James Sallis – Nachtfalter (Buch)


“Nachtfalter”: Sein persönlichster Fall, ein Rückfall in alte Zeiten

Nachtfalter
© Dumont

Lewis „Lew“ Griffin, Anfang 50, arbeitet inzwischen als Aushilfslehrer und Schriftsteller. Seine Zeit als Privatdetektiv liegt schon ein wenig zurück als er einen neuen „Auftrag“ von Chip Landrieu erhält. Chip war der letzte Ehemann von LaVerne, Lews großer Liebe, die kürzlich an einem Schlaganfall verstarb. Unmittelbar vor ihrem Tod wollte LaVerne ihre Tochter Alouette wiedersehen, die aus einer früheren Ehe mit Horace Guidry stammte, der kurz nach ihrer Geburt das alleinige Sorgerecht beantragte. Lew ist überrascht, denn er wusste nichts von einer Tochter. Aus alter Verbundenheit will er LaVerne, posthum sozusagen, den Wunsch erfüllen, Alouette etwas über ihre Mutter zu erzählen.

Leichter gesagt als getan, denn die junge Frau ist spurlos verschwunden. Stattdessen führt eine erste Spur in ein Krankenhaus, wo ein Säugling namens McTell erfolglos um sein Leben kämpft. Die Mutter, die verschwundene Alouette, war hochgradig drogensüchtig. Alkohol, Crack und Betäubungsmittel bestimmten ihr Leben mit schwersten Schäden für das Baby. Eine Spur führt von New Orleans nach Clarksville/Mississippi, wo Lew sich prompt mächtig Ärger einhandelt. Die Geister seiner Vergangenheit werden wiedererwacht, rohe Gewalt kehrt zurück und Lew muss ebenso austeilen wie einstecken. Dabei ist der erneut hohe Alkoholkonsum nicht unbedingt von Vorteil.

Zweiter Band mit Lew Griffin

Mit „Die langbeinige Fliege“, später neu veröffentlicht unter dem Titel „Stiller Zorn“, startet die Lew-Griffin-Serie, welche James Sallis zum internationalen Durchbruch verhalf. Die Originalausgabe erschien 1992 unter dem Titel „The Long-Legged Fly“. Ein Jahr später folgte der zweite Band „Moth“ (deutscher Titel „Nachtfalter“), während weitere Bände noch immer auf ihre Übersetzung warten. Insgesamt umfasst die Reihe sechs Romane.

Ihr Name ist irgendwie gefallen, Griffin.“
„Das haben Namen so an sich.“
„Hat mich so beschäftigt, dass ich ihren Freund bei der Polizei in New Orleans angerufen habe, diesen Walsh, um mich mit ihm über Sie unterhalten habe. Er hat mir gesagt, wenn er Sie zum Zeitungholen an die nächste Straßenecke schickt, steht die Chance, dass er tatsächlich eine kriegt, etwa fifty-fifty, aber er würde Ihnen sein Leben anvertrauen. Ein ziemlich merkwürdiges Leumundszeugnis.

Man muss den Vorgänger nicht kennen, wenngleich dies – wie generell bei Serien üblich – natürlich von Vorteil wäre. Allerdings lernt man erst in diesem zweiten Band den Protagonisten so richtig kennen, denn ein großer Teil des Romans blickt auf dessen Privatleben zurück. Viele Jahre an der Seite von LaVerne, seinen vermissten Sohn, seine Alkoholsucht und sein Leben als Privatdetektiv und jetzt als Schriftsteller beziehungsweise Literaturlehrer. Ausflüge in die große Literatur sind inbegriffen, was man als kulturellen Zugewinn beim Lesen werten darf oder bösartig als Längen in der eigentlichen Handlung. Neben intensiven Blicken in Lews Privatleben bildet die Stadt New Orleans einen bildgewaltigen Hintergrund, wobei es zudem einen Ausflug in die Südstaaten Mississippi und Arkansas gibt, wo es Lew als Schwarzer mit Anzug nicht immer leicht hat, sondern Probleme eher magisch anzieht.

Sallis schreibt präzise, lässt seine Leser ganz nah ran an seine Figuren, die äußerst präsent sind. Vor allem an Lew kann man sich reiben, denn der Mix aus Alkohol und Gewaltanwendung, die er mitunter provoziert, sind vermutlich nicht jedermanns Geschmack; dürfen in einem Noir aber selbstredend nicht fehlen. Es gibt verstörende Einblicke in die Welt der Drogen, festgemacht an Alouette, die schließlich in einem körperlich katastrophalen Zustand gefunden wird. Damit allerdings fangen die Probleme für Lew erst an, denn prompt erhebt ihr Vater Ansprüche auf seine inzwischen erwachsene Tochter und macht Druck. Und wie soll es für die von ihrer Drogensucht stark gezeichnete Frau überhaupt weitergehen? Fragen über Fragen, Düsternis wohin macht blickt. Sallis ist ein Erlebnis.

  • Autor: James Sallis
  • Titel: Nachtfalter
  • Originaltitel: Moth (1993). Aus dem Englischen von Georg Schmidt
  • Verlag: Dumont
  • Umfang: 254 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Mai 2013
  • ISBN: 978-3-8321-6242-9


Wertung: 11/15 dpt

Teile diesen Beitrag:

Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share