Matthias Wittekindt – Der Unfall in der Rue Bisson (Buch)


Matthias Wittekindt – Der Unfall in der Rue Bisson (Buch)

Ohayon ermittelt einen Unfall mit Todesfolge

Der Unfall in der Rue Bisson
© btb (Originalverlag: Edition Nautilus)

Der Freundeskreis besteht aus Yvonne Clerie, Nina Havelot, Alain Chartier und Michel Descombe. Man trifft sich regelmäßig im Centre Fleur zum geselligen Beisammensein. Normalerweise wird getrunken, erzählt und gelacht, doch an einem verhängnisvollen Abend ist alles anders. Ausgerechnet die Stimmungskanone Michel verdirbt mit unsäglichen Kommentaren die Laune, wenig später ist er tot.

Auf der Rue Bisson verliert er bei einem Überholvorgang die Kontrolle über seinen Wagen und prallt gegen einen Baum. Es war dunkel, es regnete stark, er hatte über ein Promille Alkohol und setzte dennoch zum Überholen eines LKW an. Dabei ist die Rue Bisson dafür viel zu kurz und mündet zudem unmittelbar nach der Unfallstelle in eine Einmündung. War womöglich ein zweites Fahrzeug beteiligt, dass ihn von der Straße drängte? Ohayon ist jedenfalls über den Unfallhergang irritiert und stellt sich Fragen. Dabei gerät auch der verbliebene Freundeskreis in den Fokus der Ermittlung, während sein Kollege Corney in einem vermeintlichen Bauskandal ermittelt.

Erinnerung an Graeme Macrae Burnet und Friedrich Ani

Matthias Wittekindt eröffnete mit seinem Debütroman „Schneeschwestern“ die sogenannte Fleurville-Reihe, benannt nach einer fiktiven Kleinstadt an der deutsch-französischen Grenze. Fünf Bände sind erschienen, von denen “Marmormänner” (Band 2) und „Die Tankstelle von Courcelles“ (Band 5 und zugleich ein Prequel zur Serie) mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurden (3. Platz 2014 und 2. Platz 2019). „Der Unfall an der Rue Bisson“ ist der vierte Band.

Der Roman erschien 2018, was insofern interessant ist, da im gleichen Jahr das Buch „Der Unfall auf der A35“ von Graeme Macrae Burnet erschienen ist. Dessen Inhalt stark verkürzt zusammengefasst: Nachts kommt es zu einem tödlichen Unfall auf der A35 an dem nichts Außergewöhnliches ist; dabei krachte das Unfallopfer frontal gegen einen Baum. Damit enden dann allerdings auch schon die inhaltlichen Parallelen und beide Romane sind für sich genommen lesenswert, da die Ausgangslage ja schon ein bisschen aus dem Rahmen fällt. Alles spricht für einen normalen Unfall, dennoch wird ermittelt. Fans von Friedrich Ani dürfen hier gerne zugreifen, denn seine Tabor-Süden-Reihe ist hier durchaus vergleichbar. Dort wird jemand vermisst, Süden ermittelt und am Ende heißt es nicht selten „Viel Lärm um Nichts.“ Wobei dies natürlich zu kurz greift, denn in der Zwischenzeit geschieht ja durchaus einiges, nur eben nicht unbedingt auf der kriminellen Ebene, sondern eher im privaten Umfeld der Beteiligten. Was geht in deren Köpfen vor? Warum handeln sie wie sie handeln? Fragen, denen sich Ohayon auf die ihm eigene Art nähert; nicht selten sind dabei seine Gedankensprünge für die Befragten wie für die Leser kaum nachvollziehbar. Aber Ohayon achtet auf die Feinheiten, die leisen Zwischentöne und entdeckt somit Zusammenhänge, die seinen Kollegen verschlossen bleiben.

In „Der Unfall an der Rue Bisson“ ist von Beginn an klar, dass Yvonne an dem Unfall in irgendeiner Weise beteiligt war. Und dass sie unmittelbar danach gemeinsam mit Nina in die Wohnung von Michel einbricht, macht sie nicht unverdächtiger für den Leser, der gegenüber dem Ermittler wissensmäßig klar im Vorteil ist. Bis Ohayon den Fall schließlich aufklärt, ergeben sich viele Ausflüge in die Gedankengänge mehrerer Personen, wobei diese nicht immer einen Bezug zum Geschehen haben. Mitunter aber schon, denn die drei „Freunde“ geben sich alle selber die Schuld an dem Unfall und es ist zunächst nicht klar, warum dies so ist. Man muss sich also ein wenig konzentrieren, um die teils versteckten Hinweise zu verstehen.

Und sonst? Alles wie immer in Fleurville. Kommissar Colbert ist weitgehend nicht präsent; Conrey, Resnais und Grenier haben ebenfalls nur kurze Auftritte. Privatleben der Ermittler? Fehlanzeige. Ohayon trägt die Handlung und ist mit seiner Vorgehensweise ja auch die interessanteste Figur, um nicht zu sagen, die für einen Polizisten ungewöhnlichste.

Hier finden Sie bei Interesse die Rezensionen zu den ersten drei Bänden:

SchneeschwesternMarmormännerEin Licht im Zimmer

  • Autor: Matthias Wittekindt
  • Titel: Der Unfall in der Rue Bisson
  • Verlag: btb (Originalverlag: Edition Nautilus)
  • Umfang: 256 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: September 2018
  • ISBN: 978-3-442-71621-0
  • Produktseite


Wertung: 11/15 dpt


Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share