Yves Ravey – Die Abfindung (Buch)


Yves Ravey – Die Abfindung (Buch)

Falsche Verdächtigungen mit fatalen Folgen

Die Abfindung
© Liebeskind

Es lief schon besser in der Tankstelle von Jean Seghers, denn jetzt läuft nichts mehr. Usman, der einzige Mitarbeiter, wartet darauf, dass er endlich seine Entlassungsurkunde erhält, damit er diese der Gewerbeaufsicht einreichen kann. Dass zudem seine Abfindung noch immer nicht gezahlt wurde, sorgt für eine zunehmend aggressivere Atmosphäre, schließlich hat er eine Frau und zwei Kinder zu ernähren. Vielleicht wäre dies noch nicht einmal so schlimm, wenn Jean nicht seine Ehefrau Remedios morgens um vier Uhr im Auto von Xavier Walden gesehen hätte, jenem Präsidenten des Handelsgerichts, das über den laufenden Insolvenzantrag entscheiden soll. Dass Jean und Xavier eigentlich befreundet sind, vergiftet die Atmosphäre zusätzlich, wenngleich Xavier, von Jean zur Rede gestellt, mit Nachdruck bestreitet, mit dessen Frau ein Verhältnis zu haben. Doch Jean ist sich dessen sicher. Eine untreue Ehefrau, ein vehement sein Geld fordernder Mitarbeiter. Manchmal wird es zu viel und es braucht nur einen Funken damit das Fass überlauft. Nachdem Jean beobachtet, wie Remedios und Usman Zärtlichkeiten austauschen, ist es soweit.

Diesen Noir sollte man sich leisten

„Die Abfindung“ von Yves Ravey ist ein starker Noir, in dem sich der Protagonist in beeindruckender Weise seine Welt zusammenfantasiert. Obwohl er beobachtet, wie Usman Remedios küsst, unterstellt er dieser, ein Verhältnis mit Walden zu haben. Es muss einfach so sein und da er ohnehin alles fest im Griff hat, entwickelt er einen teuflischen Racheplan. Für die Leser ist hingegen klar, dass Jean gar nichts im Griff hat und folglich die Situation in einem Desaster enden muss. Zunächst wird die Ausgangslage dargestellt, dann kommt die verheerende Racheaktion, dem eine Person zum Opfer fallen wird und im weiteren Verlauf versucht Jean, von seiner Tat auf andere abzulenken.

„Die Abfindung“ ist mit offiziell angegebenen 112 Seiten ein dünnes Werk, welches zudem großzügig gedruckt ist. Zieht man die Weißflächen an den jeweiligen Kapitelenden ab, gerät der Text deutlich unter hundert Seiten. Da sorgt der Preis von zwanzig Euro schon für Verwunderung. Oder nötigt einem Respekt ab, denn dass ein Verlag den Mut aufbringt, unter diesen Umständen ein Buch zu veröffentlichen, ist nicht selbstverständlich. Gerade in der heutigen Zeit, wo das Geld oft knapp ist, greifen viele Leser eher zu den dicken Schinken, die mitunter nur die Hälfte kosten. Allerdings setzt man beim Liebeskind-Verlag bekanntlich auf Qualität. Auch die dort verlegten Werke von James Sallis sind bei ähnlichem Preis nicht wesentlich umfangreicher. Beide, Sallis wie Ravey, bieten „Noir in hoher Qualität“. Für Fans des Genres sollte es daher keine Geldfrage sein, ob man sich das vorliegende Buch gönnt.

Wie sich Jean immer tiefer in den Schlamassel reitet und wie man gleichzeitig ohnmächtig dem Geschehen folgt, sorgt für hohen Lesegenuss. Wie schrieb Le Figaro so treffend: „Das Besondere an diesem mitreißenden Roman ist, dass der Leser alles weiß und nichts ausrichten kann.“ Gerne mehr davon!

  • Autor: Yves Ravey
  • Titel: Die Abfindung
  • Originaltitel: Adultère. Aus dem Französischen von Holger Fock und Sabine Müller
  • Verlag: Liebeskind
  • Umfang: 112 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: August 2022
  • ISBN: 978-3-95438-152-4
  • Produktseite


Wertung: 12/15 dpt


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