Schon immer gab es nur Margot und ihre Mutter. Keinen Vater, keine Familie. Nur sie beide. Doch dann tauchen plötzlich Hinweise auf ihre Großmutter auf und Margot macht sich auf den Weg nach Phalene. Phalene, der Ort, in dem ihre Mutter aufwuchs und der gute Gründe bietet, weshalb ihre Mutter ihn verlassen wollte. Doch wollte sie bloß vor ihrer eigenen Vergangenheit fliehen? Oder ihre Tochter vor dem schützen, was sich noch immer in Phalene verbirgt?
Bereits mit „Wilder Girls“, 2019 erschienen, konnte Rory Power auf sich aufmerksam machen. Ein düsterer Mystery-Horror-Survival-Thriller, der angesichts der folgenden Corona-Pandemie auch noch erschreckende Aktualität aufwies. „Wilder Girls“ sparte nicht mit drastischen Schilderungen, wie beispielsweise die von seuchenbedingten Entstellungen und unheimlich-detailgenauer Beschreibungen von Naturgewalten. Rory Powers neuester Roman, „Burn our bodies down“, steht dem in nichts nach, auch wenn der Horror hierin anders fokussiert ist.
Da ist zunächst die höchst ungesunde Mutter-Tochter-Beziehung, in die der Leser bereits ab der ersten Seite hineingezogen wird. Margot und ihre Mutter können nicht mit- und schon gar nicht ohneeinander, ihr Verhältnis ist von emotionaler Distanz und zeitgleich starker Abhängigkeit geprägt. Schnell ist klar, dass Liebe hier nur eine geringe Bedeutung spielt, dass irgendetwas hinter dieser ohnehin schon merkwürdigen Fassade ganz gewaltig nicht stimmt.
„Ich liebe sie so viel mehr, wenn sie nicht hier ist.“
Doch was das ist, das ist Margot selbst nicht klar und so bricht sie auf nach Phalene, um dort mehr über ihre und die Wurzeln ihrer Familie herauszufinden. Dort angekommen, landet Margot in einer befremdlichen und unheimlichen Welt. Jeder im Ort scheint zu wissen, wer sie ist und jeder scheint um die verstörende Vergangenheit ihrer Familie zu wissen. Doch warum möchte niemand darüber sprechen? Und was hat es mit dem Feuer auf sich?
Auch ihre Großmutter selbst scheint sich vor ihrer persönlichen Geschichte verschließen zu wollen und so wird aus der anfänglichen Begrüßungsfreude schnell Misstrauen. Die frisch geknüpften familiären Bande drohen genauso schnell zu zerbröseln wie die mysteriös verunstalteten Felder rings ums Haus und bald muss Margot sich fragen, ob ihre Großmutter wirklich die lang ersehnte Rettung vor ihrer Mutter ist. Oder ob es nicht doch eher umgekehrt ist.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden viele Fragen aufgeworfen, die von der Autorin jedoch geschickt aufgenommen und miteinander verknüpft werden. Wie bereits in „Wilder Girls“ spielt Rory Power mit interessanten wissenschaftlichen Gedanken, verknüpft medizinische Ausnahmefälle mit fantastischen Elementen und lässt Ungewohntes zur Normalität sowie Normalität zu Ungewohnten werden. Die Autorin versteht es zudem, Spannung bereits recht früh aufzubauen und diese konstant bis zum Finale aufrechtzuerhalten.
Dieses mag nicht ganz so bombastisch daherkommen wie das Finale ihres ersten Romans. Der Horror liegt, wie bereits erwähnt, hier vielmehr auf psychischer Ebene, auch wenn die mittlerweile obligatorische Triggerwarnung nicht minder umfangreich ist als die von „Wilder Girls“. Dennoch ist gerade diese Form des Grusels perfekt für die Handlung; gerade der Umstand, dass es nicht arg drastisch wird, macht die beklemmende Stimmung des Romans aus.
Die Auflösung aller Rätsel mag ein wenig schnell abgehandelt sein, auch das Finale selbst geht trotz langem Spannungsaufbau etwas zu schnell über die Bühne. Jedoch wartet „Burn our bodies down“ mit wichtigen Themen wie emotionaler Missbrauch innerhalb der Familie und ungesunde Beziehungsstrukturen auf, über die es sich lohnt, längere Zeit nachzudenken. So wird der Roman vielleicht nicht den Geschmack aller Leser treffen, aber sicherlich den Nerv aller, die sich für psychische und menschliche Abgründe interessieren.
Wertung: 11/15 dpt
- Autor: Rory Power
- Titel: Burn Our Bodies Down
- Originaltitel: Burn Our Bodies Down
- Übersetzer: Andrea Bottlinger
- Verlag: Piper Verlag
- Erschienen: 2023
- Einband: Hardcover
- Seiten: 336
- ISBN: 978-3-492-70609-4
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Cover: © Piper Verlag GmbH
