Daniel Grob – Ein Polizist auf weiter Flur (Buch)

Daniel Grob – Ein Polizist auf weiter Flur (Buch)

Ein Polizist auf weiter Flur
© Zytglogge

Einfühlsames Psychogramm

Das Mittelland ist eine der drei Berggebietsregionen der Schweiz, wo in einer nicht näher benannten Kleinstadt Konrad „Koni“ Bühler in den 1970er Jahren der erste Polizist im Ort ist. Eigentlich wollte er Bauer werden, den Hof des Schwiegervaters übernehmen, doch dieser wollte den „Fremden“ die ersten Jahre nur als Knecht einstellen. Daher ging es zunächst zum Zoll, wo die ständigen Wechsel des Arbeitsplatzes auf Dauer die Familie störten. Nun also Polizist in einer Kleinstadt, in der sich herzlich wenig ereignet. Allerdings herrscht aktuell eine gewisse Unruhe, denn ein neues Phänomen namens Tollwut greift um sich.

Nahe der großen Fabrik liegt eine Ansiedlung sogenannter Kosthäuser, wo die Arbeiter wohnen, wenngleich in äußerst bescheidenen Verhältnissen. Auf einer angrenzenden Wiese ist oft der Rehbock „Willy“ zu sehen, der so zutraulich ist, dass er sich sogar streicheln lässt. Bühler, Werksmeister Walter Bamert, den Bühler noch von der Zollschule kennt, und Wildhüter Ruedi Müller sind alarmiert, da Rehböcke normalerweise davonjagen, wenn Menschen ihnen zu nahekommen. In einem der Kosthäuser haben zudem eine Katze und ein Hund weißen Schaum vor dem Mund. Für Bühler, Bamert und Müller ist klar, wie es sich zugetragen hat. Allerdings behauptet der Tierarzt Thomas Müller beharrlich, die Haustiere hätten vermutlich Waschmittel gefressen, alles andere sei reine Panikmache.

Die Leute wissen einfach zu wenig Bescheid., aber was soll man tun? Der oberste Chef will auf keinen Fall, dass wir informieren. Er wolle keine Panik schüren. Stattdessen haben wir dann so Fälle wie diesen hier. Und statt Tatsachen werden irgendwelche Gerüchte und Schauermärchen verbreitet. Als ob das besser wäre!

Bühler und Müller, das wird keine Freundschaft mehr, zumal Bühler studierte Menschen ohnehin ein Dorn im Auge sind. So hat er denn auch den Arzt in Verdacht, hinter nächtlichen Drohanrufen zu stecken, in denen er, pünktlich um zwei Uhr morgens, als „Mörder“ beschimpft wird. Eine Telefonüberwachung sollte weiterhelfen, aber der ebenso arrogante wie sparsame Amtsvorsteher Nüssli will diese nicht bezahlen.

Es muss nicht immer Mord sein

Die vorstehende Inhaltsangabe umfasst weitgehend den kompletten Inhalt. Es stellen sich die Fragen, ob die Haustiere eingeschläfert werden und wer und vor allem warum hinter den mysteriösen Anrufen steckt. Es gibt sicherlich spannendere Ausgangssituationen, aber es muss ja nicht immer gleich ein Mord passieren. Wer es also mal etwas ruhiger angehen lassen möchte, darf hier einen Versuch wagen. Der Schreibstil von Daniel Grob ist angenehm zu lesen, emphatisch stellt er vor allem seinen Protagonisten vor, der keineswegs ein reiner Sympathieträger ist. Bühler ist ein Hundertprozentiger, pflichtbewusst in jeder Konsequenz und einem starken Schwarz-Weiß-Denken verhaftet. Zwischentöne sind ihm fremd und ein guter Menschenkenner, was für einen Polizisten von Vorteil wäre, ist er schon gar nicht. Dabei hat es Bühler auch nicht einfach. Den Hof vom Schwiegervater sollte er nicht bekommen, stattdessen hat er nun einen Beruf, in den er erst spät hineingeraten ist. Hinzu kommt, dass zuhause meist eine düstere Stimmung herrscht, denn seine Frau Sophie ist arg melancholisch, was am frühen Tod ihrer ersten beiden Kinder liegt.

Polizeiliche Ermittlungsarbeit findet nahezu ausschließlich hinsichtlich der Anrufe statt, wenngleich mehr im Hintergrund und auf Sparflamme. Es sind halt die 1970er Jahre, da ging es in den Amtstuben noch geruhlich zu und oft behandelte der Vorgesetzte seine Mitarbeiter wie Untergebene. Der oberflächliche Nüssli bildet hier keine Ausnahme. Immerhin werden hinsichtlich der Anrufe einige Verdächtige aufgebaut, von einem Krimi kann man gleichwohl nicht sprechen. Stattdessen gerät man mehr in einen Intrigantenstadl, in dem es gar zu Eifersuchtsdramen kommt.

Gelungen ist neben der feinen Psychostudie des Protagonisten die Beschreibung der Landschaft sowie der damaligen Zeit. Es ist piefig in den Behörden, die Mächtigen herrschen von oben herab und die Einwohner glänzen durch geringe Bildung. Wieso allerdings der Tierarzt eine Tollwut nicht erkennt und somit den Eindruck vermittelt, er könne nicht bis drei zählen, bleibt sein Geheimnis. Ebenfalls irritiert, dass Bühler, Bamert, Müller, der Kantonsbeamte Nydegger, Nüssli und noch der Leiter der Liegenschaftsverwaltung in ein Kosthaus ausrücken, um zu entscheiden, was mit dem armen Hund passiert. Gleich sechs Beamte für einen Hund, der offensichtlich Tollwut hat? Hut ab, aber so mag es damals durchaus gewesen sein.

  • Autor: Daniel Grob
  • Titel: Ein Polizist auf weiter Flur
  • Verlag: Zytglogge
  • Umfang: 184 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: September 2022
  • ISBN: 978-3-7296-5092-3
  • Produktseite


Wertung: 10/15 dpt

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