Marianne Nolde – Elf Tage und ein Jahr (Buch)

Blauer Himmel mit Mohnblummen. Blaue, große Schrift: Elf Tage und ein Jahr. In kleinerer Schrift: Über das Abschiednehmen von meiner Mutter. Autorin: Marianne Nolde.
© Pinguletta

Marianne Nolde – Elf Tage und ein Jahr

Sich mit dem Tod zu beschäftigen ist schwierig: In Filmen wird Tod immer so dramatisch, aber gleichzeitig auch steril, dargestellt. Im Alltag wird dieses Thema “todgeschwiegen”  und kommt erst mit vierzig wieder auf, wenn Versicherungen und das eigene Erbe thematisiert wird.

Wie komisch unser Umgang mit dem Tod ist, zeigt sich, wenn wir über unseren Tellerrand hinausschauen: In lateinamerikanischen Bräuchen und Festen werden der Tod und die toten zelebriert und in ostasiatischen Kulturen finden wir Ahnenkulte. Wir übersehen, wie befreiend es sein sich mit dem Tod zu beschäftigen – nicht nur, weil so der Druck genommen wird, ständig produktiv sein zu müssen oder die Angst davor zu verlieren, unser Leben so zu leben, wie wir es wirklich wollen – sondern ganz pragmatisch, indem wir uns auch mit unserer eigenen Beerdigung beschäftigen, um uns und unseren Lieben den Abschied zu erleichtern.

Weil Tod eben noch ein Tabu-Thema ist, hat mir “Elf Tage und ein Jahr” so sehr gefallen.

“Elf Tage und ein Jahr” von Marianne Nolde wurde 2022 wurde durch den Pinguletta-Verlag veröffentlicht und zeigt einfühlsam, wie es für Nolde war, ihre Mutter beim Sterben zu begleiten.

Nolde erfährt, dass ihre Mutter aufgrund eines Tumors bald sterben wird. Statt den Kopf zu verlieren, verzweifelt lebensrettende Maßnahmen zu erzwingen oder die nicht-immer-perfekte Beziehung im letzten Atemzug retten zu wollen, begleitet Nolde ihre Mutter einfühlsam auf ihrem Weg. Um das zu tun, hat sie jederzeit versucht, die Wünsche und Bedürfnisse ihrer Mutter zu berücksichtigen – was auch bedeutete, fünf Euro aus einer Jackentasche zu retten.

Während der letzten Tage konnte Nolde viel Neues lernen – insbesondere über ihre Mutter, an der sie neue Eigenarten und Eigenheiten wertschätzen konnte, aber auch neue Perspektiven auf das Leben selbst. Der Tod war für sie nämlich keine schlechte oder beängstigende Erfahrung – die Begleitung ihrer Mutter war für Nolde eine Zeit, in der sie sich neu sammeln konnte und sogar Muße fand.
Gerade dieser friedliche und scheinbar selbstverständliche Umgang mit diesem sonst “zu Tode” verschwiegenen Thema und die Ergänzung durch Fachliteratur macht dieses Buch so wertvoll für mich: Der Tod wurde nicht als böse, unfair, schrecklich oder schmerzlicher Schicksalsschlag dargestellt, sondern als natürlicher und auch friedlicher Prozess. Trotzdem wurde der Tod oder der Sterbensprozess nie beschönt – beides wurde einfach als normal dargestellt.

Natürlich war aber nicht alles perfekt – Nolde geriet auch durch ihre Sorge und Begleitung ihrer Mutter an ihre Körperlichen Grenzen, weswegen sie bald ihre Aufgabenlast abgeben musste. Auch kam es zu Situationen, in denen sie das Gefühl hatte für ihre Mühen nicht wertgeschätzt zu werden. Trotzdem war es für sie möglich viel Positives aus dieser Erfahrung zu ziehen und ihren Frieden mit ihrer Mutter zu finden.

Aber es wurden auch andere schwierige Themen angeschnitten – darunter die Frage, ob es schlimmer sei, jünger als älter zu sterben und ob der Tod nachhaltig gestaltet werden kann.

Das alles zusammengenommen macht “Elf Tage und ein Jahr” zu einem Buch, das unbedingt gelesen werden muss. Empathievoll wird einem die Angst vor einem Thema genommen, um das sich so viele Irrtümer und Gruselgeschichten ranken. Nolde zeigt, dass Sterben natürlich und nicht immer so grausam und theatralisch ist, wie man es ständig in Film und Fernsehen erlebt.

Aber auch ganz pragmatische Themen werden angesprochen: Darunter die Suche nach einem vertrauenswürdigen Bestatter und einem geeigneten Friedhof.

Deswegen empfehle ich “Elf Tage und ein Jahr” an alle weiter – Punkt.

Krank sein ist natürlich. Altern ist natürlich. Sterben ist natürlich. Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen sollte es auch sein – gerade, wenn wir so leben, als würde es keinen Morgen geben, um so viel zu produzieren und konsumieren wie möglich.

  • Autor: Marianne Nolde
  • Titel: Elf Tage und ein Jahr
  • Verlag: Pinguletta
  • Erschienen: 2022
  • Einband: Paperback
  • Seiten: 232
  • ISBN: 978-3948063252
  • Sonstige Informationen:
  • Produktseite
  • Erwerbsmöglichkeiten


    Wertung: 12/15 dpt

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