Sabine Hofmann – Totenwinter (Buch)


Sabine Hofmann – Totenwinter (Buch)

Totenwinter
© Aufbau

Der Schwarzmarkthandel blüht

Bochum, Anfang 1947. Die Stadt vom Krieg zerstört, unter britischer Besatzung, ächzt unter einer Kältewelle. Nachts unter zwanzig Grad, tagsüber eine Eisdecke, dazu wenig Lebensmittel und kaum Brennmaterial. Da hilft es, wenn Marthas Tochter Hella am Güterbahnhof ein paar Kohlen aufsammelt; besser gesagt, mit einer Freundin klaut. Sehr zum Ärger der Mutter, die nicht wissen kann, dass beide von einem Polizisten gedeckt werden, der sich auf diesem Weg seinen Anteil abzweigt. Für andere ist die Lage aufgrund strenger Kontrollen der Schutzpolizei schon ernster, wozu offensichtlich der Arbeiterführer Hannes Birkner gehört, denn dessen Leichnam wird in einem Güterwagon gefunden. Das Loch in der Stirn verrät die Todesursache und das verstreute Milchpulver deutet auf ein missglücktes Schwarzmarktgeschäft hin.

Frau Birkner behauptet, dass die Werksleitung für seinen Tod verantwortlich sein soll?“
„Und was soll dann das Milchpulver? Ich glaube kaum, dass die Werksleitung Leute erschießt und anschließend Milchpulver verstreut.“
„Es sei denn, sie will dich genau auf diese Idee bringen.

Birkner, KP-Mitglied, lange im Konzentrationslager einsitzend und seitdem ein anderer Mensch, war im Chef im Betriebsrat der Bochumer Eisen- und Stahlwerke. Laut den Arbeitern ein guter Mann, der sich für deren Interessen einsetzte. Bewegen konnte er hingegen wenig, denn wo die Hungersnot groß ist, erfreut man sich über jeden Arbeitsplatz. Ein Streik war zudem undenkbar, schließlich würden die Engländer den Laden am liebsten gleich zusammen; allerdings liefert das Werk Stahl als Reparationsleistung für den verlorenen Krieg.

Oberinspektor Dietrichs trifft auf eine unübersichtliche Lage, denn Birkners Frau hält die Werksleitung für Auftragsmörder, während die (linken) Arbeiter nicht mit der Polizei reden, die ja ohnehin die Bonzen deckt. Kennt man ja von früher. Derweil hat Edith, die nach wie vor bei Martha zur Untermiete wohnt, einen Job bei Rechtsanwalt Pollmann gefunden, der bald in Verdacht gerät, mit dem Tod Birkners in Verbindung zu stehen. So zumindest erfasst Edith die Lage, die auf eigene Faust recherchiert, was wiederum mit dem undurchsichtigen Journalisten Leo Mantler zu tun hat. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen, doch kann sie ihm vertrauen? All überall scheint die Gesamtlage undurchsichtig.

Zweiter Fall für Edith

Nach „Trümmerland“ nun also „Totenwinter“, der, wenn man so möchte, zweite Fall für Edith, was aber irreführend wäre. Es ermitteln Dietrichs und Kleinert, während Edith sich selbst in Bedrängnis bringt. In diese gerät ebenso Ediths Freundin Lilli, die versucht, als Madame Luna mit Kartenlesen über die Runden zu kommen; ein Erzählstrang, den man auch hätte weglassen können. Und wo wir gerade bei (kleinen) Kritikpunkten sind, so hätte man die Namen der Figuren gerne einheitlich regeln können. Martha, Hella und Lilli, andererseits Diedrichs, Kleinert und Pollmann; an Vor- und Nachnamen wurde teils gespart und wie schon im ersten Band irritiert, dass die Handlung in Bochum spielt, aber niemand mitten im Pott platt spricht, sondern allenfalls einzelne Worte wie „gezz“ eingestreut werden, was die Sache nicht besser macht.

Die Bonzen waren es.“
„Wie bitte?“
„Na, die einhellige Meinung der Arbeiter. Mit dem Schwarzmarkthandel hat Birkner nichts zu tun, Birkner ist aufrichtig, standhaft und hat keine Angst. Teil zwei der einhelligen Meinung. Und wir werden alles unter den Teppich kehren. Teil drei.

Besser ist erneut der historische Rahmen, denn Sabine Hofmann führt ebenso bildhaft wie atmosphärisch in die damalige Zeit ein. Mit vielen Kleinigkeiten gelingt eine gute Schilderung der Notlagen in allen Bereichen und wirft ein gekonntes Bild auf die Zustände bei der Polizei sowie das ihr entgegenschlagende Misstrauen der Arbeiter. Die zwölf Jahre des vermeintlich tausendjährigen Reiches sind noch in bester, sprich sehr schlechter Erinnerung. Passenderweise führt dann eine Spur auch noch zu einem Konzentrationslager, dessen Insassen zum Arbeitseinsatz im Eisen- und Stahlwerk zwangsverpflichtet wurden, was wegen zu hoher Arbeitsbelastung und gleichzeitig mangelhafter Ernährung viele nicht überlebt haben.

Tatverdächtige, um zum Krimiplot zu kommen, gibt es einige, so dass der Spannungsbogen recht ordentlich ist. Edith verdächtigt in der Folge Pollmann und dessen Chauffeur, welche Diedrichs gar nicht auf dem Schirm hat. Kurzum: Wer sich für einen Krimi aus der Nachkriegszeit interessiert, findet hier kurzweilige Unterhaltung, wobei das Angebot der Konkurrenz nicht unbeachtlich ist.

  • Autorin: Sabine Hofmann
  • Titel: Totenwinter
  • Verlag: Aufbau
  • Umfang: 352 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Oktober 2022
  • ISBN: 978-3-7466-3963-5
  • Produktseite


Wertung: 10/15 dpt


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