Ulrich Wickert – Der Richter aus Paris (Buch)

Ulrich Wickert – Der Richter aus Paris (Buch)

Geldwäsche, Algerien- und Indochinakrieg

Der Richter aus Paris
© Heyne

Jacques Ricou ist in Paris als Untersuchungsrichter in Finanzfragen tätig und aktuell mit einem großangelegten Fall von Geldwäsche beschäftigt. Mittendrin, der ehemalige General Baltazar de Montagnac, der nach seiner Militärlaufbahn in die Politik wechselte und 2002 mit einem Präzisionsgewehr aus gut zweihundert Metern Entfernung vor seiner Villa erschossen wurde. Jetzt, im Frühjahr 2003, erhält Ricou einen anonymen Hinweis, dass Gilles Maurel der vermeintliche Mörder sei. Dessen frühere Freundin Kadija arbeitete im Algerienkrieg für den FLN im Widerstand und verstarb während einer Folter im Jahr 1960. Maurel macht dafür den General verantwortlich, ein starkes Motiv ist also gegeben, sieht man von der gewaltigen Zeitspanne einmal ab.

Ricou fliegt nach Martinique, wo Maurel, inzwischen über neunzig Jahre alt, eine Bananenplantage betreibt. Allerdings kommt Ricou zu spät, denn als er auf der Habitation Alizé eintrifft, gerät er mitten in die Trauerfeier für Maurel, der tags zuvor beerdigt wurde. Dort lernt Ricou die hübsche Kreolin Amadée, die erheblich jüngere Witwe Maurels kennen, die auffallend gut gelaunt wirkt. Von ihr erfährt Ricou, dass Maurel seit über zwanzig Jahren die Insel nicht mehr verlassen habe; folglich nicht der Mörder des Generals sein könne. Maurels Nachbar Victor LaBrousse, ehemaliger Folterer in Algerien und bis zuletzt Geldwäscher für den General, gerät ebenfalls in Ricous Blickfeld, dessen Ermittlungen jedoch zunächst ins Leere laufen.

In Jaques stieg Wut hoch, aber sie hatte kein Ziel. Da erzählte der Folterer dem Richter der Republik von seinen Morden im Namen der Republik, geduldet, wenn nicht gar veranlasst von einer demokratischen Regierung in Paris.

Zurück in Paris gerät Ricou, der im Geldwäscheskandal erwägt, den französischen Präsidenten persönlich als Zeugen vor Gericht zu laden, in arge Bedrängnis, denn er hat sich mächtige Feinde gemacht.

Tolles Krimidebüt

Das Krimidebüt von Ulrich Wickert, langjähriger Moderator der „Tagesthemen“, ist ein anspruchsvoller Roman, auf den man sich mit einiger Konzentration einlassen muss. Intensiv wird über Geldwäsche im Allgemeinen und hier im Besonderen gesprochen; jene geheimen Wege, die letztlich einer illegalen Parteienfinanzierung dienen und mit einem hohen Maß an Korruption bei Politik und Justiz einhergehen. Ricou ist ein Hundertprozentiger, ein Gerechtigkeitsfanatiker aus dem Lehrbuch. Dass er aktuell noch ein wenig Ärger mit seiner Ex-Frau hat und bei seiner neuen Freundin nicht ganz genau weiß, wie es um die Beziehung eigentlich steht, macht seine Lage nicht besser. Zumal noch die attraktive Amadée ins Spiel kommt.

Allein die Notiz über meinen angeblich dienstlichen „Urlaub“ in der Karibik sollte mich doch belasten und in der Öffentlichkeit unglaubwürdig machen für den Fall, dass ich mich entschließe, den Staatspräsidenten vorzuladen. Und wer es schafft, solch eine Petitesse in Paris in einer Zeitung unterzubringen mit dem Hinweis, das hätte in „France-Antilles“ gestanden, der muss schon über ein weit verzweigtes Netz verfügen. „France-Antilles“ ist nämlich wegen eines Streiks in jenen Tagen überhaupt nicht erschienen.

Die Karibikinsel Martinique, deren Einwohner und Lebensgewohnheiten werden ansprechend in Szene gesetzt; so manches Gericht und Getränk gilt es zu entdecken. Der Fall der Geldwäsche ist komplex bis verworren, was in der Natur der Sache liegt. Hinzu kommt der Lebenslauf des unlängst dahingeschiedenen Maurel, er starb bei einem Reitunfall, der in jüngeren Jahren einiges ertragen musste. Anfang der 1950er Jahre reist er mit seinem Sohn Eric nach Hanoi, wo beide in den Indochinakrieg und für zwei Jahre in die Gefangenschaft der Vietminh geraten. Sie müssen Unglaubliches ertragen, allerdings sind die Franzosen in ihren Methoden nicht weniger zimperlich. So ist ein zentrales Anliegen des Autors auch, auf jenes Verbrechen hinzuweisen, zu dem nur die Spezies Mensch fähig ist: Folter. Nach dem Genfer Waffenstillstand von 1954 kommt Maurel frei und zieht nach Algerien, wo er prompt in den dortigen Aufstand, später Algerienkrieg genannt, gerät. Letztlich werden drei Morde aufgeklärt, doch dazu an dieser Stelle nicht mehr, es soll ja nicht zu viel verraten werden. Allerdings, dies darf man schreiben, hat sich der Autor zum Finale noch einen besonderen Clou einfallen lassen. Zudem bekommt, wenig überraschend, die korrupte Politik ihr Fett ab.

Wer sich für Frankreich, Martinique, Geldwäsche, den Indochina- oder Algerienkrieg interessiert, darf hier zugreifen. Wie wohl ein Kaiman schmeckt?

  • Autor: Ulrich Wickert
  • Titel: Der Richter aus Paris
  • Verlag: Heyne
  • Umfang: 256 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2016
  • ISBN: 978-3-453-41864-6
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt

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