Gewalteruptionen im Drogensumpf
Marcus Clay hat einen neuen Plattenladen eröffnet, doch die Kundschaft lässt auf sich warten. Eine nahegelegene Baustelle und vor allem herumlungernde Drogendealer vertreiben die Laufkundschaft. Dimitri Karras gönnt sich mit der hübschen Donna Morgan im Hinterzimmer gerade eine Linie Koks als es zu einem folgenschweren Unfall kommt. Mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit fliegt ein Auto geradezu auf einen Tieflader, auf dem sich ein Stahlträger befindet, der wiederum den Autofahrer glatt enthauptet. Der Wagen geht in Flammen auf und Donnas Freund Eddie nutzt die einmalige Gelegenheit, aus dem geöffneten Kofferraum einen mit Geld gefüllten Kissenbezug zu entfernen. Lange wehrt die Freude über die fünfundzwanzig Riesen nicht, denn es handelte sich um ein Drogenauto und die Einnahmen gehören Tyrell Cleveland.
Cleveland will sein Geld zurück und schickt seine jugendlichen Schläger los. Aber auch andere Kids wollen ein Stück vom Kuchen abhaben und drängen in sein Revier. Es gibt einige Probleme zu lösen, zumal Clevelands Schergen zunehmend Marcus und Dimitri in die Quere kommen. Dass sich Alan Rogers, einer von Clevelands Jungen, ausgerechnet in Denice, die vierzehnjährige Tochter von Clarence Tate verliebt, der ebenfalls für Marcus arbeitet, sorgt für zusätzlichen Stress auf beiden Seiten. Und schließlich wären da noch der rassistische Richard Tutt und sein schwarzer Kollege Kevin Murphy, zwei korrupte Cops, die ihren Bezirk sauber halten wollen, gleichwohl aber auf Clevelands Gehaltsliste stehen.
Abschluss der Washington-Trilogie
George P. Pelecanos schrieb die wohl erste Noir-Trilogie, die auch als Washington-Trilogie bekannt ist. Diese erschien 2006 in einer Box mit allen drei Bänden in gebundener Form bei Dumont, welche die Grundlage für die vorliegende Rezension bildet. 2011 bis 2013 folgten Neuauflagen im Taschenbuchformat, wobei der vorliegende Band den Abschluss bildet; nach „Das große Umlegen“ und „King Suckerman“.
„Wir sind keine Drogendealer. Das darfst du nicht vergessen. Wir sind Cops.“
„Wir sind gar nichts. Und wir sind am Arsch.
Mit Clay, Karras und Tate sind drei der wichtigsten Figuren aus dem zweiten Band „King Suckerman“ erneut am Start. Der letzte Band spielt 1986 und somit zehn Jahre nach dem Vorgänger. Dementsprechend hat sich der Sound der Zeit verändert und da die drei gemeinsam mehrere Plattenläden betreiben, wird natürlich wieder wie wild Musik aufgelegt. Musik, Drogen und Gewalt sind die Hauptzutaten in einer Zeit, in der gefährliche Drogen die Stadt überschwemmen und bereits Jugendliche sich als Dealer versuchen. Die Jungs von Bösewicht Cleveland, allen voran Sean „Short Man“ Monroe, geben sich pubertierend martialisch und sind vom schnellen Geld geblendet, wobei es allerdings auch an der nötigen Bildung und damit einhergehend an anderen Perspektiven fehlt. Nicht besser sind die beiden Cops, von denen der weiße Richard Tutt ein besonders abstoßendes Beispiel gibt. Seine Macht als Streifenpolizist nutzt er schamlos aus. Dass Tutt, der Schwarze abfällig als Nigger bezeichnet, ausgerechnet in seinem schwarzen Partner seinen einzigen „Freund“ sieht, spricht Bände.
Erneut schreibt Pelecanos einen durch und durch amerikanischen Roman. Es fängt bei den Autonamen und Zigarettenmarken an und hört bei seitenlangen Beschreibungen von Basketballspielen, deren Teams und Spieler bei uns niemand kennt, nicht auf. Immerhin kennt man die meisten der zahlreich genannten Musikbands, sofern man nicht deutlich nach 1970 geboren wurde. Der Plot entwickelt sich ordentlich, der Spannungsbogen hält auf gutem Niveau und am Ende gibt es einige Überraschungen beim großen Showdown, was der Tatsache geschuldet ist, dass Polizist Murphy und Möchtegern-Gangster Rogers ihre menschlichen Seiten entdecken. Mehr geht nicht.
„Eine süße Ewigkeit“ spielt im Drogensumpf von Washington, D.C., in dem es rau und gewalttätig zur Sache geht. Ein Menschenleben zählt wenig, auf die Polizei warten die Wenigsten, wenn es darum geht, die Dinge wieder „in Ordnung“ zu bringen. Selbstjustiz ist an der Tagesordnung, tödliche Waffen sind schnell zur Hand, ein amerikanischer Albtraum. Der Abschluss der Trilogie überzeugt und darf als Höhepunkt der Reihe angesehen werden. Fast schon schade, dass es kein Wiedersehen mit dem schwarzen Vietnamveteranen Marcus Clay und seinem durch Koks permanent benebelten griechischem Partner Dimitri Karras gibt.
Lesen Sie hier die Rezensionen zu „Das große Umlegen“ und „King Suckerman“.
- Autor: George P. Pelecanos
- Titel: Eine süße Ewigkeit
- Originaltitel: The sweet forever. Aus dem Englischen von Bernd W. Holzrichter
- Verlag: Dumont
- Umfang: 336 Seiten
- Einband: Hardcover
- Erschienen: März 2006
- ISBN: 3-8321-5323-3
Wertung: 12/15 dpt