Doppeltes Spiel – Film
Dass die Regisseure und Drehbuchautoren Colin und James Krisel immense Hitchcock-Bewunderer sind, betonen sie im anekdotischen Audiokommentar explizit. Dabei wäre dies gar nicht nötig gewesen, so deutlich versucht “Doppeltes Spiel” auf Alfred Hitchcocks Spuren zu wandeln. Nehmen wir das Fazit vorweg: Bemüht und redlich, aber nicht sonderlich überzeugend.
Es ist die beliebte Geschichte eines unschuldigen Mannes, der ins Visier feindlicher Kräfte gerät und gleichzeitig der eigenen Wahrnehmung misstraut. Glaubt er doch seine tote Freundin, kosmetisch verändert, in einer Fremden zu erkennen. “Der unsichtbare Dritte” und “Vertigo” lassen grüßen. Von ganz, ganz weit weg.
Der Mittdreißiger Sam Pivnic arbeitet in einer Pariser Bar. Dorthin ist er geflüchtet, nachdem seine Freundin Georgia erschossen wurde, sein Häuserblock explodierte, und er selbst ins Visier von Gangstern und der Polizei geriet. Dabei war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort und machte eine falsche Handbewegung am Fenster zum Hof.
Zwei Jahre später glaubt er in einem Filmausschnitt die mutmaßlich ermordete Georgia in der Darstellerin Lauren wiederzuerkennen, erblondet und bei bester Gesundheit. Allen Risiken zum Trotz begibt sich Sam nach Los Angeles, um die Schauspielerin zur Rede zu stellen. Hilfe bekommt er von Kat Zaro, der Schwester eines ehemaligen Schulfreundes, Ärger droht von der Verbrecherbande, die bereits einmal versucht hatte, Sam zu exekutieren.
Es entwickeln sich ein paar kleinere Psychoscharmützel, später größere mit Schusswaffengebrauch. Am Ende wartet ein Strand bei Sonnenaufgang. Oder Sonnenuntergang. Mit vermeintlich unerwarteten, aber gänzlich überraschungslosen, Neukonstellationen.
“Doppeltes Spiel” beginnt als Verwirrspiel, das sein Publikum nur mit Bruchstücken füttert, bevor sich die Hintergründe des Plots herauskristallisieren. Doch wirkt dies eher ziellos als spannungssteigernd, da die Geschichte weder sonderlich komplex noch tiefgreifend ist. Das Mysterium um Georgias Identität erledigt sich geradezu beiläufig und der Film wird im letzten Drittel zum schlichten Home-Invasion-Thriller, bei dem sich Beziehungsgeflechte von selbst entwirren und ordnen. Auffällig: Unsere vier freundlichen Protagonisten, zu Sam, Kat, Georgis gesellt sich noch Laurens Verlobter, können wesentlich besser schießen und kämpfen als die rachedurstigen Mitglieder der angeblichen ungarischen Mafia.
Zwischendurch gibt es ein paar stimmungsvolle Bilder, etwas Noir-Atmosphäre und die immer wieder sehenswerte Samara Weaving zu sehen, deren starke Präsenz aber an eine stereotype Rolle verschwendet wird. Unsere taffe Braut (“Ready Or not”), noch taffere Gamerin (“Guns Akimbo”), unbedarfte Dorfschönheit (auch das kann sie in “Three Billboards Outside Ebbing, Missouri”) und teuflische Babysitterin (“Babysitter” und Babysitter: Killer Queen”) wird zwar zuvorderst im Besetzungsfeld genannt, spielt aber bloß eine exponierte Nebenrolle. Die Hauptparts gehört Zach Avery als Sam, der solide, jedoch wenig charismatisch durchs Geschehen schlurft, und der agilen Carly Chaikin (Darlene aus “Mr. Robot”) als Kat Zaro. In kleinen Parts tauchen Brian Cox als Barkeeper und väterlicher Ratgeber sowie Udo Kier als gebeutelter Gangsterboss auf. Immer eine Freude, hier allerdings auf Sparflamme dargereicht.
Neben einigen Ausreißen nach oben bleibt der Thriller ästhetisch auf TV-Niveau, die Spannungskurve steigt milde im Verlauf, wird aber keine Herzrhythmusstörungen verursachen. Zu vorhersehbar, gemütlich und gradlinig (trotz des Tarn- und Täusch-Versuchs im ersten Drittel) läuft das Geschehen ab. Der Soundtrack zum Gewese, näher bei Cliff Martinez und 80er-Jahre John Carpenter als bei Bernard Herrmann, weiß zu gefallen.
Dass die wiederauferstandene Georgia, lediglich blondiert im angestammten Beruf als Schauspielerin reüssiert, ist eine blöde Idee, wenn man unentdeckt unter dem Radar fliegen möchte. Als ob wir Frau Weaving nicht mit allen möglichen Haarfarben und Frisuren wiedererkennen würden.
So ist “Doppeltes Spiel”, im Original mit dem wesentlich poetischeren, aber nicht besonders sinnfälligem Titel “Last Moment Of Clarity” gesegnet, ein wenig inspirierter Thriller in viel zu großen Fußstapfen (neben Hitchcock wird auch David Lynch bemüht und verdreht die Augen), geeignet für einen verregneten Sonntagnachmittag und den geneigten Samara Weaving-Fan mit langem Geduldsfaden.
Der Audiokommentar des federführenden Brüderpaares passt sich dem Geschehen an, ist freundliches Geplauder über Filme, Dreharbeiten, Begebenheiten vor Ort und ein wenig Selbstbeweihräucherung. Interessant immerhin die Erwähnung, dass “Doppeltes Spiel” zwar in Paris, New York und Los Angeles spielt, aber in Norfolk, Virginia gedreht wurde.
Die spannendere Geschichte läuft abseits des Bildschirms ab: Hauptdarsteller Zach Avery wurde nach den Dreharbeiten verhaftet und wegen der maßgeblichen Beteiligung an Schneeball-Betrügereien nach dem Ponzi-System zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt. Keine Filmkarriere mehr. Ohne Knast aber vermutlich auch nicht.
Samara Weaving fand sich alsbald im als Blockbuster avisierten “Gi Joe: Snake Eyes” wieder, der aber nicht wirklich durchstartete. Wir hoffen immer noch auf Weavings Durchbruch, der hochverdient wäre.
Cover, Fotos © Koch-Media
- Titel: Doppeltes Spiel
- Originaltitel: Last Moment Of Clarity
- Produktionsland und -jahr: USA, 2020
- Genre: Thriller, Noir
- Erschienen: 29.04.22
- Label: Koch Media
- Spielzeit:
86 Minuten auf 1 DVD
90 Minuten auf 1 Blu-Ray - Darsteller: Samara Weaving
Zach Avery
Carly Chaikin
Brian Cox
Udo Kier
Karl E. Landler - Regie: Colin Krisel
James Krisel - Drehbuch: James Krisel
Colin Krisel - Kamera: Andrew Wheeler
- Schnitt: Arndt-Wulf Peemöller
- Musik: Benjamin Patrick
- Extras: Audiokommentar, Making of (ca. 7 Min.), 6 Deleted Scenes (ca. 16 Min.), Trailer
- Technische Details (DVD)
Video: 2.39:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, Dolby-Digital 5.1
Untertitel: Deutsch - Technische Details (Blu-Ray)
Video: 2.39:1 (16:9)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch, DTS-HD Master Audio 5.1 - Untertitel: Deutsch
- FSK: 16
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 8/15 dpt