Goethe-Medaille 2022 verliehen


Mohamed Abla, Tali Nates, Nimi Ravindran und Shiva Pathak mit Goethe-Medaille 2022 geehrt

In Weimar wurden vier Persönlichkeiten für ihren Einsatz im internationalen Kulturaustausch mit der Goethe-Medaille geehrt: der bildende Künstler Mohamed Abla aus Ägypten, die Historikerin Tali Nates aus Südafrika sowie Nimi Ravindran und Shiva Pathak vom Sandbox Collective aus Indien. Das Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland wurde von der Präsidentin des Goethe-Instituts Carola Lentz in Anwesenheit von Außenministerin Annalena Baerbock verliehen. Carola Lentz blickte in ihrer Rede auf die Geschichte der seit 1955 vergebenen Goethe-Medaille in Weimar als Spiegel der Auswärtigen Kulturpolitik und auf deren gegenwärtige Relevanz. Außenministerin Baerbock würdigte in ihrem Grußwort das gesellschaftliche Engagement der Preisträger*innen.

Goethe-Medaille 2022 in Weimar Foto: Maik Schuck / Weimar

Carola Lentz hob hervor: „Mohamed Abla engagiert sich seit Jahrzehnten in der ägyptischen Kulturszene für Verständigung, und Meinungsfreiheit. Tali Nates hat mit dem Johannesburg Holocaust & Genocide Centre einen zentralen Ort der Erinnerung geschaffen, der nach den Wurzeln des Holocausts und des Genozids in Ruanda fragt und auslotet, was wir daraus mit Blick auf aktuelle Menschenrechtsfragen lernen können. Nimi Ravindran und Shiva Pathak setzen sich kritisch mit Konzepten von Identität und Inklusivität auseinander und kämpfen für eine freie, mitfühlende und gleiche Gesellschaft. Alle vier Preisträgerinnen und Preisträger sind mutige Vorkämpfer in ihrer eigenen Gesellschaft, und sie stiften produktive Verbindungen mit engagierten Kulturakteuren weltweit. Sie stehen für die Hoffnung, dass internationaler Kulturaustausch auch in schwierigen Zeiten zu einer humaneren Zukunft beiträgt. Ich wünsche mir sehr, dass die Verleihung der Goethe-Medaille ihre Arbeit ermutigt und beflügelt.“

Außenministerin Annalena Baerbock betonte: „In Zeiten, in denen russische Raketen Museen und Theater in der Ukraine in Schutt und Asche legen und Autokratien weltweit gesellschaftliche Freiheiten einschränken, muss Auswärtige Kulturpolitik weiterhin fester Bestandteil unserer Außenpolitik sein. Freie Kunst und Medien sind der Herzschlag einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft. Deswegen ehren wir heute mit der Goethe-Medaille vier Kulturschaffende, die sich in ihren Ländern genau diesem Ziel verschrieben haben – unter anderem durch Erinnerungsarbeit mit Blick auf den Holocaust, durch Engagement für den Schutz von Künstlerinnen und Künstlern und durch den Einsatz für die Rechte der queeren Community.“

Der Thüringische Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten Benjamin Immanuel Hoff und der Oberbürgermeister Peter Kleine sprachen ebenfalls Grußworte zum Festakt.

Der Islamwissenschaftler und Schriftsteller Stefan Weidner hielt die Laudatio auf Mohamed Abla und würdigte darin die Besonderheit seiner künstlerischen Arbeit: „Mohamed Ablas Werk ist eines, das im ständigen Dialog mit den Umständen, mit der Zeit entsteht, das Antworten sucht, Resonanzen gewährt und, gerade in seinen Brechungen ein Spiegel ist, kein Megaphon, in das ein aufgeblasenes Ego hineinbrüllt und allen seine Weltsicht unterjubeln will. Das Werk, das Mohamed Abla malt, formt und bildet, hat für mich eine epische Qualität. (…) Ich lese daraus Ägypten und das südliche Mittelmeer, Afrika, den Nahen Osten, dazu Echos und Klänge aus Europa. Ich lese daraus die Ägypterinnen und Ägypter, ihre Zeit, ihre Politik, ihren Widerstand, ihr Durchhaltevermögen, ihre Stimmungen, Ängste, Hoffnungen. Ihre Wut und ihre Liebe.“ Mohamed Abla betonte: „Geschichten sind zentral für meine Arbeit. Sie sind das, was meine Kunst ausmacht und mich dazu bewegt, zu malen. Ein Satz, eine Metapher, ein Witz – die Geschichten dahinter inspirieren mich.“

Die Konfliktforscherin und Politologin Annette Weber hob in ihrer Laudatio auf Tali Nates hervor: „In ihrer wissenschaftlichen, persönlichen und kuratierenden Arbeit zum Holocaust und Genozid im 20. Jahrhundert bringt Tali Nates eine zentrale Perspektive ein, die diese Geschichte über Deutschland und Europa hinausdenkt, und das globale Nachwirken der Shoah aufweist. (…) Die Aufgabe, die sie und das Johannesburg Holocaust & Genocide Centre sich stellen ist wahrzunehmen, dass Taten massiver Gewalt ihr Ende keineswegs mit der Jahrhundertwende gefunden haben, und sich genau deshalb einem lebendigen ‚Nie Wieder‘ zu widmen – um aus der Erinnerung eine Handlung für die Gegenwart zu entwickeln.“ Tali Nates unterstrich: „Sich engagieren, das war für mich persönlich wichtig, für uns alle. (…) Ich bin die Kerze der Erinnerung, halte das Gedenken an meine Familie wach. Dieses Zentrum, das Johannesburg Holocaust & Genocide Centre, ist auch eine Art Vermächtnis, darauf bin ich sehr stolz, für die Ermordeten und die Überlebenden. Es entstand aus Leidenschaft für die Geschichte und um aus der Geschichte zu lernen.“

Die Kommunikationsberaterin und Moderatorin Prasanna Oommen machte in ihrer Rede auf das Theaterkollektiv Sandbox Collective deutlich: „Verbindendes Element all ihrer Tätigkeiten ist ihre Haltung. Sie haben sich entschieden, die Erzählung über die zeitgenössische künstlerische Produktion in Indien nicht denjenigen zu überlassen, die ein zunehmend nationalistisches und hetero-normatives Narrativ verbreiten. Diese Auszeichnung ist also nicht nur eine Anerkennung der Arbeit des Sandbox Collective, sondern sendet darüber hinaus ein wichtiges Signal. Für alle Kulturschaffenden, die sich für mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Augenhöhe, nicht nur in repressiven Systemen, sondern auch in einem durch-kapitalisierten oder auch elitär-eurozentristischen Kunstmarkt einsetzen.“ Nimi Ravindran und Shiva Pathak vom Sandbox Collective stellten heraus: „Uns geht es nicht um Hierarchien, sondern um Beziehungen. Wir knüpfen Langzeitbeziehungen in unserer Stadt, unserem Land, sonstwo auf der Welt. Am besten beschreibt man unsere Projektarbeit mit dem Begriff ‚cross pollination‘, es ist eine Art ‚kreative Kreuzbestäubung‘. (…) Was wollen wir? Eine Welt, in der wir frei sind, in der Künstlerinnen und Künstler sich ausdrücken können, ohne Angst, festgenommen zu werden für das, was sie sagen, singen oder tanzen – gleichberechtigter, inklusiver, mitfühlender.“

Der Festakt zur Verleihung der Goethe-Medaille wurde begleitet von Filmporträts der Preisträger*innen, die von der Deutschen Welle in Kooperation mit dem Goethe-Institut produziert wurden. Sie sind ab sofort auf dem Youtube-Kanal des Goethe-Instituts zu sehen: Goethe-Institut – YouTube

Studierende des UNESCO-Lehrstuhls für Transcultural Studies der Musikschule Franz Liszt haben eigens für den Festakt komponierte Stücke aufgeführt.

Quelle: Pressemitteilung


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