Alexandra Bracken – Lore (Buch)


© Arena

Alexandra Bracken – Lore

Ich weiß noch – das war vor ungefähr 10 Jahren – da las ich meinen ersten Young Adult Fantasy-Roman, in dem griechische Mythologie zumindest irgendwie die Handlung beeinflusst hat. Wie alt war ich da? Dreizehn? Vierzehn? Damals dachte ich, dass es ein total revolutionäres Konzept und total interessant ist. Mit den Jahren fiel mir dann auf, dass das doch nicht so besonders ist und mittlerweile frage ich mich, wieso die Filmindustrie noch nicht auf diesen Markt aufgesprungen ist.

Wie komme ich jetzt auf das Thema? Vor kurzem durfte ich “Lore” von Alexandra Bracken lesen. “Lore” wurde 2022 durch den Arena-Verlag veröffentlicht und handelt davon, das eigene, scheinbar unausweichliche, Schicksal in die Hand zu nehmen.

Lore ist die Letzte ihrer Familie – einer Familie, die Götter jagt, um ihre Gaben zu erhalten. Vor Jahrtausenden hat Zeus seine göttlichen Kinder nämlich gestraft, die ihn stürzen wollten – er verstieß sie vom Olymp und verdammte sie dazu, alle sieben Jahre sterblich zu werden, um dann von Menschen gejagt zu werden. Werden sie von einem Menschen getötet, wird der Mensch ein neuer Gott, der dann über göttliche Fähigkeiten verfügt. An dieser Jagd beteiligen sich uralte Familien, die immer wieder ihre Nachkommen dazu ausbilden, ihr grausames Erbe zu schultern in dem Wunsch, Ehre und Ruhm zu erlangen.

Eine dieser Familien war Lores – doch ihre Familie wurde grausam ermordet, was Lore zur letzten Erbin macht und als einzige dazu befähigt, ein antikes Erbstück zu benutzen, nach dessen Macht Götter und Menschen streben. Lore wollte jedoch dieser Welt entkommen, wird aber wieder hineingezogen, als sie die Möglichkeit erhält, ihre Familie zu rächen und wieder auf einen alten totgeglaubten Freund trifft.

Die Handlung entspricht dabei dem typischen Jugendbuch: Wir haben ein Team an (wieder vereinten) total treuen und kompetenten Freunden, mit einem verloren geglaubten Freund, der natürlich auch das total heiße Love-Interest ist (mit dazugehöriger emotional aufgeladener Kussszene), Herausforderungen, die mit Teenagerlogik, ohne große Komplikationen, gelöst werden können, inkompetenten Erwachsenen und insgesamt mangelnder Komplexität.

Das fängt bereits mit dem ersten Kapitel an, in dem wir Lore und die ersten Freunde kennenlernen: Lore nimmt an einem illegalen Boxkampf teil, in dem sie misogyne Idioten verschlägt (und dabei Jeans (!) trägt), um sich ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Wie zufällig muss sie gegen ihren ehemaligen besten Freund kämpfen (der plötzlich auch echt heiß ist) und darf dabei ausdrücken, wie verletzt sie sich durch ihn fühlt. Ihr anderer bester Freund hat sie auch zufällig gefunden und gemeinsam hüpfen sie nachhause, als wäre dieser illegale (!) Kampf nie gewesen. Was ein achtzehnjähriges Mädchen dort macht (gekleidet in Jeans!) wird nie ordentlich hinterfragt.

Neue Figuren tauchen plötzlich auf, ohne wirklich vorgestellt zu werden oder uns die Chance zu geben, sie kennenzulernen. Wichtigere Figuren sind dabei unterkomplex und nur auf wenige Merkmale reduziert (das wird aber mit tragischen Vergangenheiten kompensiert).

Sicherheitssysteme können einfach so geknackt werden und Geheimverstecke sind doch gar nicht sooo geheim.

Diese Jägerfamilien gaben mir dabei das Gefühl, einen Mafiaroman zu lesen, da die unterschiedlichen Familien Schwarzmärkte und städtische Untergründe regieren.

Die Handlung findet innerhalb von sieben Tagen statt und in drei Teile aufgegliedert, um sie in ein Buch packen zu können, während Möglichkeiten geschaffen wurden, um Fortsetzungen schreiben zu können – darunter die Erwähnung, dass es weitere Gött*innenpantheone gibt, die ebenfalls Einfluss auf die Welt nehmen.

Das Buch war so geschrieben, wie der Tagtraum einer Teenagerin, die ihrem langweiligen Alltag entfliehen möchte und ihre Kurzgeschichten auf Wattpad hochstellt (und die unterschiedlichen Abschnitte auf unterschiedliche POVs (Point of View = der Blickwinkel einer anderen Figur) aufteilt).

Beim Lesen musste ich mich auch dauernd fragen, wieso dieses Buch so unbuchig ist – also wieso ich nicht das Gefühl hatte, ein wirkliches Buch zu lesen. Wieso wirken die Figuren so reingeworfen in die Handlung? Wie musste die ganze Handlung innerhalb eines kurzen Zeitraums stattfinden und wieso waren die Gefahren so ungefährlich, aber brutal? Wieso gab es nie logische Konsequenzen für Handlungen? Dann habe ich mich an ein Video erinnert, in dem es darum ging, wie der Jugendbuchmarkt kommerzialisiert wurde: Darin ging es auch darum, dass Bücher auch mit der Absicht veröffentlicht werden, Filmadaptionen zu ermöglichen.

Und ich denke, dass das bei “Lore” der Fall ist.

“Lore” zu lesen war so, als würde ich einen Teenagerfilm schauen, der sich bewusst ist, dass Teenager geringere Qualitätsstandards haben und sich gerne in abenteuerliche Tagträume hineinversetzen.

Wie die Figuren sprachen, wie Figuren vorgestellt wurden, der Ablauf der Handlung – es wirkte so, als hätte man einen Film niedergeschrieben. Damit meine ich nicht, dass die Beschreibungen und der Schreibstil einen filmischen Vibe haben – nein, es war einfach wie ein aufgeschriebener Film. Die Sprache war zu vereinfacht, die Figuren haben sich kaum entwickelt und insgesamt fehlte den Gesprächen und Beschreibung tiefe.

“Lore” ist dabei nicht das erste Buch, das so konzipiert wurde – vielmehr ist “Lore” Teil eines zunehmenden Trends, der leider nicht dafür sorgt, dass wir mehr qualitativ hochwertige Jugendbücher bekommen. Die Wattpad-Geschichten, die in den letzten Jahren verlegt wurden, gehören ebenfalls zu diesem Trend.

Damit will ich nicht sagen, dass “Lore” ein schlechtes Buch ist – es war unterhaltend, zeigte, dass wir uns gegen unser Schicksal wehren können und wir unsere misogynen Werte hinterfragen sollten – aber es ist nichts Herausragendes, da es wie “Die Tribute von Panem” mit griechischen Göttern und ein bisschen Mafia ist.

Ich empfehle “Lore” allen, die entweder selbst nach leichter Unterhaltung suchen, oder jüngere Geschwister oder Kinder haben, denen sie etwas zum Lesen schenken möchten. Gerade der Mix aus Mythologie, Kämpferei und Feminismus wird gerade jüngeren gefallen, die erst seit kurzem Young Adult Literatur lesen oder gar nicht so oft lesen. Von der Dicke des Buches sollte man sich dabei nicht verunsichern lassen, da es drei Bücher in einem sind.

Allen anderen wird “Lore” zu langweilig sein.

  • Autor: Alexandra Bracken
  • Titel: Lore
  • Originaltitel: Lore
  • Übersetzer: Sabine Schilasky
  • Verlag: Arena
  • Erschienen: 2022
  • Einband: Hardcover
  • Seiten: 584
  • ISBN: 978-3-401-60638-5
  • Sprache: englisch
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite 
  • Erwerbsmöglichkeiten


    Wertung: 7/15 dpt


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