Byeong-mo Gu – Frau mit Messer (Buch)


Byeong-mo Gu – Frau mit Messer (Buch)

Über eine alternde Schädlingsbekämpfungsspezialistin

Frau mit Messer
© Ullstein

Hornclaw arbeitet seit fünfundvierzig Jahren für die Agentur und steht mit ihren inzwischen fünfundsechzig Jahren vor der Frage, wie lange sie ihren Job noch machen kann beziehungsweise darf. Sie ist eine Schädlingsbekämpfungsspezialistin mit großem Faible für scharfe Messer, an deren Spitze eine Zyankali-Verbindung dafür sorgt, dass der Schädling nach sofortiger Lähmung innerhalb von Sekunden verstirbt. Das Gedränge beim Ausstieg aus einer überfüllten U-Bahn reicht mitunter schon zur Tarnung.

Vor einem Monat ging ein Anschlag jedoch beinahe schief, Hornclaw selber wurde am Rücken schwer verletzt und schaffte es soeben noch in jene Poliklinik, in der sie regelmäßig für die Agentur untersucht wird. Ihr üblicher Arzt ist nicht im Haus und so hilft ihr der junge Dr. Kang, der die inzwischen bewusstlos gewordene Hornclaw entkleidete, um ihre offene Rückenwunde nähen zu können. Dabei muss er zwangsweise deren Messer entdeckt haben, doch Kang versichert ihr, dass er nicht die Polizei informieren wird. Eigentlich müsste sie den vermeintlichen Zeugen töten, aber seit langer Zeit findet sie wieder einen Menschen sympathisch.

Dies bleibt nicht unbemerkt von ihrem jüngeren Kollegen Bullfight, dem die Omi schon lange ein Ärgernis ist. Diese, Hornclaw, soll noch einen letzten Auftrag erledigen, bei dem ihr Bullfight wiederholt in die Parade fährt. Doch warum hasst sie der impulsive Junge so sehr?

Literarische Spannung aus Südkorea

Byeong-mo Gu, eine in Südkorea bekannte und preisgekrönte Autorin, liefert mit „Frau mit Messer“ einen feministisch angehauchten literarischen Thriller, der amüsante, actionreiche und philosophische Ansprüche erfüllt. In Rückblenden erfährt man über die Lebenswege von Hornclaw und Bullfight, so dass sich bald erschließt, woher der Hass des Jungen gegen die Omi kommt. Hornclaw, die aus ärmlichen Verhältnissen stammt, fand einst in Ryu ihren Mentor, der ihr alles über Schädlingsbekämpfung beibrachte. Zum Leidwesen seiner Frau Cho, die Hornclaw bald als Konkurrentin auf einem ganz anderen Schlachtfeld wahrnimmt. Ryu, auf dessen Visitenkarten die Aufschrift „Ausrottung von Schädlingen und Ungeziefer“ zu lesen war, ist zum Zeitpunkt der Handlung bereits tot, gleichwohl erinnert sich die Protagonistin an ihn und seine Worte.

Schädlingsbekämpfung geht normalerweise so vonstatten. Man fragt nicht, wer was will und warum. Niemand erklärt, warum jemand plötzlich zum Insekt geworden ist, das eliminiert werden muss, oder warum jemand plötzlich eine Ratte geworden ist, die aufgescheucht werden muss. Man braucht keine kafkaeske Deutung, wie ein Mensch über einen längeren Zeitraum – oder manchmal auch ganz plötzlich über Nacht – zum Ungeziefer wird. Je höher der Rang und die Macht des Auftraggebers ist und je einflussreicher die Zielperson, umso weniger „Warums“ gibt es, wenn ein Schädlingsbekämpfungsspezialist auf den Plan tritt.

Einblicke in die Agentur, in der Worryfixer die Aufträge verteilt, sind wohl dosiert, ähnliches gilt für die Arbeit der Auftragsmörder, deren Gedankenwelt schon eher im Fokus steht, zumal sich Hornclaw ihres Alters durchaus bewusst ist. Und jener Vorfall vor einem Monat zeigt ja, dass sie womöglich nicht mehr hundertprozentig bei der Sache ist, was in ihrem sehr speziellen Job tödliche Folgen haben kann. Die Themen Alter und Respekt spielen eine wichtige Rolle, wobei man beachten muss, dass diese im asiatischen Raum ohnehin einen hohen Stellenwert haben. Worryfixer ist übrigens ein Zugeständnis an die moderne Gegenwart, denn er*sie ist weder Mann noch Frau, so dass über ihn*sie mit zahlreichen Gendersternen geschrieben wird, was für manche Leser*innen auf Dauer ein wenig „anstrengend“ zu lesen sein mag.

Eine alternde Auftragsmörderin, die viel Zeit hat, über sich und das Leben nachzudenken, gerät plötzlich in das Visier eines ebenso mörderisch veranlagten Kollegen. Während die Handlung lange Zeit recht unblutig verläuft, erlebt das fulminante Finale eine eruptive Gewaltentwicklung. Eine starke Frauenfigur, die nach unzähligen Morden doch noch zu Gefühlen fähig zu sein scheint, brilliert als nachdenkliche Heldin in dem lesenswerten Roman „Frau mit Messer“. In Südkorea ein Bestseller.

  • Autorin: Byeong-mo Gu
  • Titel: Frau mit Messer
  • Originaltitel: Pagwa (2013); Übersetzung: The Old Woman with the Knife. Aus dem Englischen von Wibke Kuhn
  • Verlag: Ullstein
  • Umfang: 288 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: Oktober 2022
  • ISBN: 978-3-550-20150-9
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share