Jean-Claude Izzo – Chourmo (Buch)


Jean-Claude Izzo – Chourmo (Buch)

Fabio Montale ermittelt wider Willen

Chourmo
© Unionsverlag

Es ist ein Jahr her, dass Fabio Montale den Job als Vorstadtbulle in den nördlichen Stadtteilen von Marseille geschmissen hat. Die damaligen Ereignisse (nachzulesen in „Total Cheops“) und die zahlreichen Toten aus seinem persönlichen Umfeld gaben den Ausschlag. Doch schon droht sich die Geschichte zu wiederholen, denn nach über zehn Jahren erhält er überraschend Besuch von seiner Cousine Gélon, deren jüngster Sohn Guitou verschwunden ist. Er ist wohl nach Marseille ausgerissen, um sich mit seiner Freundin Naima zu treffen, was bei sich zu Hause nicht möglich war, denn Gélons Mann mag keine Araber.

Man war chourmo. Man ruderte in derselben Galeere! Um rauszukommen. Zusammen.

Montale möchte seiner Cousine helfen und erwartet einen denkbar einfachen Fall, wobei er sich einmal mehr täuschen wird. Auf dem Weg zu Naimas Familie wird er Zeuge, wie der frühere Streetworker, sein Freund Serge, aus einem Auto heraus mit drei Schüssen ermordet wird. Kommissar Pertin übernimmt den Fall, doch der Montale wegen seiner ausländerfeindlichen Ansichten verhasste Kollege, macht nicht den Eindruck, als würde er dem Fall besonders viel Aufmerksamkeit widmen. Was den Lesern bis dahin bereits klar ist, erfährt Montale wenig später: Guitou, Sohn der Cousine, wurde erschossen, da er beim Treffen mit Naima einem Mörder in die Quere kam, der ein Attentat auf den Historiker Hocine Draoui verübte. Dieser erhielt Morddrohungen der Islamischen Heilsfront FIS, zu der auch Naimas tief religiöser Bruder Redouane Kontakte hat.    

Preisgekrönter zweiter Teil der Marseille-Trilogie

Die Marseille-Trilogie („Total Cheops“, „Chourmo“ und „Solea“) erschien in Frankreich in den Jahren 1995, 1996 und 1998. Erst mit fünfzig Jahren fing Izzo (Jahrgang 1945) an zu schreiben, im Jahr 2000 verstarb er bereits. „Chourmo“, der Mittelteil, erhielt neben anderen Auszeichnungen den Deutschen Krimipreis 2001.

Erneut breitet Izzo einen vielschichtigen Plot vor der Kulisse der französischen Hafenstadt aus, die sich in zwei Hälften teilt. Jene der Marseiller und jene der Migranten, wobei Letztere in trostlosen Betonwüsten leben und wenig bis gar keine Perspektiven haben. Da kann schon mal Langeweile und Frust hochkochen, ein daraus resultierender Hang zur Kriminalität, um mal ein Stück vom Kuchen abzubekommen, nicht ausgeschlossen. Oder man radikalisiert sich, der Islam bietet entsprechende Möglichkeiten. Doch neben dem radikalen Islam, der ausführlich und hinsichtlich seiner möglichen Ursachen durchaus ambivalent thematisiert wird, zieht Marseille eine weitere, ebenfalls äußerst gefährliche Gruppe an.

Worum dreht sich die Welt, Loubet? Um Geld. Und wer hat am meisten Geld? Die Mafia. Weißt du, auf welchen Umfang der Drogenhandel weltweit geschätzt wird? Auf 1,65 Milliarden Francs im Jahr. Das ist mehr als der Welterdölmarkt! Fast das Doppelte.

Izzo bietet in „Chourmo“ einen Plot an, der jenem in „Total Cheops“ gewaltig ähnelt. Montale gerät in mehrere Mordfälle an Personen, die zu seinem privaten Umfeld gehören und stößt dabei auf gewichtige Gegenspieler, welche auch in den Reihen der Polizei nicht auszuschließen sind. Hauptunterschied zum ersten Teil: Montale ist kein Polizist mehr, was ihn allerdings umso mehr zu Alleingängen anregt. Sehr zum Leidwesen seines Freundes Kommissar Loubet. Sein Verhältnis zu Frauen erweist sich einmal mehr als schwierig, denn wenngleich ihm mehrere gefallen, will es nicht so richtig klappen. Es scheint verhext. Immerhin kann er zahlreiche Gläser Pastis, Cognac und Lagavulin sowie herrliche Speisen mit Meeresfrüchten genießen; wenn er sich nicht gerade in Gefahr begibt. Die beiden Fälle, der Mord an Serge und jene an Guitou und Draoui, bieten Platz für reichlich Spekulationen und zudem einige überraschende Wendungen. Trotz aller Probleme, die sich in Marseille auftürmen, vor allem Gewalt, Islamismus und Rassismus, kann Izzo dennoch nie verhehlen, dass er die Stadt liebt. 

Marseille hatte den Algeriern nie dafür gedankt. Frankreich auch nicht. Gleichzeitig unterdrückten andere französische Offiziere mit Gewalt die ersten Anzeichen einer Unabhängigkeitsbewegung in Algerien. Auch die Massaker von Sétif, bei denen weder Frauen noch Kinder verschont wurden, waren vergessen … Wenn es uns gelegen kommt, verfügen wir über ein sehr kurzes Gedächtnis …

Abschließend sei der Hinweis erlaubt – Achtung Schleichwerbung -, dass der Unionsverlag eine Gesamtausgabe herausgegeben hat, die alle drei Titel zu einem fairen Preis enthält.

  • Autor: Jean-Claude Izzo
  • Titel: Chourmo
  • Originaltitel: Chourmo. Aus dem Französischen von Katarina Grän und Ronald Voullié
  • Verlag: Unionsverlag
  • Umfang: 272 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: 1996 in der Originalausgabe
  • ISBN: 978-3-293-20187-3
  • Produktseite


Wertung: 13/15 dpt

 

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