Herbert Pelzer – Niemand (Buch)
Kaum Hoffnung für Niemand
Der Stallknecht Johannes Kreutzer findet Ende des Jahres 1899 ein ausgesetztes Findelkind in einem Waldstück und nimmt es mit in sein Dorf. Dort wird es bei dem Tagelöhner Gerald Kroppen untergebracht, dessen jüngstes Neugeborenes kürzlich im Kindbett verstarb. Zwölf Kinder in sechzehn Jahren, drei davon verstarben früh, doch für eine Mark aus der Armenkasse nimmt sich das Ehepaar Kroppen des Kindes an, welches auf den Namen Martin Niemand getauft wird.
Martin hat kein schönes Leben, denn die Kroppens leben in bitterer Armut, das wenige Geld versäuft der Vater, der sich sein Elend nicht nur wegtrinkt, sondern durch tägliche Gewalt gegenüber seiner Frau und den Kindern verdrängt. Ein Jahr darf Martin zur Schule, danach ist harte Feldarbeit angesagt; den Lohn kassiert der Ziehvater. Dann beginnt er eine Tätigkeit als Ziegenhirte, macht sich gut, aber ein Sturz von einem Baum sorgt für ein kaputtes Bein und das Ende seiner Arbeit. Glück im Unglück, denn der im Dorf tätige Schuster bietet ihm eine Ausbildung an und sein kaputtes Bein sorgt zudem dafür, dass er nicht als Kanonenfutter in den Krieg muss.
1926, das große Glück. Eine neue Haushaltshilfe namens Anneliese soll dem Schuster zur Hand gehen. Ein Jahr später ist Hochzeit, 1928 wird Kaspar geboren. Dieser wird 1944 als Luftwaffenhelfer eingesetzt, da ist er nicht einmal sechzehn Jahre alt. Als er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, hat das Familienglück seines Vaters bereits ein brutales Ende gefunden. Eine Panzersprenghaube schlug kurz vor Kriegsende ein und begrub die gesamte Familie.
Kaspar hat ebenfalls ein schweres Leben, zumal seinem Vater der Ruf eines Totschlägers hinterhereilt. Kaspar macht Geld in Form von Zigaretten auf dem Schwarzmarkt, später arbeitet er in einer Fabrik und in einer Brauerei. Alkohol und Pervitin werden seine ständigen Begleiter, am besten verdient er als Zuhälter von Rosi. Nachdem unmittelbar vor seiner Haustür ein Nachbar ermordet wird, verdächtigt ihn die Polizei. Wie der Vater so der Sohn?
Zwei Generationen, zwei Biografien, wenig Licht
Herbert Pelzer, der mit seinem Kriminalroman (oder Kriminalerzählung) „Es wird jemand sterben“ zu überzeugen wusste, liefert hier die Biografie zweier Männer, die recht unterschiedlich mit ihren schwierigen Lebensverhältnissen umgehen. Martin ist bemüht, durch ehrliche Arbeit ein Familienleben aufzubauen, während Kaspar immer auch auf der kriminellen Seite beheimatet ist. Beide erleben zahlreiche Tiefschläge, sei es durch die Gemeinschaft ihres namenlosen Dorfes, welches zwischen den Braunkohlerevieren und den nördlichen Ausläufern der Eifel zu verorten ist, oder später durch die Polizei, deren eifriger Hauptermittler erst gar nicht in Erwägung zieht, dass jemand anderes als Kaspar der Mörder sein könnte.
Vor allem im ersten Teil „Die erste Generation“ beschreibt Pelzer den Lebensweg von Martin vor dem Hintergrund der politischen Lage der Nation. Allerdings ohne zu sehr ins Detail zu gehen, sondern so dezent, wie es ein einfacher Dorfbewohner womöglich mitbekommen haben könnte. Das Unheil der Weimarer Republik, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg werden nur schemenhaft skizziert, sind aber gerade dadurch immer präsent. Man weiß ja wie es war oder könnte es zumindest wissen.
Die Charakterstudien von Martin und Kaspar Niemand sind eindringlich. Man leidet mit den beiden Protagonisten, wobei Martin recht sympathisch rüberkommt, während der zu Alkohol und Pervitin neigende, mitunter aufbrausende Kaspar seine Situation einfach als gegeben hinnimmt. Der Wille etwas zu ändern ist bestenfalls marginal vorhanden, wobei es ihm sein Umfeld, welches ihn oft provoziert, auch nicht einfach macht.
Autor: Herbert Pelzer
- Titel: Niemand
- Verlag: KBV
- Umfang: 350 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Juni 2022
- ISBN: 978-3-95441-608-0
- Produktseite
Wertung: 11/15 dpt