eigene Biografie des Autors prägten. Güçyeter, der zuvor bereits mit dem Peter-Huchel-Preis, dem wohl wichtigsten deutschen Lyrikpreis, ausgezeichnet wurde, wird auch in Bezug auf seinen Roman für die lyrische Innovation innerhalb seiner Erzählung gelobt. Die Sprache des Autors befindet die Jury als poetisch mit Tiefe, wie auch Widersprüchlichkeit, sodass man die Künstlerwerdung des Ich-Erzählers atemlos begleitet.
Gastland Österreich – meaoiswiamia
Der Slogan des Gastlands lässt sicher über dem ein oder anderen Kopf ein mehr oder weniger großes Fragezeichen aufleuchten. Übersetzt bedeutet „meaoiswiamia“ soviel wie „mehr als wir“ und soll auf die Vielfalt der österreichischen Verlagslandschaft hinweisen. Fast die Hälfte der 420 in Österreich ansässigen Verlage sind angereist, um auf der Buchmesse mit einem Stand und auch Veranstaltungen Präsenz zu zeigen. Bücher werden unter anderem von den Autor:innen Arno Geiger, Dževad Karahasan, Ana Marwan und Michael Köhlmeier präsentiert. Zudem sind im gesamten Stadtgebiet die unterschiedlichsten österreichischen Autor:innen auf Plakaten in schwarz-weiß Portraits von Fotograf Ingo Pertramer zu sehen.
Das Lesefestival – Leipzig liest
Mit mehr als 3.000 Veranstaltungen ist das Lesefestival Leipzig liest das größte in Europa. Da lässt sich auch im Jahr 2023 für jeden Geschmack etwas finden und das ist nicht nur auf der Ebene des Genres gemeint. Auch der Raum der Lesung kann hier von klassischen Orten, direkt auf der Messe oder in einer Buchhandlung bis hin zur Kapelle eines Friedhofs, breitgefächert ausgewählt werden. So ist für jeden das richtige dabei und man kann literarischen Größen, wie Sebastian Fitzek oder auch Maja Lunde nahekommen. Nicht weniger spannend dürfte es sein, Werke für sich zu entdecken, mit denen man zuvor noch nicht in Berührung gekommen ist. Ob es sich dabei um das Werk des Preisträgers Güçyeter handelt oder man vielleicht bei der Lesung eines noch unbekannten Autors in einem kleinen Café weilt, der mit seinem ganz eigenen sprachlichen Stil überzeugt, sei dabei jedem selbst überlassen. Denn das ist es, was die Tage der Leipziger Buchmesse auszeichnet; die Vielfalt, die Nähe zum Publikum, sowie der Austausch über jegliche Grenze hinweg.