Das Begräbnis (VoD, Serie)


Neue Serie von Jan Georg Schütte glänzt erneut durch Impro-Schauspiel

„Das Begräbnis“ ist der neue Geniestreich des deutschen Regisseurs, Drehbuchautors und Schauspielers Jan Georg Schütte. Die bitterböse Comedy-Serie besteht aus 6 Folgen, wird aktuell bis Ende Februar wöchentlich im Ersten ausgestrahlt und ist bereits seit dem 25. Januar in der ARD Mediathek kostenlos und komplett verfügbar.

Das Begräbnis - Serie - Titelplakat
© ARD Degeto/Georges Pauly
V. li. n. re.: Enkelin Jacky (Luise von Finkh), Tochter Sabine (Claudia Michelsen), der bodenständige Sohn Mario (Charly Hübner, Mitte), Ziehtochter Anna (Anja Kling) und der umtriebige Erstgeborene Thorsten (Devid Striesow).

Zur Handlung

Alles beginnt mit einem Ende: der Beerdigung von Wolff-Dieter Meurer, Inhaber des Familienbetriebs „Meurer Sanitär“. Schauplatz der Handlung ist sein Heimatdorf in Mecklenburg, ehemals DDR, und hier vor allem der absolut trostlose und typisch deutsche Gasthof, in dem die Trauerfeier nach der Beerdigung stattfindet. Gekommen sind seine Ex-Ehefrau und die zwei Söhne (einer lebenslang treu an Vaters Seite, einer 20 Jahre verschwunden) und Tochter Sabine „aus dem Westen“ mit Lifecoach im Gepäck. Dazu noch die sehr viel jüngere, zweite Ehefrau – jetzt Witwe – mit gemeinsamem Sohn, Meurers Enkelin sowie seine Pflegetochter mit Ehemann. Allein die Nennung der Gäste macht das große Konfliktpotenzial des Familientreffens deutlich und so kommt es wie es kommen muss: kleine und große Geheimnisse werden enthüllt, Lügen ans Licht gebracht und die Testamentsverkündung sorgt schließlich für den großen Knall…

Der Clou: Die sechs Folgen der Serie zeigen zwar den gleichen Tag, wechseln allerdings die Perspektive des Geschehens.

  • Episode 1 zeigt das Begräbnis aus Sicht von Sohn Mario Meurer (Charly Hübner, solide wie immer), dem etwas langsamen, gutmütigen Familienmenschen, der sich glasklar als neuer Ober-Meurer von „Meurer Sanitär“ sieht und in Stresssituationen zum Gameboy greift.
  • Episode 2 rückt den Erstgeborenen in den Fokus und heißt „Thorsten – der verlorene Sohn“: Nach über 20 Jahren taucht der selbstbewusste Stammhalter (wunderbar arrogant gespielt von Devid Striesow) nach erfolgreichen Geschäften im Ausland plötzlich wieder in der Heimat auf und fragt betont beiläufig nach dem Testament seines Vaters, kaum dass dieser unter die Erde gebracht worden ist …
  • In Episode 3 geht es rund: Hier erleben die Zuschauer*innen den Tag des Begräbnisses aus Sicht eines Ehepaares: der ehemaligen Pflegetochter Anna (Anja Kling) und deren arbeitslosem Mann Carsten (Martin Brambach), der gern mal ein paar Kurze zu viel kippt – und schließlich völlig die Kontrolle verliert.
  • In Episode 4 liegt der Fokus auf dem Enkelsohn Kevin aus zweiter Ehe und Beauty-Influencerin Jacky, Annas Tochter Anfang Zwanzig, die die Beerdigung mitsamt Feier für ihre Follower aufbereitet. Doch auch für sie hält die Familien-Zusammenkunft eine Offenbarung parat, die sie das Smartphone schlussendlich vergessen lässt. Kevin probiert sich an einer grotesken Kunstperformance, die bei der Trauergemeinde auf Unverständnis stößt.
  • Episode 5 blickt zurück in die DDR-Vergangenheit des Dorfes: Annas Vater Ernst kehrt nach langer Zeit an den Ort zurück, aus dem er vor der Wende floh und seine Tochter zurückließ. Es kommt zu einer schicksalhaften Aussprache zwischen Ernst und seinem damaligen Freund, dem Dorfpfarrer.
  • Schlussendlich bleibt noch Gaby, die Witwe, deren Perspektive in Episode 6 die zentrale Rolle spielt. Als zweite Ehefrau aus dem Westen wurde sie nie so richtig akzeptiert und hält jetzt aber den größten Trumpf in der Hand …
Das Begräbnis - Szenenfoto 2

Folge 1: Auf dem Begräbnis des Sanitärunternehmers Wolff-Dieter Meurer versammeln sich Familie, Freunde und Angehörige.

© ARD Degeto/Georges Pauly

Das Begräbnis - Szenenfoto 1

Folge 3: Es wird turbulent. Carsten (Martin Brambach, re.) legt auf Gaby (Catrin Striebeck, vorne) an. Mario Meurer (Charly Hübner) und Anna (Anja Kling) gehen dazwischen.

© ARD Degeto/Georges Pauly

Improvisation als Markenzeichen

Schütte nutzt für die Serie ein Stilmittel, das zum Markenzeichen seiner Produktionen geworden ist: Improvisation. Das bedeutet, dass der Plot zwar einige Fixpunkte hat, alle Darsteller*innen die Dialoge und Szenengestaltung während des Spiels jedoch frei entwickeln. Es gibt also kein Drehbuch, in dem wortwörtlich festgehalten wird, welche Figur wann etwas sagt oder tut. Ein mutiges Unterfangen für alle Mitwirkenden, doch es wird deutlich spürbar, wie viel Spaß die Schauspieler*innen an diesem Format haben:

Der Dreh war Rock ’n’ Roll und wild. Das Gefährliche ist, man greift nach Altbewährtem und dann doch auch wieder nicht. Ganz schön spannend, aber auch ziemlich nackt und ungeschminkt, das brauchte eine große Portion Mut. Aber das Vertrauen zu Jan Georg Schütte war enorm und außerdem haben wir ja das tollste Ensemble beieinander: Alle haben sich aufeinander eingelassen und ab ging die Luzie.Claudia Michelsen, spielt Tochter Sabine Stenz-Meurer

Dass das Ensemble gut miteinander harmoniert, fällt tatsächlich an vielen Stellen auf: Die Darsteller*innen gehen während des Spiels aufeinander ein und niemand drängt sich auffällig in den Vordergrund. Es gibt kein Ins-Wort-Fallen und komische Szenen funktionieren, weil sie gemeinsam aufgebaut werden. Dass Schütte dabei viel von allen Mitwirkenden erwartet, ist ihm durchaus bewusst:

Meine Drehs sind ja immer eine Art Trip für die Schauspieler. Aber der für ‘Das Begräbnis’ hat alle anderen in den Schatten gestellt: Allein die Größe des Ensembles, die vielen Drehorte, die gleichzeitig bespielt wurden, die wichtigen Stationen der Story, die nicht verpasst werden durften, die Actionszenen, die ja gebaut sein mussten – und der enorme logistische Aufwand mit über 50 Kameras, der Regiezentrale mit unzähligen Monitoren und dem ganzen Mitarbeiterstab. Ich kam mir beim Dreh wie ein Dirigent vor, der von Konzertsaal zu Konzertsaal saust, die Instrumente dort mit zwei, drei Taktschlägen einnordet und dann auch noch im Keller, der Kantine und dem Zuschauerraum weiter dirigiert.Jan Georg Schütte über die Dreharbeiten

Die Sinfonie ist jedenfalls geglückt, und das in gerade mal zwei Drehtagen: Keine Kamera ist im Klospiegel zu sehen, keine Tonangel ragt ins Bild – nichts zerstört die Illusion für das Publikum, an einem authentischen Moment teilzuhaben. Der enorme Aufwand aller Beteiligten rechnet sich und es bleibt zu hoffen, dass viele Zuschauer*innen das Ergebnis mit all seinen Mühen und der Liebe zum Detail zu schätzen wissen.

Wie Jan Georg Schütte das Deutsche Fernsehen rettet

Spätestens seit seiner Serie „Klassentreffen“ (2019), die einen Abend ebenfalls aus verschiedenen Perspektiven der Zusammengekommenen erzählt, hat Schütte seine feste Fangemeinde im Deutschen Fernsehen gefunden, die auf mehr hofft. Damals ebenfalls mit großen Namen wie Annette Frier oder Oliver Wnuk, die ihr komödiantisches Talent im Impro-Format unter Beweis stellen konnten. Schütte tritt hier in einer Gastrolle als Barmann auf, die zeigt, dass er auch vor der Kamera urkomisch ist. Unvergessen auch seine kleine Rolle als Wurstverkäufer im Film „Für immer Sommer 90“ (Grimme-Preis 2021), mit Charly Hübner, der nicht nur die Hauptrolle spielte, sondern auch das Drehbuch schrieb und bei dem Schütte gemeinsam mit Lars Jessen Regie führte. Ein Team, das auch mit „Das Begräbnis“ wieder zeigen konnte, dass die Zusammenarbeit großes Kino schafft. Das wohl größte Publikum erreichte Schütte sicherlich mit seiner Tatort-Folge „Tatort – das Team“ (2020), bei dem einige der berühmten Kommissarinnen und Kommissare an einem Teambuilding-Workshop teilnehmen müssen, der mit zwei Toten endet. Ebenfalls urkomisch, wieder improvisiert und absolut empfehlenswert! Bei seinem letzten Projekt stand Schütte zur Freude seiner Fans nicht nur hinter, sondern auch als Hauptfigur, einem verschlagenen Immobilienmakler/Paartherapeut, vor der Kamera: „Kranitz – Bei Trennung Geld zurück“ – ebenfalls uneingeschränkt empfehlenswert und unter anderem mit Perlen wie Bjarne Mädel („Der Tatortreiniger“).

In allen Produktionen, in denen Jan Georg Schütte das Szepter in der Hand hält (oder den Dirigentenstab) sind mehrere Dinge garantiert: Authentische Charaktere und deren Gefühle, überraschende Wendungen und realistische Dialoge. Der Humor, der sich im Spiel entspinnt, ist stets intelligent wie abgründig. Dialoge berühren, weil kein Pathos dazwischenfunkt, weil sich Beziehungen der Figuren organisch entwickeln können. Weil man einfach merkt, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler (endlich wieder) Freude haben, an dem was sie tun und diese Freiheit in vollen Zügen genießen.

Jan Georg Schütte (rechts) mit Produzent Lars Jessen nach der Premiere zu “Das Begräbnis”
Foto: Heike Blenk


Wertung: 13/15 dpt


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