Bastian Zach, „Donaumelodien – Leichenschmaus“ (Buch)
Im Bann des Aberglaubens
Wien, Stephansdom. 29. November 1876. Die Heilige Messe ist gelesen, die Gläubigen strömen in die Kälte und weichen entsetzt zurück. Gegenüber der Kathedrale hängt ein Toter am Laternenpfahl, die Augen mit Nägeln durchstochen, der Mund zugenäht und die Hände von einem Rosenkranz umschlossen. Für den Geisterfotografen Hieronymus Holstein endet damit die Suche nach einem Vermissten, doch wer hat den Mann so übel zugerichtet? Eine erste Spur führt in die Komische Oper, wo der Mann arbeitete und wo er als äußerst beliebt galt. Aber wie kam die Leiche überhaupt ungesehen auf den Stephansplatz? Gemeinsam mit dem buckligen Franz geht es in die Katakomben des Doms, eine Gruft, die sich als weitläufiges Labyrinth entpuppt. Derweil unterhält der zwielichtige Schriftsteller Jacques Louis du Chatelet, bürgerlich schlicht Jakob Schindler, die Damenwelt im Literatursalon mit einer Mischung aus Vampirroman und Schmonzette.
„Bei allem Respekt. Aber die Gedanken sind frei.“
„Die Gedanken bleiben es auch! Aber wenn Er es zu Papier bringt, dann steht Er schneller wieder vor mir, als Er das Wort „Freiheit“ wo hinschmieren kann.
Wenig später gibt es einen weiteren Toten und du Chatelet gerät selber in Verdacht, sind doch seine Schauerromane als Vorlage für den Mörder gut geeignet. Die Zeit drängt, denn bei den Menschen beginnt sich ein krankhafter Aberglaube Bahn zu brechen. Treiben Vampire, Wiedergänger und Nachzehrer ihr Unwesen in der Stadt? Schon werden nachts die ersten Leichen ausgegraben, um den Toten sicherheitshalber einen finalen Schlag zu versetzen.
Kongeniale Fortsetzung der „Donaumelodien“
Nach „Praterblut“ (2020) und „Totentaufe“ (2021) ist „Leichenschmaus“ der bereits dritte Teil der lesenswerten Reihe, in der der Geisterfotograf Hieronymus Bosch mit seinem Freund, dem „buckligen Franz“, einem ehemaligen Mönch, auf Verbrecherjagd geht. Selbstredend sind die bekannten Nebenfiguren wieder am Start, allen voran Anezka, deren Mann vor zweieinhalb Monaten starb und ihr nun wiedererscheint, sowie Polizeipräsident Wilhelm Marx, der einmal mehr auf die beiden Helden setzen muss, und nicht zu guter Letzt der Leichenbeschauer Salomon Stricker, dem Hieronymus in herzlicher Abneigung verbunden ist. Nach wie vor sind die galligen Dialoge zwischen den beiden eines der Highlights der Serie. Und dann wäre da immer noch die Frage nach Karolina. Ob die große Liebe von Hieronymus damals wirklich starb?
Wer nun Bedenken hat, dass Autor Bastian Zach allzu sehr ins Okkulte oder Übernatürliche abdriften könnte, kann unbesorgt sein. Es geht ganz normal zu, nur, dass das einfache Volk dies nicht immer so erkennen mag. Der Krimiplot ist ordentlich, wenngleich sich die beiden Protagonisten recht häufig einer größeren Gefahr aussetzen, was zwar der jeweiligen Situation geschuldet sein mag, gleichwohl etwas übertrieben konstruiert wirkt. Zur Not kann man seine Wunden aber bei Anezka heilen; wahlweise in deren Bettstatt, die für Franz bereits zur Gewohnheit geworden ist, oder bei einer Flasche Sliwowitz, von denen Anezka unerschöpfliche Vorräte zu haben scheint.
Wie gewohnt spielt die Handlung vor der bildhaften Kulisse der Stadt Wien, deren Geschichte immer wieder aufblitzt. Im vorliegenden Fall geht es vor allem um den Stephansdom, dessen unterirdische Katakomben, die Komische Oper und den Zentralfriedhof. Zahlreiche Gasthäuser wollen ebenfalls besucht werden und runden den atmosphärischen Gesamteindruck stimmungsvoll ab.
Kurz: Krimi trifft Geschichte mit zwei ungewöhnlichen Ermittlern.
Rezensionen zu den anderen „Donaumelodien“ gibt es hier:
- Autor: Bastian Zach
- Titel: Donaumelodien – Leichenschmaus
- Verlag: Gmeiner
- Umfang: 316 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: April 2022
- ISBN: 978-3-8392-0125-1
- Sonstige Informationen:
- Produktseite
Wertung: 12/15 dpt