Für mich ist Mental Health ein wichtiges Thema, da ich davon ausgehe, dass mein Handeln davon abhängt, wie ich die Welt um mich herum wahrnehme.
Und das auch wortwörtlich, wie es Jens Jüttner mit seinem Buch “Als ich aus der Zeit fiel” gezeigt hat.
“Als ich aus der Zeit fiel” von Jens Jüttner ist ein Sachbuch, welches 2020 durch den Pinguletta-Verlag veröffentlicht wurde und Jüttners Umgang mit der eigenen Schizophrenie thematisiert.
Dabei ist Jüttners Herangehensweise interessant: Während Jüttner seine Erfahrungen und den Umgang mit seiner Schizophrenie teilt, ergänzt er seine Erfahrungsberichte mit allgemeinen Erklärungen und versucht so, seine Krankheit zu entstigmatisieren.
So macht Jüttner schnell klar, dass Schizophrenie kein Schicksalsschlag ist, den man hinnehmen muss, sondern es sich auch bei der Schizophrenie um eine Krankheit handelt, gegen die gekämpft werden kann.
Die Ursachen für das Auslösen dieser Krankheit sind nicht eindeutig bestimmbar – zu den Auslösern können traumatische Erlebnisse, aber auch Drogenkonsum, fallen. Klar ist aber, dass die Betroffenen in einer Welt gefangen sind, die sich nur um sie dreht und aus der es nur schwer ein Entkommen gibt.
Aber Jütter zeigt, dass es ein Entkommen geben kann: Der Weg ist steinig und beginnt mit der Feststellung, dass man krank ist, ehe man mit der Suche nach den richtigen Medikamenten und der richtigen Therapie richtig Fahrt aufnimmt. Dieser Weg setzt aber auch voraus, dass man mit sich selbst und den Menschen um einen herum ehrlich ist – zu schnell kann es passieren, dass man aus Scham oder Stolz nicht die Hilfe in Anspruch nimmt, die man so dringend benötigt.
Besonders Jüttners persönliche Perspektive fand ich verdammt spannend: Psychische Krankheiten werden noch immer stigmatisiert oder klein geredet – so hat man keine Depression, sondern ist einfach faul und vegetiert vor sich hin. Und es gibt kein ADHS, sondern nur schlechte Erziehung. Auch Trauma bedeutet nur, dass man verweichlicht ist und Triggerwarnungen sind nur dazu da, dass man nicht mehr alles sagen darf. Das Outing als psychisch krank kann somit einen beruflich und sozial ins Aus führen – wenn das Outing überhaupt ernst genommen wird.
Durch Jüttners persönliche Erfahrungen, die er selbstreflektiert teilt, wird klar: Nein, psychische Krankheiten bedeuten nicht, dass man verrückt oder sozialer Dreck ist. Psychisch krank zu sein bedeutet, dass man sich selbst sein größter Gegenspieler ist und man sich ständig fragt, wieso man nicht das Gleiche kann wie alle anderen auch. Das wird dadurch gesteigert, dass man psychische Krankheiten nicht sehen kann, weswegen das Umfeld nur eingeschränkt unterstützen kann und es auch den Betroffenen selbst schwer fällt, sich ihre Krankheit einzugestehen und therapieren zu lassen.
Deswegen ist “Als ich aus der Zeit fiel” für mich ein wertvolles Buch, das ich weiterempfehlen will – nicht nur, weil sich Jüttner präzise und authentisch artikuliert und schwierige Konzepte niederschwellig erklären kann, sondern auch um das Verständnis für Mental Health zu fördern.
- Autor: Jens Jüttner
- Titel: Als ich aus der Zeit fiel
- Verlag: Pinguletta Verlag
- Erschienen: 2021
- Einband: Softcover
- Seiten: 138
- ISBN: 978-3-948063-11-5
- Sonstige Informationen:
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Wertung: 13/15 dpt