Frank Goldammer – Feind des Volkes (Buch)
Furioser Abschluss einer empfehlenswerten Serie
„Anfang August 1961, kurz vor seinen Ruhestand, wird Kriminalhauptmann Max Heller von einem länger zurückliegenden Fall eingeholt, …“ So zu lesen auf dem Buchrücken des siebten und zugleich letzten Auftritts von Max Heller, der, wie alle Vorgänger, in Dresden spielt. Bis die Geschichte das Jahr 1961 tatsächlich erreicht, ist die Hälfte des Romans bereits vorbei, denn zunächst will jener „zurückliegende Fall“ geschildert werden.
Am ersten September 1959 werden in der Dresdner Heide die Leichen von zwei Männern gefunden, welche durch zahlreiche Messerstiche in Brust und Rücken ermordet wurden. Es handelt sich um Walter Scheuermann und Ludwig Bogel, beide SED-Mitglieder der ersten Stunde. Umso mehr ist Max Heller über einige Narben an den Oberarmen der Toten erstaunt, ähneln diese doch auffällig jenen, die sich ehemalige SS-Leute nach dem Krieg bei dem Versuch zuzogen, ihre Blutgruppentätowierung zu beseitigen. Angesehene SED-Leute waren ehemalige SS-Männer? Völlig unmöglich, ganz offiziell. Bogel arbeitete zudem im Bereich der Kernforschung, weshalb Major Appelt, Hellers neuer Vorgesetzter, diesem umgehend verbietet, am Arbeitsplatz des Toten zu ermitteln. Stattdessen stürzt sich Heller auf die hinterbliebenen Ehefrauen, die höhst seltsam auf die Todesnachrichten reagieren.
Eine weitere Spur führt in die Gaststätte „Heidemühle“, in der sich gleich drei Personen verdächtig machen. Am sechsten September – zwei weitere Leichen sind unterdessen zu beklagen – ist der Fall gelöst, ein Geständnis liegt vor. Dann wird die Geschichte am 19. Juli 1961 fortgesetzt und schnell wird klar, dass wohl der Falsche verhaftet wurde. Eine neue Mordserie beginnt und Heller nebst Familie gerät in das Visier des Mörders.
Erneut stellt sich die Frage: Rüber machen oder nicht?
Karin und Max Heller standen schon einmal vor der Frage, ob sie in den Westen ziehen sollten. Dann starb ihre langjährige Vermieterin und beide erbten das Haus, zudem war Erika in einer äußerst heiklen Lage, die sie ihrem Mann Klaus, Sohn der Hellers, zu verdanken hat. Man blieb und seitdem wurde es insbesondere für Max nicht besser. Nach dem vorzeitigen Ruhestand seines alten Chefs Niesbach, hat er erhebliche Probleme mit dessen Nachfolger Appelt. Zudem scheint sich Heller mehr und mehr in den Fall zu verrennen, Appelt versetzt ihn in den Innendienst. Kurz vor seinem Ruhestand eine finale Demütigung. Das Verhältnis zu Sohn Klaus kann als nicht mehr existent bezeichnet werden, verbietet dieser seiner Frau und der Tochter jeglichen Kontakt zu seinen Eltern. Stattdessen beauftragt er über Mittelsmänner sogar Peter Salbach, seinen Chef Heller für die Stasi zu bespitzeln.
„Hauptmann. Ich kann Sie in den Innendienst versetzen?“
„Ist das eine Drohung?“
„Keineswegs. Nur ein Angebot.“
Der letzte Fall bietet vor allem im zweiten Teil ein bisschen zu viel des Guten, sprich ein paar Leichen zu viel. Andersrum: Wer in den Vorgängern zu wenig Action ausmachte, der bekommt hier die volle Entschädigung. Dass Heller und seine Leute teils den Überblick verlieren kommt nicht von ungefähr, dem Leser ergeht es nicht anders. Nach etlichem Durcheinander kommt es zur Auflösung der aktuellen Fälle und der Frage, wie (und wo) es mit den Hellers und Adoptivtochter Anni weitergeht. Heller ist zu diesem Zeitpunkt vierundsechzig Jahre alt und hat als Ermittler fertig. Erneut gelingt es Frank Goldammer eindringlich die Situation in der DDR zu schildern. Mit teils klaren, teils subtilen Mitteln wird Heller eingeschüchtert und dies vor allem, weil er nie erwägt hat, der Partei beizutreten. „Feind des Volkes“ bietet neben dem actionreichen Krimiplot erneut eine lesenswerte Lektüre zur (ost-)deutschen Zeitgeschichte. Wer die Reihe nicht kennt, sollte beim ersten Band anfangen.
- Autor: Frank Goldammer
- Titel: Feind des Volkes
- Verlag: dtv
- Umfang: 416 Seiten
- Einband: Taschenbuch
- Erschienen: September 2021
- ISBN: 978-3-423-26300-9
- Produktseite
Wertung: 12/15 dpt