William McIlvanney / Ian Rankin – Das Dunkle bleibt (Buch)

William McIlvanney / Ian Rankin – Das Dunkle bleibt (Buch)

Ein Krieg in der Glasgower Unterwelt droht

Das Dunkle bleibt
© Verlag Antje Kunstmann GmbH

Oktober 1972. Detective Constable Jack Laidlaw ist neu beim Glasgow Crime Squad und Commander Robert Frederick bittet DS Bob Lilley, seinen neuen Partner im Auge zu behalten. Laidlaw eilt sein Ruf voraus. Kein Teamplayer, große Klappe, aber ein guter Ermittler alter Schule. Gemeinsam werden die beiden Detectives bei einer Abschiedsfeier eines Kollegen nach Calton gerufen, wo die Leiche von Bobby Carter in einer kleinen Gasse hinter dem Pub „The Parlour“ gefunden wurde. Fünf Stichwunden verdeutlichen die Todesursache und dies auf einem Gebiet, dass von Unterweltboss John Rhodes beherrscht wird. Dies ist von großer Bedeutung, da Carter als Anwalt die rechte Hand von Cam Colvin war, Rhodes größtem Rivalen.

Und was macht Colvin jetzt?“
„Entweder nichts oder er lässt es eskalieren.“
„Würde es etwas bringen, die beiden zu einem Treffen zu zwingen?“
„Nur wenn du ein Bestattungsinstitut hast.

Colvin sinnt auf Rache, doch wäre Rhodes so dumm, die Leiche auf seinem Gebiet abzulegen? Wer aber käme sonst in Frage? Matt Mason, der dritte Gangsterboss von Glasgow? Und woher kommt das Graffito an der Wand des „Parlour“, welches das Logo der Jugendgang „Gorbals Cumbie“ zeigt? In Calton herrschen die „Calton Toi“. Aber auch innerhalb von Colvins Truppe brodelt es gewaltig, denn die Lücke, die Carter an der Seite des Chefs hinterlassen hat, will gefüllt werden und weckt entsprechende Begehrlichkeiten.

Laidlaw, der nicht nur die Sprache der Gangster spricht, sondern sein Ohr auch immer auf der Straße hat, ahnt, dass reichlich Sprengstoff vorhanden, ein Bandenkrieg nahezu unausweichlich ist. DI Ernest Milligan leitet die Ermittlungen, was Laidlaw dazu veranlasst, erst recht alleine oder bestenfalls mit Lilley zu arbeiten. Milligan ist Laidlaw verhasst, er hält ihn für einen großen Idioten, der nur durch Protektion nach oben gespült wurde. Laidlaw muss sich mit den Anweisungen seines Chefs arrangieren und gleichzeitig in die Unterwelt aufmachen. Vermutlich kann nur er im direkten Gespräch mit Rhodes, Colvin und Mason das Schlimmste verhindern. Aber liegt hier wirklich die Ursache für den Mord an Bobby Carter?

Aus dem Nachlass des Erfinders des schottischen Noir

William McIlvanney
William McIlvanney © Verlag Antje Kunstmann GmbH

Man darf schon von einer literarischen Sensation sprechen, dass es ein neues Buch von William McIlvanney (1936-2015) gibt. Falls jemand den Kultautor, der als Erfinder des schottischen, also des Tartan Noir gilt, nicht kennt: Der Preis für den besten schottischen Kriminalroman trägt seit 2012 seinen Namen, wobei er selbst zu Lebzeiten nur drei Kriminalromane veröffentlichte. Der Erfolg blieb außerhalb Großbritanniens überschaubar, zumal die Veröffentlichungen weit auseinanderlagen: „Laidlaw“ (1977), „Die Suche nach Tony Veitch“ (1983) und „Falsche Treue“ (1991).

Aus den drei vorgenannten Werken sind viele der Protagonisten aus „Das Dunkle bleibt“ bereits bekannt: Milligan, Rhodes, Colvin, Mason, aber auch die Gangster Panda Peterson und Mickey Ballater. Man könnte sagen: „So fing es damals an“, denn der Roman spielt im Oktober 1972, die bekannte Trilogie beginnt mit „Laidlaw“ erst in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre. Der Sound ist gleichwohl derselbe. Ein düsteres Grundszenario, gewalttätige Action und messerscharfe Dialoge. Fein gemischt mit ein bisschen Sozialkritik, denn Glasgow geht nach Ansicht von Laidlaw immer mehr vor die Hunde. Da helfen keine neuen Wohnblocks, in denen auf engem Raum kleine Häuser durch deutlich größere ersetzt werden. Denn weiterhin herrscht Gewalt vor allem im trauten Heim, beispielsweise nach dem Derby zwischen Celtig und Rangers. Pech für Ehefrauen und Kinder, wenn der eigene Club nicht gewonnen hat. Ein Glück für die meisten Einwohner der Stadt, sie bekommen von der Gewalt der Gangster nur selten etwas mit; nicht zuletzt, da sie mit eigenen Problemen beschäftigt sind.

Ich glaube, wir sind einem MacGuffin hinterhergejagt, der immer komplizierter wurde, je weiter sich der Fall entwickelt hat.“
„Wer zum Teufel ist MacGuffin?“
„Kein wer, sondern ein was. Alfred Hitchcock verwendet den Begriff die ganze Zeit. Er bedeutet Ablenkung, eine falsche Fährte. Man ist so sicher, dass etwas von Bedeutung ist, dass man alles andere drum herum übersieht.

Laidlaw, der ein Faible für Philosophen hat und nicht selten in Gesprächen seine Zuhörer zur Verzweiflung treibt, ist ein Polizist alter Schule. Die Wahrheit findet man auf der Straße, nicht am Schreibtisch. Er muss nah dran sein, deswegen übernachtet er in einem Hotel und nicht im entfernten Simshill bei seiner Familie. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass seine Ehe ein äußerst fragiles Konstrukt darstellt.

„Das Dunkle bleibt“ ist ein Manuskript aus dem Nachlass von McIlvanney, welches vom schottischen Starautor Ian Rankin (“Ohne McIlvanney wäre ich wohl kein Krimiautor geworden.“) vollendet wurde. Leider fehlt ein Vor- oder Nachwort, in dem auf diesen Prozess näher eingegangen wird. Wie wurde das Manuskript „entdeckt“, warum erst jetzt die Veröffentlichung, wie umfangreich war die Nachbearbeitung, warum durch Rankin statt durch McIlvanneys Sohn Liam, selbst erfolgreicher Krimiautor, und so weiter? Antworten auf diese und andere Fragen wären sicher interessant gewesen.

Für Fans des Autors sowie des schottischen Noir kann festgehalten werden: „Das Dunkle bleibt“ ist ein weiterer, großartiger Ausflug in die Unterwelt von Glasgow, einer Stadt, in der man bestimmte Viertel nicht aufsuchen würde, wie auch die Harry-McCoy-Reihe von Alan Parks (spielt 1973 in Glasgow) eindrucksvoll belegt. Ein letztes Wort über McIlvanney: Bitte noch mal dringend seinen Nachlas durchsuchen, vielleicht findet sich noch mehr, was „bearbeitet“ werden kann. Klasse wäre es!

  • Autor: William McIlvanney Ian Rankin
  • Titel: Das Dunkle bleibt
  • Originaltitel: The Dark Remains. Aus dem schottischen Englisch von Conny Lösch
  • Verlag: Antje Kunstmann GmbH
  • Umfang: 288 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: August 2022
  • ISBN: 978-3-95614-508-7
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt

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