Rolf Käppeli – Vom Ende einer Rütlifahrt (Buch)

Wenn man von Krieg umgeben ist

Vom Ende einer Rütlifahrt
© Gmeiner

Am 11. Juli 1944 lädt Karl Krütli, der Patron seiner im Familienbesitz befindlichen Chemiefabrik, Mitarbeiter und Pensionäre zu einer Fahrt auf dem Vierwaldstättersee ein. Da dies nicht nur ein Betriebsausflug, sondern gleichzeitig seine Hochzeitsreise für ihn und seine achtzehn Jahre jüngere Frau Erika ist, muss es der beeindruckende Raddampfer „Schiller“ sein, das Prunkstück der Waldstätterflotte. Vor einem halben Jahr wurde geheiratet, doch der Krieg, der die Schweiz von allen Seiten einschließt, verhinderte eine Hochzeitsreise ins Ausland. Nun also eine Nummer kleiner zu einem geschichtsträchtigen Ort.

Vor drei Jahren entzündeten Tausende von Turnern auf dem Rütli die Fackel, welche sie in ihre heimatlichen Dörfer hinaustrugen, wo sie die 1. August-Feuer entflammten – als eindringliches Zeichen des Widerstands gegen fremde Mächte.

Die Fahrt auf dem Schiff nutzen die Teilnehmenden, um sich über zahlreiche Dinge auszutauschen und Gedenken zu machen. So debattieren Mitglieder der Firmenspitze über eine mögliche Ausweitung der Chemiefirma, die seit über hundertfünfundzwanzig Jahren ihren Firmensitz in Rustikon am Zürichsee hat. Ein neues Werk in Koblenz im Kanton Aargau soll es sein, dessen direkte Lage am Rhein eine Schifffahrt bis nach Rotterdam ermöglicht. Währenddessen erörtern Mitglieder der Gewerkschaft und des Betriebsrats die Situation in der Firma, denn die Arbeit am Pyrit-Ofen oder in den Bleikammern ist nicht ungefährlich. Man erschafft stinkige Schwefelsäure für Industrieprodukte über die es bereits erste Beschwerden seitens der Bauern aus Rustikon und Umgebung gibt.

Kurzweilige Unterhaltung

Dass alles überschattende Thema ist natürlich die Kriegslage. Briten und Amerikaner sind in der Normandie eingefallen, wichtige Handelswege seit einige Zeit nicht mehr vorhanden. Wann ist der Krieg vorbei und welche Auswirkungen hat dies auf die Firma? Die Produktion konnte sich zwischenzeitlich verdoppeln, allerdings lieferte man dazu an die Kriegswirtschaft; nicht zuletzt an die Deutsche.

Die Strategie, dem Feind den Eintrittspreis ins Land so teuer wie möglich zu machen, leuchtete Erika ein. Doch das politische Dilemma, auf welcher Seite man im Ernstfall stehen würde, war unangenehm, ja bedrohlich. Karls Unternehmen geriete in fremde Hände. Man wäre nicht mehr neutral, würde zum Kollaborateur. Als Hitlers Handlanger oder im Sold der Alliierten. Man müsste fliehen. Nur: wohin?

In der Chemiefirma arbeiten Anhänger der Sozialdemokratie, aber auch Deutsche, die ihrer Heimat und deren politischer Führung nahestehen. Konflikte sind vorprogrammiert, die Stimmung im Werk ist mitunter angespannt. Dies bleibt auf der Ausflugsfahrt nicht verborgen. Es kommt zu seltenen Gesprächen zwischen der Führungselite und den Arbeitern, zwischen Linken und Rechten. Reaktionäre Ideale treffen auf Wünsche nach Fortschritt, wie das Beispiel der firmeneigenen Kindergärtnerin Christa Nussbaumer zeigt, die es wagt, bei der feierlichen Ansprache musikalisch einen Text von Bertolt Brecht vorzutragen. Zudem ist sie eine Anhängerin der Erziehungsmethoden von Maria Montessori, was ebenfalls für Kopfschütteln sorgt.

Die einzelnen, oben genannten Motive werden meist nur angerissen. Man darf sich ja selber bei Bedarf damit auseinandersetzen. Eine Kernfrage bleibt, nämlich wie man mit der Neutralität in Zeiten des Krieges umgeht? Ein kurzweiliger Einblick in die Gedankenwelt der neutralen Schweiz.

  • Autor: Rolf Käppeli
  • Titel: Vom Ende einer Rütlifahrt
  • Verlag: Gmeiner
  • Umfang: 203 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Juli 2021
  • ISBN: 978-3-8392-0091-9
  • Produktseite


Wertung: 10/15 dpt

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