Frank Goldammer – Im Schatten der Wende (Buch)

Frank Goldammer – Im Schatten der Wende (Buch)

Unterhaltsame Zeitreise

Im Schatten der Wende
© dtv

Frühjahr 1988. Leutnant Wetzig, der Abschnittsbevollmächtigte, kurz ABV, liegt tot in seinem Treppenhaus. Ein Sturz unter Alkoholeinfluss oder gar ein Mord? Tobias Falck, Obermeister der Volkspolizei, wollte den ABV aufsuchen und findet stattdessen seine Leiche. Kurz zuvor sah er zwei Männer auf einem Moped der Marke Simson wegfahren; der für die Ermittlungen zuständige Hauptmann Schmidt geht derweil von einem Unfall aus. Wenige Tage später soll Falck in eine Wohnung einziehen, um die in dem Haus lebenden Leute zu „beobachten“. Ein Sarg mit einer Frauenleiche ist spurlos verschwunden. Falck trifft auf eine Gruppe junger Menschen, die von einem Leben in Freiheit, kurz vom Westen, träumen und dadurch mit der Polizei immer wieder in Konflikt geraten. Nur langsam erkennt Falck wie sich die Stimmung in Dresden wandelt, obwohl seine Verlobte Ulrike ihn unerwartet sitzen lässt. Sie will einen Ausreiseantrag stellen, was seinen Einstieg in den mittleren Dienst gefährden könnte.

Wo lebst du denn? Du musst doch sehen, dass hier nichts mehr geht. Häuser fallen ein. In den Bezirken steht tagelang die Produktion still. In den Rathäusern stapeln sich die Eingaben. Die Menge hält nur still, weil sie Angst vor der Stasi hat.

Dezember 1989. Die Mauer ist gefallen und Falck tritt seinen Dienst beim Kriminaldauerdienst an. Hier wird er als Mitarbeiter ausgerechnet Schmidt zugeordnet. Zudem sieht er in dem Dreierteam auch Stefanie Bach wieder, mit der er damals kurz dienstlich Kontakt hatte. Viel Zeit zur Eingewöhnung bleibt dem Team nicht, denn nach dem Öffnen der Grenze geht es drunter und drüber. Ein tödlicher Unfall mit Fahrerflucht und schon wieder verschwindet eine Leiche. Ein Sexualstraftäter, den Falck schon 1988 jagte, treibt erneut sein Unwesen und zu allem Übel soll auch noch ein Auftragsmörder in Dresden aktiv sein. So behauptet es jedenfalls Sybille Suderberg, Hauptkommissarin der Kripo in Frankfurt am Main, die plötzlich in das Team drängt, was sofort alle Vorurteile zwischen Wessis und Ossis zum Vorschein bringt. Gereizter könnte die Stimmung kaum sein.

Immer wieder Dresden

Es war klar, dass die Geschichte in Dresden spielt, denn Frank Goldammer ist einem großen Krimipublikum durch seine Max-Heller-Reihe bekannt. Diese spielte zwischen November 1944 bis zum Beginn des Mauerbaus und – natürlich – in Dresden. „Im Schatten der Wende“, der Titel ist Programm, ist in zwei große Abschnitte aufgeteilt. Zunächst geht es im Frühjahr 1988 um die zunehmend aufkommende Wechselstimmung, die sich der linientreue Falck nicht erklären kann. Danach folgt die Nachwendezeit in der sich nicht nur die Verbrechen ändern – in der DDR gab es die meisten ja (offiziell) nicht -, sondern auch die Polizeimethoden.

Ich habe Kontakt zu einer Gruppe Gruftis aufgenommen. Die machen aber einen eher harmlosen Eindruck. Sie hören zwar westliche Musik und tragen schwarze Kleidung, aber eigentlich sind sie ganz friedlich.“
„Friedlich, aha. Diese Leute unterwandern unsere Jugendkultur mit westlicher Musik, tragen völlig unangemessene Trauerkleidung, und Sie nennen sie harmlos?

Atmosphärisch dicht, zunächst durch Falck in der Gruppe junger Menschen mit langen Haaren und verbotenen Liedern, später durch bissige Dialoge zwischen Ossi Schmidt und Wessi Suderberg maßgeblich dargestellt, stellt der Krimi eine unterhaltsame Zeitreise dar. Hier der real existierende Sozialismus mit heruntergekommenen Häusern, langen Lieferzeiten für einen Trabbi oder Wartburg und der ständigen Bespitzelung durch Polizei und Stasi. Dort der freie Westen mit Coca-Cola und Schokolade, aber eben auch mit Kapitalismus und damit einhergehender Ausbeutung der Arbeiterklasse.

Wer damals noch zu jung war, sollte sich diesen Rückblick in die deutsch-deutsche Geschichte gönnen. Unterhaltsam, kurzweilig und lehrreich. Und, ja, es geschehen mehrere Verbrechen die aufgeklärt werden wollen und dabei einige Überraschungen bieten. Allein die Figuren sind problematisch. Natürlich sind der stets griesgrämige Schmidt, die arrogante westdeutsche Suderberg und der mehr als naive Falck glaubwürdig gezeichnet; allerdings kommen sie auf ihre Art zwangsläufig negativ rüber. Gleichwohl ist der Gesamteindruck mehr als positiv und sollte der vorliegende Plot der Auftakt einer neuen Serie sein, wird man diese gerne weiterverfolgen.

Rezensionen zu der lesenswerten Max-Heller-Reihe finden Sie hier:

  • Autor: Frank Goldammer
  • Titel: Im Schatten der Wende
  • Verlag: dtv
  • Umfang: 368 Seiten
  • Einband: Taschenbuch
  • Erschienen: Februar 2022
  • ISBN: 978-3-423-26318-4
  • Produktseite  


Wertung: 12/15 dpt

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