Willkommen in Siegheilkirchen – Der Deix-Film (Animation, Kino)


Willkommen in Siegheilkirchen – Der Deix Film

Liest man den Titel “Willkommen in Siegheilkirchen” schreckt man anfangs vielleicht kurz zurück. Ist es gar ein AfD-Propagandafilmchen oder die x-te Doku über Adolf Hitler? Mitnichten. Es handelt sich damit um einen abendfüllenden Animationsfilm aus Österreich, welche die skurillen und schrulligen Charaktere des verstorbenen Cartoonisten Manfred Deix zum Leben erweckt. 

Österreich, irgendwann in den 1960er Jahren. Ein Rotzbub erblickt die Welt und eine grantige Hebamme. Schon der Beginn des Films vermochte ein spitzbübisches Schmunzeln auf meine Lippen zu zaubern. “Guck mal wer da spricht”, war dagegen ein Kindergeburtstag anno dazumals.

Die Zeichnungen des Rotzbuben missfallen dem Pfarrer.

Der Rotzbub, welcher übrigens im gesamten Film so genannt wird, ist Sohn des hiesigen Dorfwirtes, wo sich Jedermann trifft und dem Alkohol frönt. Zu den Stammgästen zählen die Ewiggestrigen und der besoffene Dorfgendarm. Während der einarmige Vater des Buben seinem Sprössling durchaus das ein oder andere durchgehen lässt, ist die Mutter strenger – schließlich muss der Junge irgendwann das Gasthaus übernehmen. Doch eben dieser hat eigentlich andere Pläne, er möchte Künstler werden (Parallelen erkennbar?). 

So fertigt er explizite Zeichnungen der neuen Fleischhauergehilfin, welche in weiterer Folge von seinen beiden Freunden, weiterverkauft werden. Auch dem Sohn der Bürgermeistergattin, welcher aber zufälligerweise dem Pfarrer wie aus dem Gesicht geschnitten sieht.

Richtig Aufruhr im Dorf entsteht allerdings erst, nachdem ein neues Lokal eröffnet, Roma-Frauen Teppiche verkaufen, der Rotzbub sich in die junge Mariolina verliebt und das neue Ortsbild (also tatsächlich ein Gemälde am Rathaus) enthüllt werden soll.

Ideengeber für diesen Animationsfilm war der österreichische Karikaturist Manfred Deix. Der Kettenraucher und Katzenliebhaber zeichnete ungeniert wie er die Österreicher*innen sah – und wie sie auch meist tatsächlich sind: dem Neuen nicht aufgeschlossen, dem Alkohol und der nächstbesten Frau sehr zugetan, (schein-) heilig. Auch Politiker, und da der ebenfalls verstorbene Rechtspopulist Jörg Haider, waren immer wieder Thema seiner Zeichnungen. Dabei überschritt der Niederösterreicher oftmals Tabugrenzen, wenngleich die eigentliche Message hinter den Bildern eine durchaus kritische, anklagende war. Der unverkennbare Stil konnte zwar im Animationsfilm nicht 1:1 übertragen werden. Dennoch ist klar ersichtlich, woher die Vorlagen kamen. Aufmerksame Zuseher*innen werden auch die ein oder anderen Werke und vor allem Katzen erspähen können.

Qualitativ braucht sich “Willkommen in Siegheilkirchen – Der Deix-Film” (oder “Rotzbub” wie er in Österreich veröffentlicht wurde) nicht vor internationalen Produktionen verstecken. Der grafische Stil ist hochwertig, nur ganz wenige Animationen wirken etwas holprig. Die musikalische Untermalung ist immer stimmig und die Sprecher*innen, hauptsächlich bekannte österreichische Künstler*innen, machen ihre Arbeit souverän und auf die jeweilige Figur zugeschnitten.

Nachdem das Filmprojekt schon einige Jahre in Produktion war, konnte Deix noch zu Beginn das Drehbuch abnehmen. Aufgrund der Corona-Pandemie samt der zahlreichen Lockdowns startete der Film Ende März in Österreich und Anfang Juli in die deutschen Kinos.

Voller Entsetzen wird das neue Ortsbild enthüllt.

Wichtig zu erwähnen ist jedenfalls, dass man diese Art des tiefschwarzen Humors mögen, respektive verstehen muss. Klar wird hier nicht mit Fäkalausdrücken und Sexismus gegeizt und bitterböse über Politik und Religion hergezogen. Deix damals und das Filmteam jetzt, halten der Gesellschaft allerdings den Spiegel der unbequemen Wahrheit vors Gesicht. Natürlich nicht verallgemeinert und überzeichnet, doch während vielleicht beim Ansehen des Films gelacht wird, ob dieser Szenen, fühlt man sich vielleicht im Inneren doch peinlich berührt.

Fazit: “Willkommen in Siegheilkirchen – Der Deix-Film”, respektive “Rotzbub”, bringt die bissige, teils vulgäre Gesellschaftskritik von Manfred Deix irrwitzig auf die große Leinwand. Die Coming of Age-Geschichte des Rotzbuben ist zwar nicht wahnsinnig innovativ, die Liebe zum Detail der Macher aber umso intensiver.

  • Titel: Willkommen in Siegheilkirchen – Der Deixfilm
  • Originaltitel: Rotzbu
  • Produktionsland und -jahr: AT, 2021
  • Genre: Animation
    Satire
    Komödie
  • Erschienen: 24.03.2022 (AT)
    01.07.2022 (DE)
  • Label: Pandora Film
  • Spielzeit: 85 Minuten
  • Sprecher: Markus Freistätter
    Wolfgang Böck
    Armin Assinger
    Adele Neuhauser
    Katharina Straßer
    Gerti Drassl
  • Regie: Marcus H. Rosenmüller
    Santiago López Jover
  • Drehbuch: Martin Ambrosch
  • Schnitt: Philipp Bittner
  • Musik: Gerd Baumann
  • FSK: 12
  • Sonstige Informationen:
    Produktseite


Wertung: 14/15 dpt

Bilder: Pandora Film


Schreibe einen Kommentar

Hinweis: Mit dem Absenden deines Kommentars werden Benutzername, E-Mail-Adresse sowie zur Vermeidung von Missbrauch für 7 Tage die dazugehörige IP-Adresse, die deinem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, in unserer Datenbank gespeichert. E-Mail-Adresse und die IP-Adresse werden selbstverständlich nicht veröffentlicht oder an Dritte weitergegeben. Du hast die Option, Kommentare für diesen Beitrag per E-Mail zu abonnieren - in diesem Fall erhältst du eine E-Mail, in der du das Abonnement bestätigen kannst. Mehr Informationen finden sich in unserer Datenschutzerklärung.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ähnliche Beiträge

Du möchtest nichts mehr verpassen?
Abonniere unseren Newsletter!

Total
0
Share