Hartmut Palmer – Verrat am Rhein (Buch)
Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Willy Brandt
Seit einigen Jahren arbeitet der einstmals gefürchtete Enthüllungsjournalist Kurt Zink freiberuflich. Damals, in den 1970er Jahren, war er in Bonn als politischer Korrespondent tätig und erlebte den Misstrauensantrag gegen den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt hautnah mit. Der CDU-Vorsitzende Rainer Barzel stand kurz davor die Kanzlerschaft zu übernehmen. Reine Formsache, doch er verfehlte mit zwei Stimmen (aus den eigenen Reihen) die erforderliche Mehrheit.
Anita Bock bietet Zink hunderttausend Euro, wenn dieser eine Biografie über ihren Mann Alexander schreibt, dessen Firma, eine bundesweit führende Baumarktkette, in drei Jahren Jubiläum feiert. Dies wäre ein schönes Geschenk, zumal bislang unbekannt sei, dass Alexander, damals als Adjutant für den DDR-Spionagechef Markus Wolf tätig, maßgeblich am Scheitern des Misstrauensvotums beteiligt war. Im Auftrag der Stasi organisierte er eine Manipulation der Wahl durch Stimmkartendubletten und Bestechung zweier Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
„Wir würden es nicht bestätigen.“
„Also stimmt es?“
„Wenn wir etwas nicht bestätigen, heißt das noch lange nicht, dass es stimmt.“
„Würdet ihr es denn dementieren?“
„Ich bleibe dabei. Wir würden es nicht bestätigen.
Zink, der die Wahlmanipulation als Einziger durchschaute, aber nie beweisen konnte, nimmt den Auftrag an und begibt sich auf eine Reise in die eigene Vergangenheit. Alte Kontakte werden reaktiviert, zahlreiche Unterlagen gesichtet und am Ende verdichtet sich ein schlimmer Verdacht. Steckte wirklich die Stasi hinter der Manipulation oder gab es eine brutale in den Reihen der CDU/CSU? Schließlich sagte Barzel seinerzeit Zink in einem Interview, dass er dafür Franz Josef Strauß verantwortlich machte.
Zink gräbt unerschütterlich und immer tiefer, wobei ihm allerdings erst spät aufgeht, dass seine Auftraggeberin ganz eigene, andere Interessen verfolgt. Derweil findet Alexander Bock die Idee mit einer Biografie nicht mehr ganz so gut, denn Zink könnte recht unangenehme Wahrheiten zu Tage fördern. Daher setzt er seinen engen Mitarbeiter Klaus Krombach auf Zink an, ein Mann für’s Grobe, der früher ebenfalls für die Staatssicherheit gearbeitet hat.
Spannendes Familien-, Politik- und Spionagedrama
„Verrat am Rhein“ ist der späte Debütroman des Journalisten Hartmut Palmer (Jahrgang 1941), dessen Alter Ego unverkennbar Kurt Zink ist. Der Roman ist ein spannendes Familien-, Politik- und Spionagedrama mit verschiedenen Erzählsträngen. Da sind die Geschehnisse rund um das Misstrauensvotum vom 24. April 1972, die sehr detailliert geschildert werden; verbunden mit einer zweiten Variante, wie es damals womöglich abgelaufen sein könnte. Zum anderen stellt sich heraus, dass Alexander Bock einen Zwillingsbruder namens Bruno hat, der bei der Bombardierung von Dresden in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 gestorben ist. Ein Irrtum, wie sich schnell herausstellt, denn dieser lebt und ist unter fremden Namen in Bonn politisch aktiv. So setzt der Stasimann Bock die junge Agentin Anita auf Bruno an, der unbeabsichtigt eine wichtige Rolle bei dem Misstrauensvotum spielen wird. Allerdings birgt dieses Intermezzo im Nachgang eine Gefahr für Anita, da sich diese in Bruno verliebt. Kurt Zink deckt dies und vieles mehr auf und – mehr soll nicht verraten werden – entwickelt dabei einen Spionagethriller, der es in sich hat. Vergessen sind Topas und Co.
Zeitreise ins „alte Bonn“
Palmer hat in seinem Debüt leichtes Spiel, denn er muss eigentlich nur erzählen, was sich damals ereignet hat, ergänzt um den künstlerischen Part mit der Frage, was sich ereignet haben könnte und wie er selbst jene Zeit erlebt hat. Es geht zurück ins ehemalige Regierungsviertel, verrauchte Kneipen und die Niederungen der Politik, wo Intrigen zum Berufsalltag gehören. Das hier betriebene Komplott ist allerdings ein besonders perfides. Anschaulich wird die alte Zeit und die Atmosphäre der frühen 1970er Jahre wiederbelebt. Kanzler Brandt, der später Friedensnobelpreisträger wird, gerät ins Visier der Gegner seiner Ost- und Entspannungspolitik.
„Eine kluge Ratte betritt kein Schiff.
Politiker aus CDU und CSU, allen voran Franz Josef Strauß, laufen Sturm. Barzel wird gedrängt, die Kanzlerschaft an sich zu reißen und läuft in die Falle. Wer sich für Politik und Spionage interessiert, findet hier einen fundierten und knackigen Plot, der einige Überraschungen bereithält. Einblicke in die Arbeit eines durchweg engagierten und sympathischen Enthüllungsjournalisten gibt es obendrein.
- Autor: Hartmut Palmer
- Titel: Verrat am Rhein
- Verlag: Gmeiner
- Umfang: 411 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: Februar 2022
- ISBN: 978-3-8392-0205-0
- Produktseite
Wertung: 12/15 dpt
Ich habe den Roman gern gelesen und finde diese Rezension sehr gelungen. Hut ab.