Thomas Christos – 1965 Der erste Fall für Thomas Engel


Thomas Christos – 1965 – Der erste Fall für Thomas Engel (Buch)

1965 - Der erste Fall für Thomas Engel
© Blanvalet

Packender Krimi trifft eindringlich geschilderte Zeitgeschichte

Kurt Strobel leitet dir Düsseldorfer Kripo und ist der engste Freund von Werner Engel. Man kennt sich aus dem Krieg, wenngleich man die Erinnerung an diese Zeit gerne verdrängt. Für dessen Sohn Thomas ist Strobel nur der „Onkel“, zu dem er aufblickt, schließlich möchte er selbst gerne Polizist werden. Die Ausbildung beendet er als Jahrgangsbester und heuert bei der Kripo an. Kurz darauf gibt es einen ersten Todesfall. Auf einem Brachgelände am Stadtrand, welches vorbeifahrenden Zigeunern als Zwischenlager dient, wird ein toter Mann gefunden. Eine Drahtschlinge um dessen Hals scheint ein Tötungsdelikt nahezulegen, doch die Obduktion weist einen Selbstmord durch Strangulation aus. Der Fall wird zu den Akten gelegt.

Thomas lernt die junge Peggy kennen, die aus einem kirchlichen Fürsorgeheim floh. Man freundet sich an und Thomas will ihr eines Abends die Burgruine Kaiserswerth zeigen. Aus einem romantischen Ausflug wird jedoch nichts, da Thomas auf die Leiche eines Mädchens stößt. Die Umstände deuten auf ein Sexualdelikt hin. Da sein Zusammensein mit der flüchtigen Peggy strafbar ist, bittet er „Onkel Kurt“ um Hilfe. Am nächsten Morgen werden Thomas Fotos vom Tatort vorgelegt, die mit seiner Erinnerung nicht zusammenpassen und den Eindruck erwecken, dass Mädchen sei in der Ruine unglücklich gestürzt. Thomas ist fassungslos, dass nicht in einem Mordfall ermittelt wird. Kurz darauf stößt er im Archiv auf einen nahezu identischen Fall aus dem Jahr 1939. Auch damals starb ein junges Mädchen in der Ruine Kaiserswerth, woraufhin die Gestapo die Ermittlungen an sich zog und einen unschuldigen Homosexuellen zum Tode verurteilte. Was wurde damals und was wird heute vertuscht? Für Thomas ist klar, dass der Mörder noch immer frei herumläuft. Doch weit schlimmer ist sein Verdacht, dass Strobel dessen Identität kennt.

Nach Kriegsende arbeiteten viele Nazis unbehelligt weiter.

Krimi versus Zeitgeschichte ist seit einigen Jahren angesagt, wenngleich meist die 1920er und 1930er Jahre im Fokus stehen. Bei Thomas Christos alias Christos Yiannopoulos rücken die 1960er Jahre in den Mittelpunkt, die ein wenig zu Unrecht vernachlässigt werden. Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges sind noch gegenwärtig, es herrscht eine miefig-spießbürgerliche Grundstimmung, in der viele noch der guten, alten Zeit nachhängen. Frühere, teils hochrangige Nazis arbeiten derweil ungestraft weiter; selbst in Spitzenpositionen.

„Er ist kastriert worden?“

„So war das unter Adolf. Die wurden ins Gefängniskrankenhaus gebracht, wo Prof. Humbold zu Werke ging.“

„Ist das der Prof. Humbold, der jetzt die Psychiatrie leitet?“

„Richtig. Wir nannten ihn früher den Eierschneider.“

Die Generation jener jungen Menschen, die gegen Kriegsende oder kurz danach geboren wurde, will hingegen ihre Freiheit genießen und begehrt auf; nicht nur gegen den Vietnamkrieg, sondern vor allem musikalisch. Beatmusik ist angesagt und den Soundtrack jener Zeit liefern die Rolling Stones, die Beatles, Bob Dylan und andere.

Die Handlung wechselt zunächst zwischen der Gegenwart, beginnend mit Thomas Einstieg bei der Polizei, in der oft mit ruppigen Methoden gearbeitet wird und jenem Mordfall im Jahr 1939. Wie diese Ereignisse zusammenhängen ist teilweise vorhersehbar, warum aber die Ermittlungen damals wie heute nicht vorangetrieben werden, wird sich erst im späteren Verlauf zeigen. Jedenfalls, das darf verraten werden, stößt Thomas auf ein braunes Wespennest und einen strengen Polizeiethos, wonach man zwingend zusammenhält. Da wird auch schon mal zugeschlagen, das eine oder andere Beweismittel verschwindet und wer dagegen aufbegehrt hat ein Problem.

Die Polizeiarbeit, die bedrückende Atmosphäre für junge Menschen in der kleinbürgerlichen Fassade verlogener Wohlanständigkeit sowie das Aufbegehren jener, die nicht dazugehören dürfen, wird eindrucksvoll dargestellt. So lernen sich Thomas und Peggy nicht zufällig bei einem Konzert der Rolling Stones kennen und ebenso wenig überraschend werden Thomas beste Helfer, da hat er sich mit seinen Polizeikollegen längst überworfen, ein homosexueller Barbesitzer, eine Prostituierte und ein zwielichtiger Fotograf. Nicht wenige von ihnen leiden unter Paragraf 175 sowie dem Kuppeleiparagraf.

Bei seinen Recherchen stößt Thomas auf ein Foto, welches ihn zutiefst schockiert, denn es führt ihn mitten hinein in die deutschen Gräueltaten in Polen. Die Exekutionen von Kindern, Frauen und Männern waren für den 21-jährigen bis dahin nicht bekannt. Zuhause sprach man nicht über die Kriegszeit und nach seiner Recherche in einem kleinen polnischen Ort wird Thomas schmerzhaft bewusst, warum dies ein Tabuthema war.

„1965“ ist weit mehr als ein fesselnder Kriminalroman, denn er liefert einen wichtigen Beitrag zur deutschen Zeitgeschichte. Wie das Konglomerat aus Korruption, Erpressung, Kriegsverbrechen und Vertuschung zusammenhängt ist lehrreich beschrieben. Die Fortsetzung „1966“ ist bereits erschienen.

  • Autor: Thomas Christos
  • Titel: 1965 – Der erste Fall für Thomas Engel
  • Verlag: Blanvalet
  • Umfang: 400 Seiten
  • Einband: Hardcover
  • Erschienen: März 2020
  • ISBN: 978-3-7645-0719-0
  • Produktseite  


Wertung: 13/15 dpt


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