Max Richard Leßmann – Liebe in Zeiten der Follower


Max Richard Leßmann - Liebe in Zeiten der Follower (Cover © KiWi - Taschenbuch)

Instagram ist ein Medium, welches zweifelsohne das Leben von Millionen von Menschen mitbestimmt oder zumindest einen nicht unwesentlichen Raum einnimmt. Zahlreiche Lebensbereiche werden dank dieser App abgedeckt; Politik, Ernährung, Kleidung und seit einigen Jahren auch Poesie.

Auf dieser Plattform, die vor allem von der Reduzierung auf das bestmöglich Optimierte lebt, konzentrieren sich auch nicht selten Gedichte auf das Einprägsamste. In kurzen, knappen Zeilen werden Ideen verfasst, die zwischen philosophischer Gedankenreise und lapidaren, beinahe schon dem Barnum-Effekt entsprechender Aussagen schwanken.

Instagrampoesie kann oberflächlich sein, sie kann aber auch sehr tiefgründig sein. Die Gedichte von Max Richard Leßmann sind Letzteres.

Seit mehreren Jahren veröffentlicht der Musiker und Autor auf Instagram täglich ein Gedicht; „Liebe in Zeiten der Follower“ ist sein erster Lyrikband, der 150 seiner liebsten Werke vereint. Im Vordergrund stehen Themen wie das Leben, Freundschaft, Erwachsen werden, Liebe, Sehnsucht, Ängste und Trauer.

Seine Texte sind mal etwas kürzer, zuweilen gar auf nur zwei bis drei Zeilen beschränkt,

„Küss mich
Nur ganz kurz
Für immer“

mal etwas länger.
Mal sind die Worte einfach und prägnant gewählt,

„Sag
Warum merke ich
Glück erst so spät
Und Traurigkeit immer sofort“

mal sind sie sinnreicher und müssen mehrfach gelesen werden, damit ihre ganze Tragweite erfasst werden kann.

„Ich habe Angst
Vor strukturlosen Tagen
Ich habe Angst vor Struktur
[…]“

Aus allen spricht jedoch ein wahres Sammelsurium an Emotionen.

Wenn es die Angst ist, mit der sich Leßmann beschäftigt, spürt man hinter seinen Zeilen die Wirkmächtigkeit dieses jedem Menschen so bekannten Gefühls, das sich auf unzählige Arten bemerkbar machen kann.
Sei es in schlaflosen Nächten oder in Alltagsbegegnungen, man kennt diese Momente, in denen die Beklemmung übermächtig zu sein scheint und die Max Richard Leßmann so treffend auf den Punkt bringt.

Die zahlreichen Facetten der Liebe spielen ebenso eine nicht minder bedeutende Rolle in „Liebe in Zeiten der Follower“ und wie zahlreich diese Facetten sind, das wird überdeutlich. Da geht es um Liebe zwischen zwei Liebenden, Liebe zwischen Freunden, Liebe zu Tieren und Liebe zu sich selbst.

Insbesondere die Selbstliebe ist für den Autor ein wichtiger Punkt und berührend sind vor allem die Zeilen, in denen er seine Leser ermutigt, sich Zeit zu lassen: Zeit, um sich selbst zu entdecken, Zeit, um sich selbst anzunehmen und besonders Zeit, um sich mit all seinen Schwächen lieben zu lernen.

Selbstliebe, „mental health“, ist ein Thema, welches auf Instagram immer und immer wieder angesprochen wird, und dennoch ist Leßmann in seinen Texten weit von der instagramschen Oberflächlichkeit entfernt.

Soziale Medien, in erster Linie natürlich Instagram, und der Umgang mit ihnen werden, wie es der Titel des Buches schon vermuten lässt, ebenfalls angeschnitten. Leßmann beschreibt in wenigen Worten die Kraft, die einzelne Apps auslösen können, die Macht, mit der sie den Alltag bestimmen, die viel zu große Bedeutung, die ihnen beigemessen wird und wie diese sich auf Beziehungen und soziale Verflechtungen auswirken kann.

„Heut führen wir ein digitales Leben
[…]
Selbst die Charakterlosen
Haben hier Profil
[…]
Was ist ein Mensch
Ganz ohne Likes schon wert
Oft denke ich, erst wieder gerade eben
Die Menschheit ist schon längst im Epilog
Spielt glücklich sein
Und ist es nie gewesen
Heut führen wir ein digitales Leben
Doch Einsamkeit und Angst sind analog“

Die Gedichte brennen sich ein, nicht, weil sie instagramgemäß zitierwürdig sind, sondern weil hinter ihnen viel Aussagekraft steckt.
Max Richard Leßmann trifft zwar durchaus den Nerv unserer schnelllebigen, von sozialen Netzwerken geprägten Zeit. Jedoch gelingt es ihm, der Gefahr der Oberflächlichkeit zu entgehen und tiefer in Gedankengänge einzutauchen. So erschafft er Gedichte, die reich an Emotionen und hochinteressanten Gedankenspielen sind, mit deren Hilfe man sich, und sei es nur für wenige Augenblicke, auf sich selbst besinnen kann. Und zwischen dem Scrollen durch abertausende Instagrambeiträge wieder Zeit für eigene Träume und Fantasien nehmen darf.

„Wir ziehen in dein Lieblingsbuch
Und gehen dort spazieren“


Wertung: 13/15 dpt

Cover © KiWi – Taschenbuch 


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