Eine Liebe im Zeitalter der Sozialen Medien
Cellistin Marie verliebt sich in den verheirateten Simon. Die Zuneigung besteht gegenseitig. Beide akzeptieren jedoch, dass die Affäre keine Zukunft hat, da Simon seine Ehe und Familie nicht aufs Spiel setzen wird.
Es ist Marie, aus deren Perspektive die Geschichte nun erzählt wird. Gina Schad inszeniert die wachsende Obsession ihrer Protagonistin.
Aus der anfänglichen Verliebtheit und der Trennung im realen Leben, entwickelt sich eine krankhafte Besessenheit, die Marie daran hindert ihr bisheriges Leben zu führen.
Die Autorin unterstreicht dabei deutlich, wie stark der Faktor Social Media die emotionale Abhängigkeit ihrer Hauptfigur beeinflusst. Die ständige Verbundenheit übers Internet vereitelt die konsequente Abgrenzung. Ihre Sehnsucht nach Aufmerksamkeit verwandelt sich in eine Sucht nach Likes, nach kleinsten Lebenszeichen des Liebespartners.
Aber Anklicken ist gleich Melden, ist gleich Interesse, ist gleich Hallo, ich bin noch da.
Anklicken ist Kontakt.
Oder ist Anklicken kein Kontakt? Doch, es muss Kontakt sein, denn mit jedem Like kommt er zurück.“ Seite 210
Schad schildert sehr authentisch wie trügerisch die Wiedergabe von Emotionen durch den Gebrauch von Social Media verfälscht wird. Wie eng die Vernetzung ins reale Leben funktioniert und welche Konsequenzen das auf die Psyche haben kann. In diesem Sinne ist der Roman, der wie eine zartbittere Romanze beginnt und sich in ein Psycho-Drama verwandelt, durchaus auch als Social-Media-Kritik zu lesen.
Die Autorin nimmt sich völlig zurück und überlässt es ihren Leser:innen das Geschilderte zu bewerten. Das ist sehr geschickt, denn dadurch wird umso besser nachvollziehbar, wie wenig eindeutig die Grenzen definiert sind, die Marie auf dem Weg in ihre Obsession überschreitet. Die Gefahr, in die sich Marie begibt, ist also nicht von vorne herein sichtbar. Ihr „Fehlverhalten“ wird nachvollziehbarer. Die Warnung, in eine vergleichbare Situation zu geraten, gerät eindringlicher.
Der Erzählstil Schads ist sehr leicht zugänglich. Ihre Sätze sind gradlinig, fast schlicht und unmittelbar mit der Hauptfigur verbunden. Dadurch entsteht eine gewisse Sog-Wirkung bei der Lektüre, die den Spannungsbogen bis zum Ende aufrecht erhält.
Die Sprache bietet einen niederschwelligen Zugang in den Text. Schads Roman lädt dadurch auch ungeübtere Leser:innen zur Lektüre ein.
- Autorin: Gina Schad
- Titel: Nach einem Traum
- Verlag: GOYA Verlag
- Erschienen: März 2023
- Einband: Gebundene Ausgabe
- Seiten: 192 Seiten
- ISBN: 978-3833746123
Wertung: 11/15 dpt