Riku Onda – Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen (Buch) 

Ein mysteriöser Todesfall

Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
© Atrium

Aki und Hiro waren einst ein Liebespaar, doch ein Vorfall aus dem Frühsommer des letzten Jahres zerriss das Glück. Damals machten sie eine Wandertour durch das S-Gebirge bei der ihr Führer auf tragische Weise starb. Er stürzte zu Tode und da Aki und Hiro zum Zeitpunkt des vermeintlichen Unfalls während einer Verschnaufpause nicht zusammen waren, verdächtigen sie sich gegenseitig, für den Tod des Mannes verantwortlich zu sein.

Jetzt treffen sie sich für eine letzte Nacht in ihrer bereits leergeräumten Wohnung in Tokio. Bevor sich ihre Wege trennen, soll die Wahrheit herausgefunden werden. Wie konnte der erfahrene Führer zu Tode stürzen? Derweil stellen sich noch weitere Fragen. Warum gaben sie falsche Namen bei der Buchung an und wie ist ihre genaue Beziehung zueinander? Vor allem aber: Wird einer der beiden einen Mord gestehen, war es wirklich ein Unfall und werden beide die Nacht überleben?

Interessanter Genremix

Die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken lässt einen weiteren, spannungsgeladenen Roman erwarten, zumal Riku Onda erstmals mit „Die Aosawa-Morde“ einen solchen vorlegte. Mit großem Erfolg übrigens. Nicht nur in ihrer Heimat, wo sie den Mystery Writers of Japan Award gewann, sondern beispielsweise auch in Deutschland. Platz eins auf der Krimibestenliste 2022 sowie beim Deutschen Krimipreis in der Kategorie „International“. Eine gewisse Vorfreude darf sich da einstellen.

Viel braucht es nicht für den Handlungsort. Eine leerstehende Wohnung, ein gepackter Koffer welcher als Tisch herhalten muss, zwei Tatami-Matten, zu essen und zu trinken sowie die beiden Protagonisten, die nicht immer so hießen wie sie sich heute nennen. Zunächst tastet man sich wie Tänzer in einem zu großen Saal aneinander heran. Wie die große Frage aussprechen und wer macht den Anfang? Nach wenigen Seiten sind die ersten Geheimnisse entschlüsselt, ihre Beziehung zueinander und zu dem toten Mann scheinen geklärt.  

Was geschah bei der Wanderung? Immer wieder kommt es zu Rückblenden zu diesem ereignisschweren Tag sowie in die Kindheit und das weitere Leben der beiden Hauptfiguren. Hier gibt es einige keineswegs uninteressante „Wiederholungen“, da Aki und Hiro abwechselnd als Ich-Erzählerin bzw. Ich-Erzähler die Geschehnisse deuten und ihre daraus folgenden Überlegungen offenlegen. Die gedanklichen Übergänge von der Wohnung zur Wanderung oder zu ihrer Kindheit sind großartig und so klärt sich langsam einiges auf. Gleichwohl bleibt eine dichte Nebelwand bis zum Schluss, denn man ergeht sich zwangsläufig in vielen Vermutungen und Erinnerungen, die nicht ganz klar sind. War es wirklich so oder doch ein wenig anders? Erinnerungssplitter und Verzerrungen gibt es zuhauf, dazu einige Zeitsprünge, die Konzentration beim Lesen erfordern.

Immer wenn ich seine Augen so weit entfernen, sehe ich das Sonnenlicht durch die Bäume flimmern.
Fragmente der unterdrückten Emotionen und Sehnsüchte, die wir nicht in Worte fassen können, kreuzen einander für einen Augenblick im flackernden Licht, wie Schatten.
Unter dem gesprenkelten Sonnenlicht zappeln Fische in dem tiefen Becken mit dunkelgrünem Wasser. Gelegentlich steigen sie mit einem Flossenschlag an die Oberfläche, aber es ist unmöglich, sie klar zu erkennen oder zu zählen.

Man kann den Roman als Krimi lesen, was sich nur bedingt aufdrängt. Es ist eher ein Kammerspiel und eine Familientragödie, welche sich durchaus der Stilmittel des Krimigenres bedienen. Vielleicht kann man sich auf „Literarischer Krimi“ einigen? Es wird viel über Liebe und Eifersucht, Hass und Selbsthass, Gefühle und Familie, Vergangenheit und Zukunft, Realität und Fiktion sowie Träume und deren Deutung philosophiert, womit die literarische Ebene bedient wird. Man denkt fast automatisch an das wohl bekannteste Buch des Philosophen Paul Watzlawick „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“, dessen Titel die vorliegende Geschichte trefflich beschreibt. Wer sich auf diesen mitunter intellektuellen Diskurs einlässt, findet vergnügliche Unterhaltung, wie sich schon am Romantitel zeigt. Denn wie kommt man bitte anlässlich eines tödlichen Sturzes in einem Gebirge auf Fische und Sonnensprenkel? Ein außergewöhnliches Leseerlebnis.

  • Autor: Riku Onda
  • Titel: Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen
  • Originaltitel: Komorebi ni Oyogu Sakana
  • Übersetzer: Nora Bartels
  • Verlag: Atrium Verlag
  • Erschienen: 02/2023
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 256
  • ISBN: 978-3-85535-024-7
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten


Wertung: 12/15 dpt

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