John Harvey – Verführung zum Tod (Buch)


John Harvey – Verführung zum Tod (Buch)

Start der mehrfach prämierten Charlie-Resnick-Reihe

Verführung zum Tod
© dtv

Eine nächtliche Einbruchserie führt zu einer Haus-zu-Haus-Befragung, bei der die Polizisten in einem Fall auf eine offene Hintertür stoßen. Kurz darauf entdecken Sie die Leiche von Shirley Paters, die offensichtlich sexuell missbraucht und erwürgt wurde. Eine Befragung der Mutter liefert den vermeintlichen Täter frei Haus, denn demnach kann es sich nur um ihren Exfreund Tony handeln. Die beiden trennten sich vor eineinhalb Jahren alles andere als einvernehmlich, Tony wollte Shirley unbedingt zurück, bedrohte sie laut mehreren Zeugen mehrfach öffentlich. Vor einem Jahr bewirkte Shirley eine einstweilige Verfügung, doch diese verpuffte weitgehend, da Tony neun Monate wegen schweren Einbruchs einsaß. Seit kurzer Zeit ist er wieder frei und wurde erst vor zwei Tagen in Shirleys Straße gesehen.

Wenn wir uns die Videos angesehen haben, die die Spurensicherung aufgenommen hat, werde ich den Inspector bitten, uns die Hintergrundinformationen zu liefern. Zweifellos werden Sie dann auch Fragen stellen wollen.“
„Na klar. Zum Beispiel, wo bleibt der verdammte Kaffee? Wann ist hier endlich Schluss, damit wir einen trinken gehen können? Die Pubs machen um elf auf.

Für Detective Inspector Charlie Resnick ist die Sachlage klar, wenngleich Tonys Anwältin protestiert, zumal ihr Mandant ein Alibi habe. Ein geplanter Einruch, zusammen mit zwei anderen Männern. Einige Tage später wird Mary Sheppard, Mutter von zwei kleinen Kindern, brutal erschlagen in ihrem Garten aufgefunden. Zwei alleinstehende Frauen in etwa gleichem Alter, beide sexuell aktiv und in der gleichen Stadt ermordet. Ein Zufall zu viel für Resnick, der sein Team mit Hochdruck arbeiten lässt. Dabei stoßen die Ermittler auf eine vielversprechende Spur, denn offenbar suchten beide Frauen neue Männerbekanntschaften durch Zeitungsannoncen.

Einer der besten 100 Krimis des 20. Jahrhunderts?

John Harvey, Jahrgang 1938, genießt in England hohes Ansehen, sein Erfolg und Bekanntheitsgrad in Deutschland könnten hingegen größer sein. Elf Romane umfasst seine Charlie-Resnick-Reihe, in deren Mittelpunkt ein übergewichtiger und privat eher unorganisierter Protagonist steht. Vor einigen Jahren ging seine Ehe in die Brüche, seitdem lebt er zusammen mit seinen vier Katzen, was teilweise erklären mag, warum er manchmal Probleme mit einer korrekten Kleiderordnung hat. Den ersten Band seiner erfolgreichen Reihe „Verführung zum Tod“ kürte die englische „Times“ zu einem der besten Kriminalromane des vorigen Jahrhunderts. Gewiss Geschmacksache, doch ist die Resnick-Reihe durchaus noch immer lesenswert.

Immer noch wurden Leute vernommen, die in der Lokalzeitung Bekanntschaftsanzeigen aufgegeben hatten, und das lief nicht ohne Peinlichkeiten ab. Vermeintliche Playboys entpuppten sich als Sozialhilfeempfänger; die Sekretärin der Müttervereinigung bewahrte die Fotos, die sie in Antwort auf „Heiße Blondine sucht Mann, der das Feuer löschen kann“ erhalten hatte, zwischen den Seiten ihrer Bibel auf.

Neben dem leicht schrulligen Ermittler bietet der Plot grundsolide Krimi-Hausmannskost made in England. Es wird bei unzähligen Gelegenheiten Tee getrunken, das nächste Pub ist nicht weit und dank einem knappen Dutzend Polizeibeamten wimmelt es nur so von unterschiedlichen Dienstgraden. Dabei bilden die Ermittler einen ziemlich bunten Haufen und nicht alle machen den Eindruck, dass sie ihrem Job gewachsen sind. Der Fall selbst ist ansprechend, wobei die Ermittlungen zunächst auf der Stelle treten. Bekanntschaftsanzeigen wollen ausgewertet, Namenslisten abgearbeitet werden. So rücken nach und nach einige Verdächtige in den Fokus der Ermittler, nicht alle auf Dauer. Derweil bietet eine parallel laufende Sidestory, in der es um einen Prozess von Kindesmissbrauch geht, Charlie die Gelegenheit, eine attraktive Sozialarbeiterin namens Rachel Chaplin kennen zu lernen, die im weiteren Handlungsverlauf zunehmend von ihrem Freund Chris bedroht wird. 

Der Spannungsbogen wird zwar bedächtig aufgebaut, nimmt aber zunehmend Fahrt auf. Für amüsante Unterhaltung sorgen zwischendurch immer wieder die Gedankengänge einzelner Figuren sowie das Unvermögen Resnicks, sich einigermaßen korrekt und sauber anzuziehen. Alles in allem ordentliche Krimikost, selbst über dreißig Jahre nach Erscheinen der Originalausgabe noch gut lesbar. Ob es für einen in die persönliche Top100 reicht, mag und muss man selbst bewerten. Allein die Auflösung, sprich die Identität des Mörders dürfte nicht für viele schwer zu erraten sein und das eigentliche Finale dürfte dazu führen, dass der Titel förmlich durch die letzte Seite den Einzug in die angesprochne Top100 womöglich doch eher verfehlt.

  • Autor: John Harvey
  • Titel: Verführung zum Tod
  • Originaltitel: Lonely Hearts (1989). Aus dem Englischen von Mechthild Sandberg-Ciletti
  • Verlag: dtv
  • Umfang: 393 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Januar 2009
  • ISBN: 978-3-442-41453-6


Wertung: 11/15 dpt

 


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