Liz Nugent – Auf der Lauer liegen (Buch)

Liz Nugent – Auf der Lauer liegen (Buch)

Auf der Lauer liegen
© Steidl

Exzellenter Psychothriller

Andrew und Lydia Fitzsimons leben mit ihrem Sohn Laurence auf einem großen Anwesen mit einem ebensolchen Haus, dass sie Avalon nennen. Eine Bilderbuchfamilie könnte man meinen, zumal Andrew als Richter hohes Ansehen genießt. Man gehört zur oberen Gesellschaft, allein es stören – wie so oft – die Details. Es plagen trotz Andrews gutem Einkommen hohe Geldsorgen, denn der Steuerberater brannte mit einem Großteil ihres Vermögens durch. Laurence ist außergewöhnlich fett und Lydia verlässt Avalon seit jeher allerhöchstens zum Einkauf.

„Mein Mann hatte eigentlich nicht vor, Annie Doyle umzubringen, aber diese verlogene Schlampe hat es nicht anders verdient.“ Mit diesem klaren Statement, es ist der erste Satz des Romans, legt „Auf der Lauer liegen“ fulminant los, der es wie schon der vorherige Roman der Autorin („Kleine Grausamkeiten“) auf die Krimibestenliste schaffte. Ja, Liz Nugent ist aktuell eine der interessantesten Krimiautorinnen; nicht nur in Irland. Doch zurück zu Annie Doyle. Es passierte abends am Strand, ein Streit zwischen Andrew und Annie eskalierte und er würgte sie. Annie hätte wohl überlebt, hätte nicht Lydia im letzten Moment zugeschlagen.

Kurzerhand entschließt man sich, Annie im eigenen Garten zu vergraben, groß genug ist er schließlich. Als einige Tage später Detective Mooney einige Fragen stellt, denn in den letzten Wochen wurde ein äußerst seltener Oldtimer wie jener von Andrew auffallend häufig in der Straße von Annie gesehen, haben die Beiden ein Alibi. Man war den ganzen Abend zuhause. Laurence, der aus der Küche mithört, ist irritiert. Er war angeblich mit Freunden im Kino, tatsächlich bei seiner Freundin, und als er am späten Abend nach Hause kam war die Garage leer.

Magst du sie, Lydia? Ist sie gut genug für unseren schönen Laurence?“
„Für unseren Laurence ist niemand gut genug.

Annies Familie ist erschüttert und zerbricht, man sucht intensiv nach der vermissten Tochter. Allen voran Karen, ihre Schwester. Doch Annie arbeitete als Prostituierte, war alkohol- und drogensüchtig. Keine Frau für die sich der leitende Ermittler Detective Sergeant O’Toole übermäßig engagiert. Da interessiert ihn schon mehr die gut aussehende Karen.

Alles für den Sohn. Auch wenn er gar nicht will.

Wie schon in „Kleine Grausamkeiten“ nimmt sich Liz Nugent erneut einer mehr als zweifelhaften Familie an. Danach sieht man womöglich die eigene in einem ganz neuen Licht. Der Plot soll hier nicht zu sehr beschrieben werden, aber man darf verraten, dass Lydia – sagen wir vorsichtig – exzentrisch ist. Oder wie es Laurence erste Freundin sagen würde; „eine Irre“. Sie entwickelt eine Mutterliebe der besonderen Art, denn in ihrem Leben zählt nur eins: Laurence. Dieser muss beschützt werden, koste es was es wolle. So macht sie Andrew klar, dass, sollte die Polizei jemals den Leichnam von Annie finden, er die Schuld alleine auf sich nehmen müsse, damit sie sich weiter um Laurence kümmern kann. Es dauert nicht lange bis ein weiterer Todesfall eintritt.

Der Plot zieht sich über mehrere Jahre und wird in Ich-Form abwechselnd von Lydia, Karen und Laurence erzählt. Lydia hat Angst vor Entdeckung und dass sie ihr Sohn verlassen könnte; Laurence kämpft derweil mit seiner Fresssucht und entdeckt, dass sein Vater wohl der Mörder von Annie war, während Karen vergeblich nach dieser sucht. Es darf vorweggenommen werden, dass sich Laurence und Karen später kennenlernen, womit eine fatale Entwicklung ihren finalen Lauf startet. Während Lydia mehr und mehr einem Wahn verfällt, versucht Laurence den Fehler seines Vaters wiedergutzumachen, soweit dies denn überhaupt geht. Zudem will er sich von seiner Mutter endlich emanzipieren, mit dreiundzwanzig Jahren wohnt er immer noch zuhause. Doch Lydia ist krankhaft auf ihren Sohn fixiert. Der Hintergrund ist in der Vergangenheit zu finden, in der es zu – man ahnt es – weiteren Todesfällen kam.

Lydia, er ist dreiundzwanzig. Glaubst du denn, er wird ewig hier leben?“
„Warum denn nicht? Hier in Avalon hat er alles, was er braucht.“
„Bis auf seine Freiheit.“
„Ich verstehe nicht, was das heißen soll.

Lange scheint die Story nur dahinzuplätschern. Die drei Protagonisten sind mit ihrem Alltag beschäftigt, gleichwohl geschehen immer wieder Dinge, die das anfällige Konstrukt jederzeit zum Einsturz bringen können. Man mag das Ende zumindest ein stückweit erahnen, dennoch ist „Auf der Lauer liegen“ ein herausragender Psychothriller.

Ob es in diesem Literaturjahr noch einmal so furios bitterböse zugehen wird? Man darf es bezweifeln.

  • Autorin: Liz Nugent
  • Titel: Auf der Lauer liegen
  • Originaltitel: Lying in Wait. Aus dem Englischen von Kathrin Razum
  • Verlag: Steidl
  • Umfang: 352 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: August 2022
  • ISBN: 978-3-96999-108-4
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt

Teile diesen Beitrag:
Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share